08.01.2014

Vollmachten und Vertretungsregelungen in Unternehmen

Grundsätzlich kann jeder nur für sich selbst wirksame Verträge schließen. Dies ist aber aus verschiedenen praktischen Gründen nicht immer möglich. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) räumt hier die Möglichkeit ein, dass jemand eine andere Person bevollmächtigen kann, für ihn bei Rechtsgeschäften, z. B. Vertragsabschlüssen zu handeln. Damit das dabei zustandegekommene Geschäft, das der Vertreter tätigt, auch für und gegen den Vertretenen wirkt, bedarf es einer wirksamen Vertretung.

1. Die allgemeine Stellvertretung des BGB (gem. §§ 164 ff BGB)

Entstehen und Umfang der allgemeinen Stellvertretung
Die allgemeine Stellvertretung entsteht durch die Erteilung der Vertretungsmacht an den Vertreter. Hierzu bedarf es gewisser Voraussetzungen sowohl auf Seiten des Vertreters als auch auf Seiten des Vertretenen.
Der Vertretene kann grundsätzlich den Umfang der Vertretungsmacht des Vertreters frei bestimmen, d. h. er allein kann festlegen, ob und bei welchen Geschäften er vertreten werden möchte. Dies kann sich lediglich auf eine bestimmte Rechtshandlung (Einzelvollmacht) aber auch auf die Wahrnehmung sämtlicher Geschäfte in einem bestimmten Bereich (Generalvollmacht) beziehen.
Der Vertreter muss grundsätzlich Dritten gegenüber zu erkennen geben, dass er nicht für sich selbst den Vertrag schließen möchte, sondern dass seine Willenserklärungen für und gegen den Vertretenen wirken sollen. Dies kann sowohl durch den Zusatz „i. V.“ als auch durch „i. A.“ bei der Unterschrift gekennzeichnet werden. Unterlässt der Vertreter dies, so gilt der Vertrag im Zweifel als mit ihm zustandegekommen, d. h. seine Willenserklärungen ver­pflichten nicht den Vertretenen, sondern ihn selbst. Ausnahmen dazu bilden nur die soge­nannten „Geschäfte des täglichen Lebens“ oder „Geschäfte für den, den es angeht“, bei de­nen aus praktischen Gründen auf dieses Offenkundigkeitsprinzip verzichtet werden kann. Außerdem muss sich der Vertreter an den ihm vorgegebenen Umfang der Vertretungsmacht halten, da sonst der Vertrag durch den Vertretenen noch genehmigt werden muss oder der Vertreter als „Vertreter ohne Vertretungsmacht“ wiederum selbst zur Rechenschaft gezogen werden kann.

2. Erlöschen der Vertretungsmacht

  • durch Widerruf
    So wie die Vertretungsmacht erteilt wird, kann sie auch jederzeit widerrufen werden, es sei denn, der Widerruf wurde durch Vertrag ausgeschlossen. Grundsätzlich hat der Wi­derruf gegenüber der Person zu erfolgen, der gegenüber die Vertretungs-macht als sol­che erklärt wurde, d. h. wurde sie gegenüber dem Vertragspartner erklärt, so muss sie auch diesem gegenüber widerrufen werden. Die Vertretung wirkt weiter, wenn die Voll­macht gegenüber einem Dritten erteilt wurde und diesem ein interner Widerruf der Ver­tretungsmacht zwischen Vertretenem und Vertreter nicht bekannt ist.
    Die Vertretungsmacht besteht auch weiter und ist nicht erloschen, wenn dem Vertreter eine Vollmachtsurkunde erteilt wurde und er sich durch diese gegenüber dem Vertragspartner als Vertreter ausweist. Der Vertreter hat zwar die Urkunde nach Erlöschen der Vollmacht wieder zurückzugeben, solange er sie aber noch in Besitz hat und Dritten gegenüber vorlegt, ist von einer wirksamen Vertretung auszugehen. Auf einen internen Widerruf der Vollmacht kommt es hierbei nicht an.
    Ein Widerruf kann entbehrlich sein, wenn die Vertretungsmacht an eine Bedingung geknüpft ist, und diese Bedingung eintritt. Durch den Eintritt endet die Vertretungsmacht automatisch.
  • durch Tod
    Die Vertretungsmacht endet auch mit dem Tod des Vertreters, es sei denn, es wurden Regelungen getroffen, nach denen die Vertretungsmacht nach dem Tod automatisch auf eine andere Person übergeht.
    Beim Tod des Vertretenen bleibt die Vollmacht im Zweifel fortbestehen.
    Mit dem Erlöschen der Vertretungsmacht endet die Vertreterposition des Vertreters, d. h. alle Verträge, die er von nun an im Namen des Vertretenen schließt, sind schwebend unwirksam. Dies bedeutet, dass sie von der nachträglichen Genehmigung des Vertretenen abhängen. Genehmigt dieser den Vertrag, so wird er gegenüber ihm wirksam, verweigert er die Ge­nehmigung, so ist der sog. Vertreter ohne Vertretungsmacht selbst an den Vertrag ge­bunden, d. h. er muss die versprochene Leistung selbst erbringen oder muss in ent­sprechender Weise Schadensersatz leisten. Diese Haftung des Vertreters ist nur dann be­grenzt, wenn der Vertreter selbst das Fehlen seiner Vertretungsmacht nicht gekannt hat. Einseitige Rechtsgeschäfte, wie z. B. eine Mahnung durch einen Vertreter ohne Ver­tretungsmacht, sind grundsätzlich unwirksam, es sei denn, der andere Vertragspartner hat die fehlende Vertretungsmacht bei der Vornahme des Geschäfts nicht beanstandet oder er ist mit dem Handeln ohne Vertretungsmacht einverstanden gewesen.

3. Minderjährige

Grundsätzlich sind Minderjährige gem. §§ 104 ff BGB nur beschränkt geschäftsfähig, d. h. sie dürfen nur solche Geschäfte tätigen, aus denen ihnen lediglich ein rechtlicher Vorteil er­wächst oder die als rechtlich neutral angesehen werden. Bei der Stellvertretung haftet der Vertreter grundsätzlich nicht selbst für die von ihm abgegebenen Willenserklärungen, so dass man hier von einem rechtlich neutralen Geschäft ausgehen kann. Somit können auch Minderjährige als Vertreter eingesetzt werden.

4. Formvorschriften

Grundsätzlich kann die Vollmacht formfrei erteilt werden. Eine Formbedürftigkeit besteht lediglich in den Fällen, in denen eine Umgehung der Schutz- und Wahrnehmungsfunktion droht, etwa bei Erteilung unwiderruflicher Vollmachten zum Erwerb von Grundstücken.
Bei der Vornahme eines einseitigen Rechtsgeschäfts bedarf es immer der Vorlage des Originals der Vertretungsurkunde. Wird sie nicht vorgelegt, hat der andere Geschäfts­partner das Recht, das Rechtsgeschäft zurückzuweisen. Dieses Zurückweisungsrecht ist aber ausgeschlossen, wenn das Rechtsgeschäft durch einen Vertreter ausgeführt wird, der eine Stellung innehat, die üblicherweise mit einer entsprechenden Vollmacht ausge­stattet ist.
Meist handelt es sich in diesem Bereich um Kündigungen, die Fristen unterliegen. Das Zu­rückweisungsrecht des Arbeitnehmers könnte so u. U. zur Verfristung von Kündigungen füh­ren. Hier ist das Zurückweisungsrecht dann ausgeschlossen, wenn die Kündigung von der Geschäftsführung selbst oder vom Leiter der Personalabteilung vorgenommen wurde.

5. Insichgeschäft

Gem. § 181 BGB ist das Insichgeschäft unzulässig, d. h. man kann weder als Vertreter eines anderen mit sich als Privatperson ein Geschäft abschließen, noch als Vertreter zweier ver­schiedener Personen einen Vertrag zwischen diesen beiden abschließen. Schließlich ist da­von auszugehen, dass die notwendige Unabhängigkeit des Vertreters in derartigen Fällen nicht mehr gewährleistet ist, da der Vertreter allzu leicht in einen Interessenkonflikt zu ge­raten droht. Jedoch kann der Vertretene eine Befreiung von § 181 BGB erteilen. Ebenfalls zulässig sind solche Rechtsgeschäfte, die lediglich der Erfüllung einer bestehenden Verbind­lichkeit dienen.

6. Duldungs- und Anscheinsvollmacht

Hierbei handelt es sich um Formen der Vertretung, die gesetzlich nicht geregelt sind, sondern von der Rechtsprechung im Laufe der Zeit entwickelt wurden.
  • Bei der Duldungsvollmacht handelt es sich – wie der Name schon vorwegnimmt – um eine Vollmacht, die so nicht erteilt wurde, sondern nur geduldet wird, d. h. der Vertreter wird ohne Erteilung der Vertretungsmacht für den Vertretenen tätig. Obwohl der Ver­tretene davon Kenntnis hat, schreitet er aber nicht gegen das Handeln des Vertreters ein. Durch dieses Verhalten des Vertretenen wird die Duldungsvollmacht begründet, d. h. auch ohne ausdrückliche Erteilung der Vertretungsmacht wirken die Geschäfte des Vertreters für und gegen den Vertretenen.
Beispiel:
S ist Inhaberin einer Boutique. Im Einkauf ist E beschäftigt. E hat die Aufgabe, die Bestellungen auf dem Briefpapier der S zu schreiben und diese dann der S zur Un­terschrift vorzulegen. E unterschreibt die Bestellungen aber selbst. S sieht das, ist damit nicht einverstanden, sagt aber zu E nichts und bezahlt alle aus den Bestellungen resul­tierenden Rechnungen.
  • Dasselbe gilt auch für die Anscheinsvollmacht. Allerdings hat der Vertretene hier keine Kenntnis davon, dass ein anderer als sein Vertreter auftritt; jedoch hätte er unter nor­malen Umständen davon Kenntnis nehmen können.
Beispiel:
Ausgangsfall wie oben, jedoch merkt S nicht, dass E die Bestellungen selbst unterschreibt, überweist aber anstandslos alle aus den Bestellungen resultierenden Rechnungen. Durch genaue Durchsicht der Rechnungen hätte S erkennen können, dass E weisungswidrig im Namen der S handelt.

7. Die Stellvertretung im HGB 

Die Prokura
Neben diesen allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen trägt das Handelsgesetzbuch (HGB) mit normierten Vertretungsmöglichkeiten den Erfordernissen des Wirtschaftsverkehrs Rech­nung. Die umfangreichste Vertretungsform ist hier die Prokura.
Formen der Prokura
  • Einzelprokura: Hier wird einer einzelnen Person die Vertretungsmacht in Form der Pro­kura erteilt, d. h. der Prokurist übernimmt in diesem Fall die Vertretung des Kaufmanns alleine
  • Gesamtprokura: Diese liegt vor, wenn die Prokura durch den Geschäftsherrn an meh­rere Personen gemeinschaftlich erteilt wird. Die sog. Gesamtprokuristen müssen grund­sätzlich bei jedem Geschäft zusammenwirken, was jedoch nicht zur selben Zeit und am selben Ort erforderlich ist. Hierbei gibt es dann noch die Möglichkeit, die Prokura so zu erteilen, dass der Prokurist nur gemeinsam mit dem Vertretungsorgan der Handelsge­sellschaft (z. B. dem GmbH-Geschäftsführer) vertretungsberechtigt ist (unechte Ge­samtprokura).
  • Filialprokura: Dies ist bei einem Unternehmen mit mehreren Niederlassungen gegeben, wenn die Prokura durch den Geschäftsherrn auf den Betrieb einer Niederlassung be­schränkt erteilt wurde. Die Prokura, die sich auf alle Niederlassungen erstreckt, wird als Generalprokura bezeichnet.
Entstehen und Umfang der Prokura
Die Prokura kann nur von einem Kaufmann i.S.d. §§ 1, 6 HGB durch eine ausdrückliche Er­klärung erteilt werden. Zwar brauchen die Worte „Prokura“ oder „Prokurist“ in der Erklärung selbst nicht ausdrücklich vorzukommen, es muss sich aber zweifelsfrei aus den Umständen ergeben, dass es sich um die Erteilung der Prokura handelt.
Beispiel:
Hinz, der bisherige Prokurist, verlässt das Unternehmen. Daraufhin sagt der Kauf­mann Kurz dem Angestellten Volz: „Von heute an übernehmen Sie die Stellung des Hinz“, oder „von nun an haben Sie mit „ppa.“ zu unterschreiben“. In beiden Fällen liegt eine wirk­same Erteilung der Prokura an Volz vor.
Eine stillschweigende Erklärung oder die einfache Duldung ist dagegen nicht möglich. In solchen Fällen liegt immer nur eine Handlungsvollmacht (s. u.) vor. Der Umfang der Prokura ist durch § 49 HGB festgelegt, wonach der Prokurist zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften befugt ist, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. Daraus ergibt sich, dass die Vertretungsmacht des Prokuristen nicht nur auf einfache und gewöhnliche Geschäfte beschränkt ist, die in dem kaufmännischen Unternehmen vor­kommen, in dem er beschäftigt ist. So ist der Prokurist z. B. ermächtigt im Namen des Kauf­manns Prozesse zu führen, Forderungen zu erlassen oder Darlehen aufzunehmen.
Dritten gegenüber kann man den Umfang der Prokura nicht beschränken (§ 50 HGB), dies kann aber dennoch im Innenverhältnis (Verhältnis zwischen Kaufmann und Prokurist) ge­schehen.
Beispiel:
Kaufmann K untersagt seinem Prokuristen P, Verträge mit Rechnungsbeträgen von mehr als € 10.000,-- abzuschließen. P kauft aber dennoch Waren im Wert von € 20.000,--. Da die Beschränkung gegenüber Dritten unwirksam ist, kam ein wirksamer Ver­trag zustande, d. h. K muss die € 20.000,-- bezahlen. Da sich P aber im Innenverhältnis über die ihm wirksam gesetzten Schranken hinweggesetzt hat, ist er dem K zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
Grenzen der Prokura
Der Umfang der Prokura ist gesetzlich beschränkt. 
Prinzipalgeschäfte
Hierbei handelt es sich um Geschäfte, die dem Kaufmann gesetzlich zugewiesen worden sind. Dies sind z. B.:
  • die Anmeldung und Zeichnung der Firma zum Handelsregister
  • die Unterzeichnung des Jahresabschlusses
  • die Erteilung der Prokura
Geschäfte außerhalb des Geschäftsbetriebes
Diese sind nicht durch die Prokura gedeckt, da diese der Betrieb eines Handelsgewerbes gerade nicht mit sich bringt. Meist handelt es sich hierbei um Privatgeschäfte des Kauf­manns, zu der es dann wieder einer Vertretungsmacht i.S.d. §§ 164 ff. BGB bedarf.
Grundlagengeschäfte
Geschäfte, bei denen die Grundlagen des kaufmännischen Unternehmens betroffen sind, sind auch nicht von der Prokura gedeckt. So z. B.:
  • Veräußerung des Unternehmens
  • Eröffnung des Insolvenzverfahrens
  • Änderung des Gesellschaftsvertrage
Erlöschen der Prokura
Mit dem Erlöschen der Prokura endet die Vertretungsmacht des Prokuristen für den Kauf­mann. Die Prokura kann aus verschiedenen Gründen erlöschen:
  • Durch Widerruf: So kann die Prokura jederzeit und ohne Angabe von Gründen sowohl gegenüber dem Prokuristen als auch gegenüber dem Dritten widerrufen werden, es sei denn, es wurde z. B. im Gesellschaftsvertrag etwas anderes vereinbart. Hierbei ist sogar eine öffentliche Bekanntmachung ausreichend.
  • Zu beachten ist hierbei aber, dass ein Widerruf der Prokura ins Handelsregister einzutra­gen ist, da sich sonst ein Dritter auf den Schein des Handelsregisters berufen kann.
  • Regelmäßig erlischt die Prokura mit Beendigung des Grundverhältnisses (dies ist in der Regel der Arbeitsvertrag), wenn sie nicht schon zuvor aus einem anderen Grund erlo­schen ist.
Beispiel:
Der Arbeitsvertrag wurde für 5 Jahre geschlossen, die Prokura für die Zeit von 2 Jahren erteilt. Hier endet dann die Prokura schon vor dem Arbeitsverhältnis.
  • Ferner erlischt die Prokura beim Tod des Prokuristen, denn sie ist weder übertragbar noch vererblich. Demgegenüber ist der Tod des Kaufmanns kein Erlöschensgrund. In die­sem Fall vertritt der Prokurist dann die Erben.
  • Schließlich endet die Prokura auch mit dem Verlust der Kaufmannseigenschaft des Ge­schäftsinhabers. Die Prokura kann dann aber in eine Generalhandlungsvollmacht umge­deutet werden.
Eintragung ins Handelsregister
Sowohl das Erteilen als auch das Erlöschen der Prokura ist ins Handelsregister einzutragen. Bei der Eintragung der Prokura hat der Prokurist seine Namensunterschrift unter Angabe der Firma und mit Prokuristenzusatz („ppa.“, „per procura“ oder „Prokurist“) zur Aufbewahrung beim Registergericht zu zeichnen. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine Wirksamkeits­voraussetzung der Prokura. Unterbleibt z. B. die Registereintragung des Erlöschens der Pro­kura und deren Bekanntmachung, so kann sich ein gutgläubiger Dritter darauf berufen, dass er auf den Fortbestand der im Handelsregister eingetragenen Prokura vertraute.
Beispiel: K hat die dem P erteilte, eingetragene und bekanntgemachte Prokura am 01.02. widerrufen. Der Widerruf wurde allerdings weder ins Handelsregister eingetragen noch be­kanntgemacht. Am 01.04. schließt P im Namen des K mit einem Dritten einen Vertrag. Zwar ist die Prokura am 01.02. erloschen, soweit der Dritte von dem Widerruf der Prokura nichts wusste, darf er auf das „Schweigen des Registers“ vertrauen und davon ausgehen, dass die Prokura am 01.04. noch bestanden hat. Somit ist K an den Vertrag, den P am 01.04. ge­schlossen hat trotz des Widerrufs der Prokura gebunden.
Missbrauch der Vertretungsmacht
Grundsätzlich ist die Beschränkung der Vertretungsmacht Dritten gegenüber nicht wirksam. Aber auch davon gibt es eine Ausnahme: Der Prokurist handelt entgegen den Weisungen des Kaufmanns zu dessen Nachteil und der Dritte wusste Bescheid. Hierbei kommt es da­rauf an, ob der Dritte Kenntnis vom Missbrauch hatte oder ob es sich ihm hätte aufdrängen müssen, dass der Prokurist die Grenzen seiner Vertretungsmacht zum Nachteil des Kauf­manns überschreitet. In so einem Fall ist der Dritte nicht mehr schutzwürdig, d. h. im Zweifel ist der Kaufmann nicht an den Vertrag des Prokuristen gebunden und der Dritte kann sich dem Kaufmann gegenüber nicht auf die Prokura berufen.
Fortdauer der Prokura in der Insolvenz
  • Wird der Prokurist selbst zahlungsunfähig, so besteht nach der heute herrschenden Mei­nung die Prokura weiterhin fort.
  • Wird der Kaufmann oder dessen Unternehmen zahlungsunfähig, so erlischt die Prokura mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, weil die Prokura auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezogen ist.

8. Die Handlungsvollmacht

Die Handlungsvollmacht ist jede im Betrieb eines Handelsgewerbes erteilte formfreie Voll­macht, die keine Prokura ist, d. h. durch die Handlungsvollmacht kann der Geschäftsherr die Vertretungsmacht den individuellen Bedürfnissen des betreffenden Handelsgewerbes an­passen. Für die Handlungsvollmacht gelten die allgemeinen Regeln über die Stellvertretung des BGB, soweit es in den §§ 54 ff HGB keine Besonderheiten gibt.
 Gegenüberstellung von Handlungsvollmacht und Prokura
  • Die Handlungsvollmacht kann auch durch einen Prokuristen oder Bevollmächtigten und auch als Untervollmacht erteilt werden.
Beispiel:
Ein Personalchef kann eine Verkäuferin einstellen und ihr Handlungsvollmacht erteilen.
  • Die Handlungsvollmacht muss weder ausdrücklich noch persönlich erteilt werden, d. h. hier ist auch eine Duldungs- oder Anscheinsvollmacht möglich.
Beispiel: Anstellung als Kassiererin
  • Die Eintragung der Handlungsvollmacht ins Handelsregister ist weder möglich noch erforderlich, d. h. Dritte können nicht uneingeschränkt auf das Bestehen einer derartigen Vollmacht vertrauen.
  • Ist eine Handlungsvollmacht bestimmter Art erteilt, so gibt es hier keinen gesetzlichen Umfang. Wird die Handlungsvollmacht durch den Geschäftsherrn beschränkt, so gilt dies auch gegenüber Dritten, soweit sie diesen bekannt sind oder diese sie kennen müssten.
  • Eine Handlungsvollmacht kann auch noch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erteilt werden.
  • Während der Prokurist mit dem Zusatz „ppa.“ unterzeichnet, reicht es beim Handlungsbe­vollmächtigten aus, wenn er durch „i. V.“ oder „i. A.“ das Vertretungsverhältnis anzeigt.
Formen der Handlungsvollmacht
  • Generalvollmacht: Sie berechtigt zur Vornahme aller Geschäfte, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes gewöhnlich mit sich bringt. Im Gegensatz zur Prokura ist man hier auf die branchenüblichen Geschäfte des konkreten Gewerbes beschränkt.
  • Artvollmacht: Dies ist die Vollmacht, die zur Vornahme eines bestimmten Geschäfts be­rechtigt, das dem bestimmten Handelsgewerbe angehört.
Beispiele:
Einkäufer, Verkäufer, Kassierer
  • Spezialvollmacht: Hier ist die Handlung auf ein einzelnes bestimmtes Geschäft be­schränk
  • Beispiel: Der Kaufmann bevollmächtigt seinen Angestellten A, für einen Verkaufsraum eine Ladeneinrichtung zu beschaffen. A ist in diesem Fall befugt eine Theke zu kaufen, Regale herstellen zu lassen, etc. Er kann dabei ggf. auch auftretende Mängel rügen.
  • Gesamtvollmacht: Hierbei handelt es sich, wie bei der Gesamtprokura, um eine Vertre­tungsmacht, die nur gemeinschaftlich mit den anderen Vertretern ausgeübt werden kann.
  • Ladenvollmacht: Hier gilt derjenige, der in einem Laden oder offenen Warenlager ange­stellt ist, zu Verkäufen und Empfangnahmen als bevollmächtigt, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich vorkommen.
Achtung: Zwar gehören zum Verkauf auch noch alle Handlungen, die damit in Zusammenhang stehen, wie z. B. die Anfechtung des Kaufvertrages oder die Rüge etwaiger Mängel. Der Ankauf von Waren fällt nicht darunter.
Umfang der Handlungsvollmacht
Grundsätzlich richtet sich der Umfang nach der Form der Vollmacht, die durch den Ge­schäftsherrn erteilt wurde, d. h. der Umfang wird in erster Linie durch den Geschäftsherrn bestimmt und u. U. auch begrenzt. Gem. § 54 II HGB erstreckt sich die Handlungsvollmacht nicht auf Geschäfte, die für den Geschäftsherrn besonders gefährlich sind.
Beispiele:
  • die Veräußerung und Belastung von Grundstücken
  • das Eingehen von Wechselverbindlichkeiten
  • die Aufnahme von Darlehen
  • die Prozessführung
Erlöschen der Handlungsvollmacht
Mit Erlöschen der Handlungsvollmacht erlischt die Vertretungsmacht. Hier gelten die Erlöschensgründe, die auch für die allgemeine Stellvertretung gelten (s. o.). Des weiteren er­lischt die Handlungsvollmacht regelmäßig mit der Beendigung des Grundverhältnisses, § 168 BGB.
Achtung: Vollmachten müssen grundsätzlich erteilt werden. Zwar bringen gewisse Stellungen in einem Unternehmen meistens auch gewisse Vollmachten mit sich, es wäre aber ein kapitaler Feh­ler, ausschließlich von der beruflichen Stellung einer Person auf deren Vertretungsmacht zu schließen. So kann z. B. ein Kaufmann einem Vorarbeiter Prokura erteilen, während er dem Abteilungsleiter die Artvollmacht versagt. Die einzige Ausnahme diesbezüglich wurde von der Rechtsprechung für Abteilungsleiter der Personalabteilung entwickelt. Ihnen wird das Recht zugestanden, für Kündigungen der Arbeitnehmer bevollmächtigt zu sein, ohne dass sie ihre Vollmacht im Einzelfall nachweisen müssen.