29.03.2017

Das neue Arbeitnehmer- überlassungsgesetz (AÜG) ab 1. April 2017

Zum April 2017 tritt das novellierte AÜG sowie die Anpassungen des Dienst- und Werkvertragsrechts in Kraft.
Hierin finden sich neben reinen Klarstellungen auch grundlegende rechtliche Änderungen mit weitreichender Auswirkung für die Anwender. Ver- und Entleiher sowie diejenigen Unternehmen, die bei Dienst- oder Werkverträgen bislang auf Vorratsbescheinigungen vertraut haben, sollten sich mit den gesetzlichen Änderungen befassen:
  • Vorab: Hinsichtlich der ursprünglich angedachten weitgehenden Änderungen des BGB kann Entwarnung gegeben werden. Zwar wird ein § 611a BGB die Voraussetzungen der Arbeitnehmereigenschaft erstmals im BGB kodifizieren, allerdings wird hier lediglich die bereits durch die Rechtsprechung geprägte Definition ins Gesetz übernommen.
  • Die Überlassungsdauer von Leiharbeitnehmern wird auf 18 Monate beschränkt. Dies ist der gesetzliche Grundsatz für alle nicht tariflich organisierten Arbeitgeber. Bislang war hier erheblicher Spielraum in der praktischen Anwendung, da im Gesetz lediglich eine nur „vorübergehende“ Überlassung vorgesehen war. Der Gesetzgeber setzt nun klare zeitliche Grenzen. In Tarifverträgen kann hiervon abgewichen werden. Es sind auch Öffnungsklauseln für abweichende Betriebsvereinbarungen denkbar.
    Bei Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer entsteht ein Arbeitsvertrag zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer. Das bisherige Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer wird unwirksam. Der Leiharbeitnehmer hat die Möglichkeit, gegenüber der Agentur für Arbeit innerhalb eines Monats eine sogenannte „Festhaltenserklärung“ abzugeben. Damit bleibt der ursprüngliche Arbeitsvertrag wirksam und der Leiharbeitnehmer beim Verleiher beschäftigt.
  • Das Gesetz rückt den jeweiligen Leiharbeitnehmer in den Fokus: „der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 Monate …“ (§ 1b AÜG). Demnach ist die Perspektive arbeitnehmerund nicht arbeitsplatzbezogen. Entleiher dürfen folglich einen bestimmten Arbeitsplatz aufeinander folgend mit unterschiedlichen Leiharbeitnehmern besetzen. Ein sog. Entleiher-Rondell ist möglich, ein Verleiher-Rondell - nach wie vor - nicht.

    Beispiele:
    Leih-AN 1 arbeitet 18 Monate auf Arbeitsplatz 1, dann arbeitet Leiharbeitnehmer 2 weitere 18 Monate auf Arbeitsplatz 1 → zulässig, da arbeitnehmerbezogene Perspektive.

    Leih-AN 1 arbeitet 18 Monate auf Arbeitsplatz 1, dann arbeitet Leiharbeitnehmer 1 weitere 18 Monate auf Arbeitsplatz 2 → nicht zulässig, da arbeitsplatzbezogene Perspektive.

    Leih-AN 1 arbeitet 18 Monate auf Arbeitsplatz 1 in A-GmbH und wechselt dann in die BGmbH auf Arbeitsplatz 2. B-GmbH ist eine 100%-ige Tochtergesellschaft der A-GmbH →  zulässig (Entleiher-Rondell).

    Verleiher A verleiht Leih-AN 1 an die A-GmbH. Dort arbeitet der Leih-AN 1 zunächst 18 Monate auf Arbeitsplatz 1. Dann verleiht Verleiher A den Leih-AN 1 an Verleiher B. Verleiher B verleiht den Leih-AN 1 wieder an die A-GmbH. Dort arbeitet Leih-AN 1 weitere 18 Monate auf Arbeitsplatz 1 → nicht zulässig (Verleiher-Rondell).
  • Durch entsprechende Branchentarifverträge konnte vom Equal-Pay-Grundsatz bislang dauerhaft nach unten abgewichen werden. Dies ist nach dem neuen AÜG nur noch bis maximal 9 Monate unter bestimmten Voraussetzungen bis zu maximal 15 Monaten möglich.
  • Eine traditionelle Streitfrage war bislang, ob Leiharbeitnehmer bei Schwellenwerten des Entleihers (z. B. beim BetrVG) zu berücksichtigen sind. Dies kann nun weitgehend bejaht werden. Nur dann, wenn dies dem Zweck der Norm widersprechen würde, sollen diese nicht zu berücksichtigen sein. Die Tendenzen der Rechtsprechung zeigen, dass wenig Spielraum für die Nichtberücksichtigung bleiben dürfte.
  • Zeitarbeitnehmer dürfen nicht mehr als Streikbrecher eingesetzt werden.
  • Für die Vorratserlaubnis ist ab dem 1. April 2017 ebenfalls kein Raum mehr. Oftmals hatten sich Vertragspartner im Rahmen von Werkverträgen dazu entschlossen, auf Vorrat eine Arbeitnehmerüberlassungsbescheinigung ausstellen zu lassen. Wurde der Vertrag dann nachträglich als verdeckte Arbeitnehmerüberlassung eingestuft, konnten Sanktionen vermieden werden. Zwar war dieses Vorgehen bislang schon umstritten (verneinend etwa: LAG Baden-Württemberg Az. 2 Sa 6/13), nach neuer Rechtslage ist dies ausgeschlossen. Sowohl Werkverträge als auch AÜ-Verträge müssen ab April zwingend als solche benannt werden. Wird ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag fälschlicherweise als Werkvertrag oder gar nicht näher bezeichnet, droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu 30.000 Euro.