23.04.2024

Neue Verwaltungsanweisungen zu Betriebsstätten und zum Ort der Geschäftsleitung

Das Bundeministerium der Finanzen (BMF) hat durch eine Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) weitere Ausführungen zur Begründung von Betriebsstätten und zum Ort der Geschäftsleitung aufgenommen – und sich dabei auch zu den Auswirkungen von Tätigkeiten im Homeoffice geäußert.
Mit Schreiben vom 5. Februar 2024 konkretisiert das BMF die Auffassung der Finanzverwaltung zu einer Vielzahl an Einzelpunkten, welche bereits mit sofortiger Wirkung von den Finanzbehörden anzuwenden ist.
Neben weiteren Änderungen zum Beispiel zur
  • Ablaufhemmung (AEAO zu § 171),
  • gesonderten Feststellung durch Teilabschlussbescheid (AEAO zu § 180),
  • Zahlungsverjährung (AEAO zu § 229, § 230),
  • Auskunftsrechten des Insolvenzverwalters (AEAO zu § 251)
geht das BMF insbesondere auf die Bestimmungen zum Ort der Geschäftsleitung (§10 AO) und die Voraussetzungen der Begründung einer Betriebsstätte (§ 12 AO) ein.

Ort der Geschäftsleitung

Gemäß § 10 AO ist Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Diese ist insbesondere für die Bestimmung der Steuerpflicht (siehe unter anderem § 1 Abs. 1 KStG) relevant. Bei der Erläuterung rekurriert das BMF auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Einschaltung einer Managementgesellschaft und führt aus, dass dieses der Ort ist, an dem der für die Geschäftsleitung maßgebliche Wille gebildet wird und die für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden.

Abstellen auf Tagesgeschäfte

Dabei sei auf sogenannte „Tagesgeschäfte“ abzustellen, welche der gewöhnliche Betrieb des Unternehmens mit sich bringt und welche zur gewöhnlichen Verwaltung gehören. Nicht relevant seien hingegen solche Entscheidungen, welche die Grundlagen des Unternehmens und zum Beispiel die Festlegung der „Grundsätze der Unternehmenspolitik“ betreffen.

Eigene Geschäftseinrichtung nicht erforderlich

Zwar werde die Oberleitung als Ausübung von Leitungsfunktionen üblicherweise in geeigneten Räumlichkeiten ausgeübt, jedoch sei (in Abgrenzung zu § 12 AO – Anm. des Autors) eine feste und eigene Geschäftseinrichtung nicht erforderlich. Geschäftsleitende Handlungen (i.S.d. Tagesgeschäfts) können daher auch zum Beispiel in der Wohnung des Geschäftsführers oder in Räumlichkeiten einer eingeschalteten Managementgesellschaft vorgenommen werden. Erfolgen diese an verschiedenen Orten, ist deren Bedeutung für das Unternehmen zu gewichten und im Anschluss der Hauptort zu bestimmen.

Betriebsstätte

Gemäß § 12 S. 1 AO setzt die Betriebstätte eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, welche a) von einer gewissen Dauer ist, b) der Tätigkeit des Unternehmens dient und c) über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. Mit Blick auf die örtliche Verknüpfung führt das BMF in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des BFH aus, dass bewegliche Geschäftseinrichtungen mit vorübergehend festem Standort (zum Beispiel Wochenmarktstände – in Abgrenzung zu Weihnachtsmarktständen) hierunter fallen können.
Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmales „Verfügungsmacht“ konstatiert das BMF einerseits, dass hierzu grundsätzlich eine gesicherte Rechtsposition des Unternehmers erforderlich sei, die nicht ohne Weiteres entzogen oder verändert werden kann und von einer bloßen Berechtigung der Nutzung oder einer rein tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit abgegrenzt werden müsse. Andererseits könne jedoch eine „allgemeine rechtliche Absicherung” oder eine ständige Nutzungsbefugnis tatsächlicher Art ausreichen, wenn die Verfügungsmacht nicht bestritten werde.

Lösung vom Erfordernis des konkreten Ortsbezuges

Eine für die Annahme einer Betriebstätte hinreichende Nutzungsbefugnis brauche sich nicht auf einen bestimmten Raum oder eine bestimmte Fläche zu beziehen, sondern könne auch dann vorliegen, wenn der Unternehmer jeweils irgendeinen geeigneten Raum eines Gebäudes oder die wechselnde Teilfläche eines Grundstücks ständig nutzen darf. Unschädlich sei es überdies, wenn der Grundeigentümer befugt sei, dem Unternehmer einen anderen Raum oder eine andere Teilfläche zuzuweisen.

Homeoffice des Arbeitnehmers

Das BMF führt aus, dass weder mit Blick auf § 12 AO noch hinsichtlich der Betriebsstättenregelungen in den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (regelmäßig Art. 5) die Tätigkeit eines Arbeitnehmers im häuslichen Homeoffice eine Betriebsstätte des Arbeitgebers begründe.
Dies gelte auch bei:
  • Übernahme der Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung durch den Arbeitgeber;
  • Abschluss eines Mietvertrages über häusliche Räume des Arbeitnehmers zwischen Arbeitgeber (Mieter) und Arbeitnehmer (Vermieter), außer der Arbeitgeber ist im Einzelfall tatsächlich befugt, die Räume anderweitig zu nutzen (etwa durch ein Recht zum Entsenden anderer Arbeitnehmer in die Räume oder ein Recht zum Betreten der Räume außerhalb von Prüfungen zur Arbeitssicherheit);
  • Fällen, in denen dem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird,
da der Arbeitgeber in diesen Fällen typischerweise nicht über eine ausreichende Verfügungsmacht über die häuslichen Räumlichkeiten des Arbeitnehmers verfüge. Anderes kann jedoch gelten, wenn ein Arbeitnehmer Leitungsfunktionen ausübt und diese Verfügungsmacht des Unternehmens vermitteln.
Hinweis: Das Schreiben kann auf der Website des BMF abgerufen werden.

Aktueller Handlungsbedarf

Unternehmen stehen insbesondere seit der Corona-Krise vor der Herausforderung, neue Formen des „remote working“ in die betrieblichen Arbeitsabläufe zu integrieren und dabei zugleich den verschiedenen rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Über die lohnsteuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung des Arbeitslohnes hinaus werden eine Vielzahl an unternehmenssteuerrechtlichen Fragestellungen aufgeworfen: Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang auf die weitreichenden Konsequenzen einer möglichen Betriebsstättenbegründung des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat, wie zum Beispiel Registrierungs- und Dokumentationspflichten, die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung, das Erfordernis der Gewinnabgrenzung und -zuordnung nach Verrechnungspreisgrundsätzen (AOA) oder das Risiko einer Funktionsverlagerung.
Aus dem Steuer-Newsletter der DIHK (Ausgabe Nr. 4/2024)