Gründen schwer gemacht

Der Gründungsstandort Deutschland verliert deutlich an Attraktivität. Laut dem aktuellen Report der Deutschen Industrie- und Handels­kammer (DIHK) leidet die Gründungsbereitschaft in Deutschland unter strukturellen Hürden. 60 Prozent der Gründerinnen und Grün­der sind unzufrieden mit den Rahmenbedingungen und sehen vor allem hausgemachte Probleme: Bürokratie, hohe Steuerlast, steigende Energie- und Arbeitskosten sowie eine mangelhafte digitale Infrastruktur hemmen unternehmerisches Engagement.
„Start-Ups sind ein sensibler Sensor für die Wirtschaftsfreundlich­keit unseres Landes und dieses Alarmsignal aus dem unterneh­merischen Nachwuchs sollte bei der Bundesregierung endlich ankommen. Ohne schnelle, entschlossene und umfassende Moder­nisierung Deutschlands wird das wirtschaftliche Fundament durch einen Aderlass bei Innovationen, neuen Geschäftsideen und Gründungen weiter erodieren“, sagt Maike Bielfeldt, Hauptge­schäftsführerin der IHK Hannover. Die von der Bundesregierung vor­gelegte Modernisierungsagenda sei ein möglicher Weg, wenn sie zügig und konsequent umgesetzt werde.
Mit Besorgnis sieht die IHK Hannover derzeit die Zunahme der Existenzgründungen, die mangels Erwerbsalternativen stattfinden. Deren Anteil fällt mit 34 Prozent so hoch aus wie seit einem Jahr­zehnt nicht mehr. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Wirt­schaftsregion Hannover wider. Gründungsvorhaben werden zuneh­mend aus der Not geboren und haben zumeist nicht das Zeug, Innovationen zu bieten und nachhaltig erfolgreich zu sein.
Weitaus erfolgversprechender sind Gründungen, wenn sie aus unternehmerischer Berufung stattfinden. Im DIHK-Report nennen zwei Drittel der Gründungsinteressierten den Wunsch, selbstständig zu arbeiten, als zentrales Motiv.
Ein Motiv, das auch für Christiane Stieve ganz entscheidend war. „Ich wollte bereits seit vielen Jahren etwas Eigenes machen und selbstbestimmt arbeiten können. Aber meine persönlichen Rahmen­bedingungen mussten passen,“ berichtet die Gründerin aus der Region Hannover. Überzeugt von ihrer Geschäftsidee hat Christiane Stieve nun mit 60 Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit ge­wagt. „Ich wollte meinen Wunsch nach unternehmerischer Freiheit mit meiner Leidenschaft verbinden, Menschen zu erreichen und ihnen etwas Gutes zu tun“, berichtet die Gründerin. Daraus entstand die Geschäftsidee ihres „chrisdo-Mobils“, eines besonderen Foodtrucks, mit dem sie nach gründlicher Planung und erfolgreicher Umsetzung ihres Vorhabens nun als Unternehmerin auf Wochen­märkten in der Region Hannover und bei Events unterwegs ist.
Christiane Stieve steht auch exemplarisch für ein positives Signal aus dem aktuellen DIHK-Report: Das Gründungsinteresse von Frauen wächst stetig. Inzwischen lassen sich fast genauso viele Frauen wie Männer bei der IHK beraten – vor 20 Jahren lag ihr Anteil noch bei knapp einem Drittel. Besonders bei Gründerinnen spielt der Wunsch nach mehr Flexibilität und Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine überdurchschnittlich große Rolle. Hier ist die Politik gefor­dert, passende Rahmenbedingungen zu schaffen, denn bei den tat­sächlichen Neugründungen von Einzelunternehmen erreichen Frauen aktuell einen Anteil von gut 38 Prozent.
Unter dem Motto „Gemeinsam gründen“ bietet die IHK-Organisa­tion im Rahmen der bundesweiten Gründungswoche vom 17. bis
21. November ein umfangreiches Programm mit Vorträgen und Impulsen, um beim Schritt in die Selbstständigkeit zu unterstützen. Die IHK Hannover gibt am 19. November unter dem Titel „Erfolg­reiches Branding“ in einem Webinar Gründungsinteressierten zehn Tipps, wie sie ihr Unternehmen zur erfolgreichen Marke aufbauen. Am 21. November bietet ein digitaler Aktionstag „Gründen im Nebenerwerb“ Informationen zu Gewerbeanmeldung, rechtlichen Fragen, Steuern und sozialer Absicherung.