Planen & Bauen

Verkaufsflächenbegrenzung auch in Gewerbegebieten zulässig

Bislang galt aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.05.1987 (BVerwG 4 C 77.84), dass die zulässige Größe von Verkaufsflächen des Einzelhandels grundsätzlich nur in Sondergebieten (SO) gemäß § 11 Abs. 3 BauNVO 1990 festgesetzt werden darf. Jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 08.11.2004 (Az.: BVerwG 4 BN 39.04) eine für einen besonderen Fall davon abweichende, allerdings umstrittene Entscheidung getroffen.
Danach ist es auch in Wohn-, Misch-, Gewerbe- und Industriegebieten zulässig, die maximale Verkaufsfläche von sogenannten „Nachbarschaftsläden“ (oder „Convenience-Stores“) festzusetzen. Sie beträgt bei Nachbarschaftsläden nach Auffassung des Gerichts betriebstypisch maximal 400 qm.
Anlass zu dieser Entscheidung gab die Klage eines Investors gegen die Festsetzung (Beschränkung) der maximalen Verkaufsfläche in einem Gewerbegebiet. Die Kläger hatten dabei in Zweifel gezogen, dass die von der Gemeinde im betreffenden Gewerbegebiet festgesetzte Verkaufsfläche von maximal 400 qm den Betriebstyp eines „Nachbarschaftsladens“ zutreffend beschreibt. Daraus hatten sie zugleich den Schluss gezogen, dass es – entsprechend dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.05.1987 – folglich unzulässig sei, diese Verkaufsfläche, außer in einem Sondergebiet (SO), auch in anderen Baugebieten gemäß der Baunutzungsverordnung 1990, wie zum Beispiel in einem Gewerbegebiet gemäß § 8 BauNVO, festzusetzen.
Das dazu von den Klägern u. a. in Bezug genommene Urteil lautet in seinem Leitsatz:
  • „Nach § 1 Abs. 5 BauNVO 1977 können im Bebauungsplan auch einzelne der unter einer Nummer einer Baugebietsvorschrift der Baunutzungsverordnung zusammengefassten Nutzungen ausgeschlossen werden (wie Beschluss vom 22.05.1987 – BVerwG 4 N 4.86 –).
  • § 1 Abs. 9 BauNVO 1977 gestattet, über § 1 Abs. 5 BauNVO 1977 hinausreichend, einzelne Unterarten von Nutzungen mit planerischen Festsetzungen zu erfassen. Festsetzungen, die auf die Größe von Anlagen abstellen (hier: Verkaufsflächen von Handelsbetrieben), sind jedoch nur zulässig, wenn dadurch bestimmte Arten von baulichen oder sonstigen Anlagen (Anlagetypen) – ggf. auch unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Gemeinde – zutreffend gekennzeichnet werden.“
Bei seiner entscheidungserheblichen Feststellung, dass ein „Nachbarschaftsladen“ betriebstypisch nicht mehr als 400 qm Verkaufsfläche aufweist, bezieht sich das Bundesverwaltungsgericht in seinem aktuellen Urteil auf eine Definition des „Nachbarschaftsladens“ bzw. „Convenience-Shops“ im Katalog E des Instituts für Handelsforschung (Katalog E, Begriffsdefinitionen aus der Handels- und Absatzwirtschaft, Institut für Handelsforschung an der Universität zu Köln [IFH], 4. Ausgabe, Köln 1995).
  • Die Definition lautet: „Der Convenience-Store (Nachbarschaftsladen) ist ein kleinflächiger Einzelhandelsbetrieb (Einzelhandel im institutionellen Sinne), der ein begrenztes Sortiment an Lebensmitteln sowie gängigen Haushaltswaren zu einem eher hohen Preisniveau anbietet. Teilweise können eine Tankstelle und Dienstleistungsangebote (z. B. Schnellrestaurant, Reinigung) angeschlossen sein. In Ländern, wo dies zulässig ist, sind lange Öffnungszeiten (z. B. in den USA und in Japan bis zu 24 Stunden) üblich. In der Bundesrepublik Deutschland sind Nachbarschaftsläden kleinflächige Lebensmittel- oder Gemischtwarengeschäfte mit wohnungsnahem, frequenzintensivem Standort.“
Demnach enthält die Definition eindeutig nicht die vom Bundesverwaltungsgericht genannte, maximale Verkaufsfläche als betriebstypisches Kennzeichen eines Nachbarschaftsladens. Auch der in der Definition enthaltene unbestimmte Begriff „kleinflächig“ liefert keinen stichhaltigen Hinweis auf eine Maximalgröße von 400 qm Verkaufsfläche.
Das Institut für Handelsforschung stellt auf Anfrage der IHK Hannover dazu fest:
  • „Im Katalog E, 4. Auflage 1995, wird auf S. 48 die Betriebsform Convenience Store (Nachbarschaftsladen) definiert. Die damalige Katalogkommission hat bei diversen Betriebsformen im Katalog E bewusst auf die Angabe von qm-Angaben verzichtet bzw. bewusst die unterschiedlichen Ansichten von Institutionen (siehe z.B. SB-Warenhaus) aufgelistet, da dies sehr kontrovers und nicht einvernehmlich durch Markt und Staat interpretiert wurde. Deshalb wurde gezielt die Bezeichnung "kleinflächig" gewählt, die auch vor dem Hintergrund struktureller Entwicklungen angepasst interpretiert werden kann und muss. Vor dem Hintergrund der immer größeren Ladenlokale vor allem im Lebensmitteleinzelhandel kann davon ausgegangen werden, dass eine "Kleinflächigkeit" auch oder gerade aus Verbrauchersicht heute bei deutlich größeren Verkaufsflächen vorliegt als noch vor 10 oder 20 Jahren. Aus dem Katalog E eine konkrete qm-Zahl ableiten zu wollen, ist wenig statthaft. Vielmehr müsste vor dem Hintergrund der jetzt vorliegenden Fragestellung der damalige Begriff (1995) überprüft und ggf. durch eine konkrete zahl oder bandbreite operationalisiert werden.“
Insoweit lässt das Urteil leider die Frage offen, woher das Gericht seine Erkenntnis gewonnen hat, dass maximal 400 qm Verkaufsfläche für Nachbarschaftsläden typisch seien.
Das vollständige Urteil, das auch wichtige Neuerungen unter anderem zu einer zulässigen Einschränkung von Gewerbegebieten ausschließlich für Dienstleistungsbetriebe enthält, können Sie in vollem Wortlaut hier herunterladen.
Stand: 03.01.2023