Planen & Bauen

OVG Lüneburg: Großflächiger Einzelhandelsbetrieb als Nahversorger

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg (OVG) hat mit einer Ende September 2015 getroffenen Entscheidung zur Frage, wann ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb als Nahversorger anzusehen ist und damit nicht den raumordnungsrechtlichen Anforderungen des niedersächsischen Landesraumordnungsprogramms 2012 (LROP) unterfällt, einige entscheidende Kriterien genauer definiert. In seiner Urteilsbegründung ist das Gericht auf die dafür bereits in der Vergangenheit immer wieder diskutierten planungsrelevanten Detailfragen eingegangen. Wie ist fußläufige Erreichbarkeit zu definieren? Was ist als integrierte Lage anzusehen? Wann sind Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche schädlich?
Sowohl für Einzelhandelsunternehmen, die Neuansiedlungen außerhalb der Innenstädte und Ortskerne planen, als auch für nicht innerstädtisch gelegene Bestandsbetriebe mit Erweiterungsabsichten liefern die Ausführungen des Gerichtes wichtige Indizien zur Realisierbarkeit von Vorhaben. Gleichzeitig ist zu erwarten, dass die OVG-Entscheidung auch in der kommunalen Bauleitplanung ihren Niederschlag finden wird. Nachfolgend zu den Einzelpunkten einige Kernaussagen aus der Entscheidung.
Wie ist fußläufige Erreichbarkeit zu definieren?
„Welche Entfernung noch als fußläufig erreichbar anzusehen ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls - u.a. der Siedlungsstruktur, der Erreichbarkeit einschließlich einer möglichen Barrierewirkung etwa von Verkehrswegen und weiterer Nahversorgungsangebote im Umfeld - zu beurteilen; der Senat hat eine Gehzeit von bis zu 10 Minuten und eine Entfernung von 700 bis 1.000 m als Ausgangswerte angesehen.“
„Ob die Ansiedlung eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs als wohnortbezogener Nahversorger im Einzelfall in Betracht kommt, hängt im Wesentlichen vom Standort sowie von der Größe und Ausrichtung des Betriebs ab. Zulässig kann ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb zu Zwecken der Nahversorgung vor allem in stärker verdichteten Wohnlagen vorzugsweise der größeren Städte sein; ferner dort, wo aufgrund fehlender weiterer Nahversorger und/oder guter fußläufiger Anbindung ein großer fußläufiger Einzugsbereich besteht. Je deutlicher die Verkaufsfläche des Betriebs die Schwelle zur Großflächigkeit von 800 qm überschreitet, umso weniger ist davon auszugehen, dass der Betrieb tatsächlich überwiegend der Nahversorgung dient.“
Was ist als integrierte Lage anzusehen?
„Eine städtebaulich integrierte Lage liegt nach ständiger Senatsrechtsprechung bei Standorten innerhalb eines zentralen Versorgungsbereichs, also der Innenstadt, aber auch eines Nahversorgungszentrums, vor. Andere Standorte können noch integriert sein, wenn sie, sich räumlich an einen zentralen Versorgungsbereich „anschmiegend“, diesen funktional ergänzen. Letztere Komponente setzt voraus, dass sich die großflächigen Einzelhandelsbetriebe dort dem zentralen Versorgungsbereich unterordnen, wofür sie räumlich und funktionell keinen Umfang annehmen dürfen, welcher gleichberechtigt neben die Innenstadt tritt.“
Wann sind Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche schädlich?
„Eine solche Funktionsstörung [des zentralen Versorgungsbereiches, Anmerkung d. Red.] liegt vor, wenn der Versorgungsbereich seinen Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr in substanzieller Weise wahrnehmen kann. Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche sind nicht erst dann schädlich, wenn sie die Schwelle zur Unzumutbarkeit überschreiten.“
Stand: 29.03.2023