Die wichtigsten Neuerungen in der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO)
Die Niedersächsische Bauordnung (NBauO) wurde am 20. Juni 2024 geändert und die neuen Regelungen sind am 1. Juli 2024 in Kraft getreten. Die Hauptzielsetzung der Änderung war, das Bauen in Niedersachsen zu beschleunigen, zu vereinfachen und kostengünstiger zu machen. Durch die Gesetzesänderung haben sich vor allem Erleichterungen für Baumaßnahmen bei bestehenden Gebäuden ergeben. Ein weiterer Schwerpunkt war dabei die Förderung des Wohnungsbaus.
Die wichtigsten Neuregelungen sind:
- Genehmigungsfiktion bei Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen für bestimmte Vorhaben zu Wohnzwecken (§ 70a NBauO)
Die Genehmigungsfiktion tritt nach Ablauf einer Frist von drei Monaten ein (§ 42a Abs. 2 Satz 1 VwVfG). Das heißt allgemein gesagt, dass eine Genehmigung als erteilt gilt, wenn die zuständige Behörde nicht innerhalb der drei Monatsfrist über einen Antrag entscheidet. Nach Ablauf der Frist – die mit Eingang der vollständigen Unterlagen startet – hat der Antragstellende automatisch die Genehmigung, auch ohne eine ausdrückliche Entscheidung der Behörde.
Wichtig: Die Genehmigungsfiktion kommt nur zur Anwendung bei Errichtung oder Änderung eines Wohngebäudes oder eines Gebäudes, das überwiegend dem Wohnen dient und bei Nutzungsänderung von Räumen oder eines Gebäudes, durch die Wohnraum geschaffen werden soll. Bei gewerblichen Baumaßnahmen – außer bei Errichtung oder Änderung von Antennen einschließlich der Masten und dazugehöriger Anlagen – gibt es keine Genehmigungsfiktion. Dieser Umstand ist aus gewerbewirtschaftlicher Sicht nachbesserungsbedürftig.
Ergänzend ist anzumerken, dass die zuständigen Baugenehmigungsbehörden die Möglichkeit haben, die Frist zu verlängern. Allerdings müssen die Behörden die Fristverlängerung einzelfallbezogen begründen. Nur wenn hinreichende und objektive Gründe vorliegen (fehlende Unterlagen, atypische Baumaßnahme, spezielles Bauumfeld etc.), ist eine Verlängerung zulässig.
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Beseitigung von Hemmnissen bei Umbaumaßnahmen und Nutzungsänderungen
(§ 85a NBauO / § 66 NBauO / § 62 NBauO)
Es hat sich in der Anwendung der bislang geltenden Regelungen gezeigt, dass sich bei baulichen Änderungen im Bestand, insbesondere im baulichen Übergang zwischen bestehender Bausubstanz und neu hinzukommenden Bauteilen, regelmäßig Schwierigkeiten bezüglich der jeweils geltenden Anforderungen ergeben haben. Die Folge waren Kostensteigerungen, Bauzeitverlängerungen, Umplanungen oder sogar Bauuntersagungen. Durch den neuen Paragrafen 85a und die Ergänzungen bzw. Änderung der Paragrafen 66 und 62 NBauO sollen die identifizierten Schwierigkeiten beseitigt bzw. abgemildert werden.
Die grundsätzliche Intension des Gesetzentwurfes ist, die heute beim Um- und Ausbau geltenden materiellen und formellen Standards auf ein niedrigeres, aber verantwortbares Niveau abzusenken. Das heißt, soll ein bestehendes Gebäude baulich durch Aufstockung, Umbau oder Ausbau oder in seiner Nutzung geändert werden, so werden gemäß § 85a NBauO an die von der Baumaßnahme betroffenen vorhandenen und neuen Bauteile, insbesondere Wände, Stützen, Decken, Böden, Dächer und Treppen, keine höheren Anforderungen gestellt, als sie im Bestand erfüllt sind. Dass dabei die Statik (§ 12 NBauO) gewährleistet bleiben muss und alle Bauteile geeignet sein müssen, zusätzlich entstehende Lasten aufzunehmen, ist selbstredend. Gleiches gilt für den Brandschutz (§ 14 NBauO) und die Gewährleistung von Rettungswegen (§ 33 NBauO).
Darüber hinaus werden im neuen Paragrafen 85a NBauO auch Tatbestände aufgeführt, bei denen die baulichen „Erleichterungen“ nicht gelten. Dieses sind Anbauten, Hochhäuser, Sonderbauten im Sinne des § 2 Abs. 5 NBauO und Baumaßnahmen, die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 62 Abs. 10 NBauO realisiert werden sollen. Ebenfalls nicht zulässig sind Standardabweichungen bei den Anforderungen an Gebäude und Bauteile zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung. Hier müssen alle derzeit bestehenden Vorgaben erfüllt bleiben.
Weiterhin ist in § 85a NBauO festgelegt, was die Entwurfsverfasserin / der Entwurfsverfasser in den Bauvorlagen darzustellen und nachzuweisen hat. Aus planerischer Sicht könnte sich dabei insbesondere die Pflicht zur Dokumentation aller Abweichungen von den aktuellen Vorschriften herausfordernd und zeitintensiv darstellen. Hier wird die Anwendungspraxis zeigen, in welchem Umfang diese neuen Anforderungen bei der Entwurfserstellung die angestrebte Erleichterung, Beschleunigung und Vergünstigung von Bauvorhaben wieder „auffrisst“.
- Privilegierung von Wohnungen bei der Errichtung von Kfz-Stellplätzen (§ 47 NBauO)
Die Pflicht, bei der Errichtung von baulichen Anlagen für die notwendigen Kraftfahrzeug-Einstellplätze zu sorgen, ist für den Bereich „Wohnungsbau“ aufgehoben. Auch bei wohnbezogenen Nutzungsänderungen, die bislang einen Mehrbedarf an Kfz-Einstellplätzen ausgelöst hätten, sind keine neuen Parkplätze herzustellen. Diese Erleichterung gilt auch für Gebäude, in denen unterschiedliche Nutzungsformen in den Wohnungen vorzufinden sind.
Wichtige Zielsetzung der Neuregelung ist die Kostensenkung: Ohne die Verpflichtung, Stellplätze zu bauen, können die Baukosten reduziert werden. Dieses macht den Wohnungsbau günstiger und soll dann auch zu niedrigeren Miet- oder Kaufpreisen führen. Ob mit dem Wegfall der Stellplatzpflicht tatsächlich, wie erhofft, auch nachhaltige Anreize zur Förderung einer nachhaltigen Mobilität und für eine umweltfreundlichere Stadtentwicklung einhergehen werden, kann kritisch hinterfragt werden. In diesem Zusammenhang ist vor allem problematisch zu bewerten, dass für die Kommunen die Möglichkeit entfällt, durch örtliche Bauvorschriften bzw. Satzungen, die ggf. örtlich stadtplanerisch zielführende Zahl an Stellplätzen festzulegen. Es besteht die nicht unbegründete Befürchtung, dass die Bereitstellung von faktisch nachgefragtem Parkraum zukünftig auf die kommunale Ebene durch Schaffung von Parkplätzen auf kommunalen Flächen verlagert wird. Der Parkdruck im öffentlichen Raum könnte sich, gerade in urbanen Räumen, erhöhen.
- Anerkennung von Typengenehmigungen (§ 73a NBauO)
Eine Typengenehmigung ist eine offizielle Erlaubnis, die bestätigt, dass ein bestimmter Bautyp die geltenden baulichen und bautechnischen Anforderungen erfüllt. Eine solche Genehmigung gilt allgemein und vor allem auch bundesländerübergreifend und erleichtert damit die Zulassung von baulichen Anlagen / Gebäuden, da sie bestätigt, dass der Bautyp den baurechtlichen Vorschriften entspricht. Mit der Einführung der Typengenehmigung sollen Bauvorhaben, die auf Grundlage der genehmigten Typen umgesetzt werden, bürokratisch unkomplizierter umsetzbar und kostengünstiger werden.
- Reduzierung der Grenzabstände (§ 5 Abs. 2 NBauO)
Die grundsätzlichen Grenzabstände sind von 0,5 H auf 0,4 H und in Gewerbe- und Industriegebieten von 0,25 H auf 0,2 H reduziert worden. Durch die Reduzierung der Grenzabstände wird die bauliche Nutzung von Grundstücksflächen im Sinne einer optimalen Flächennutzung und Förderung der Nachverdichtung verbessert.
- Erleichterungen bei der Zulassung von Abweichungen von der NBauO (§ 66 NBauO)
Neu ist, dass bei Nutzungsänderungen, Baumaßnahmen, die der Modernisierung, dem Ausbau oder dem Erhalt bestehender Gebäude dienen, sowie bei Baumaßnahmen zur Erprobung neuer Bau- und Wohnformen Abweichungen nicht mehr dem Ermessen der Bauaufsichtsbehörde unterfallen, wenn die vorgesehenen Abweichungen mit den nachbarschaftlichen und öffentlichen Belangen sowie mit den Anforderungen nach § 3 Abs. 1 NBauO vereinbar sind. Ob diese Ergänzung des § 66 NBauO die erwarteten Vereinfachungen für die o. g. Einsatzfelder bringt, wird die Anwendungspraxis in den nächsten Jahren aufzeigen. Zielführend wäre eine begleitende Evaluierung der Nutzung der Neuregelung.
- Einführung von Erleichterungen zum Wiederaufstellen von mobilen Wohnbauten
(u. a. sogenannte Tiny Houses/Homes) nach Ortsveränderung (85 b NBauO)
Die NBauO wurde um den Begriff “ortsveränderliche Gebäude” erweitert und es gibt nun, um den bürokratischen Aufwand zu reduzieren, klarere Regelungen und vereinfachte Verfahren für die Genehmigung von „ortsveränderlichen Wohngebäuden“.
- Verfahrensrechtliche Erleichterungen (§ 62 NBauO)
Baumaßnahmen – wie Nutzungsänderung des Dachgeschosses eines Gebäudes zu Wohnzwecken sowie die damit verbundene Errichtung von Dachgauben – benötigen keine Baugenehmigung. Allerdings dürfen die Baumaßnahmen nicht im Widerspruch zu den Festsetzungen eines Bebauungsplanes stehen bzw. es müssen notwendige Ausnahmen oder Befreiungen bereits vorliegen. Auch bauliche Veränderungen innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils im Sinne des § 34 BauGB oder im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB können zukünftig genehmigungsfrei sein, sofern sie – durch die zuständige Bauaufsichtsbehörde bestätigt – das städtebauliche Planungsrecht einhalten.
Stand: 22.10.2024