Planen & Bauen

Baugebietskategorie Urbanes Gebiet (MU) – Einsatzfelder

Mit der Planungsrechtsnovelle 2017 wurde das Urbane Gebiet (MU) als § 6a in die Baunutzungsverordnung (BauNVO) aufgenommen. Mit der neuen Baugebietskategorie steht den Kommunen eine Möglichkeit zur Verfügung, um planerisch in innerstädtischen Gebieten eine stärkere Nutzungsmischung realisieren zu können. Leitgedanke ist dabei auch eine „Stadt der kurzen Wege“ gestalten zu können, denn die neue Gebietskategorie erlaubt eine räumliche Nähe von Funktionen, wie Wohnen, Arbeiten, Versorgung, Bildung, Kultur und Sport, und sieht eine im Vergleich zum Mischgebiet breiter angelegte Nutzungsmischung vor.
Nach § 6a Abs.1 BauNVO dienen Urbane Gebiete dem Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Die Nutzungsmischung muss nicht (wie bei Mischgebieten) gleichgewichtig ausfallen. Das heißt beispielsweise, dass in einem MU auch gewerbliche Nutzungen gegenüber Wohnnutzungen dominieren dürfen. In Abs. 2 des § 6a wird näher definiert, was unter zulässigen Gewerbebetrieben zu verstehen ist. Danach sind im MU zulässig: Geschäfts- und Bürogebäude, Einzelhandelsbetriebe, gastronomische Einrichtungen, Beherbergungsbetriebe und sonstige Gewerbebetriebe. Ausnahmsweise können auch Formen von Vergnügungsstätten und Tankstellen in einem MU zugelassen werden. Zu beachten ist allerdings bei allen Ansiedlungen, dass das Wohnen nicht wesentlich gestört werden darf.
Ob ein Gewerbebetrieb das Wohnen wesentlich stört oder nicht, hängt vor allem von seinen Lärmemissionen ab. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen der MU-Einführung in die BauNVO die Technische Anleitung (TA) Lärm so angepasst, dass in Urbanen Gebieten tagsüber ein Immissionsrichtwert von 63 dB(A) gilt, im Vergleich zu 60 dB(A) in Kern- und Mischgebieten. Nachts gilt ebenso wie in Kern- und Mischgebieten ein Richtwert von 45 dB(A). Somit ist tagsüber gegenüber Misch- oder Kerngebieten eine höhere Lärmbelastung möglich. Für die Nachtzeit von 22:00 bis 06:00 Uhr gelten allerdings die aus Misch- und Kerngebieten bekannten 45 dB(A) – hier wäre aus gewerblicher Sicht eine Heraufsetzung der Richtwerte wünschenswert gewesen.
Für Planer und Investoren ebenfalls von Bedeutung ist, dass in einem MU eine höhere Obergrenze für das Maß der baulichen Nutzung zulässig ist. So werden in § 17 BauNVO für Urbane Gebiete eine Grundflächenzahl von maximal 0,8 und eine Geschossflächenzahl von 3,0 als zulassungsfähig festgesetzt. Die erhöhte zulässige Dichte im MU entspricht, das zeigen fachliche Bewertungen, der Dichte gründerzeitlicher Wohnquartiere, die in vielen Städten auch heute noch bzw. wieder bei den Bürger*innen und auch der Wirtschaft als städtebaulich interessant empfunden werden.

Bewertung

Positiv ist die planerische Absicht zu bewerten, mit der Einführung der Gebietskategorie „Urbanes Gebiet“ die Innenentwicklung zu fördern und nutzungsgemischte Quartiere zu entwickeln, die verkehrlich gut erschlossen werden können bzw. bereit erschlossen sind. Eine räumliche Verknüpfung von Wohnen, Arbeiten, Nahversorgung und Freizeitangeboten ist grundsätzlich begrüßenswert. Hierbei ist aber auch kritisch zu bedenken, dass die Baunutzungsverordnung bei ihrer Einführung Anfang der 1960-Jahre auch mit der Absicht entwickelt wurde, um ein Nebeneinander unverträglicher Nutzungen zu verhindern und um gesunde Lebensverhältnisse zu fördern. Das Leitbild war, eine entmischte, nutzungsgetrennte Stadt. In diesem Kontext ist die Einführung der nutzungsbezogen sehr flexibel ausgestalteten Gebietskategorie Urbanes Gebiet in die BauNVO nicht ganz widerspruchsfrei.
Allerdings wird in den letzten Jahren sowohl in der Fachwelt (Leipzig-Charta von 2007/Leitbild der europäischen Stadt im 21. Jahrhundert) wie auch in der breiten Öffentlichkeit zunehmend der städtebauliche Anspruch formuliert, die Nutzungen Wohnen, Arbeiten und Freizeit in den Städten wieder stärker miteinander zu vermischen. Für diesen Zweck kann das Urbane Gebiet ein geeignetes Instrument sein.
Die Frage, ob das Urbane Gebiet mehr Gewerbe in die Stadt- und Ortskerne bringt, kann derzeit noch nicht beantwortet werden. Einerseits können durch das Urbane Gebiet innerstädtische Gewerbestandorte gestärkt werden, denn planungsrechtlich ist auch ein von Gewerbe dominiertes Urbanes Gebiet zulässig. Im MU muss, im Gegensatz zum Mischgebiet, die Nutzungsmischung nicht mehr gleichgewichtig sein. Daraus ergibt sich, dass ein ansiedlungswilliger Betrieb in einem MU nicht mit dem Hinweis auf eine gleichgewichtige Nutzungsmischung abgewiesen werden muss.
Anderseits ist in der Bauleitplanung darauf zu achten, dass Urbane Gebiete wegen ihrer größeren Flexibilität künftig nicht grundsätzlich überall dort geplant werden, wo bislang Mischgebiete festgesetzt worden sind. Ein solches Vorgehen birgt die Gefahr, dass den innerstädtischen Gewerbenutzungen faktisch weiterhin Flächen verloren gehen könnte. Hintergrund ist hier, dass die Immissionswerte im MU am Tag gegenüber Misch- und Kerngebieten höher liegen. Damit dürfen Wohngebäude höheren Lärmbelastungen ausgesetzt sein. Dies wiederum könnte zur Folge haben, dass jetzt auch Flächen für Wohnnutzungen erschlossen werden, die bislang nicht für das Wohnen nutzbar waren und eher als Kern- oder Mischgebietsflächen ausgewiesen wurden.

Fazit

Aus gewerblicher Sicht ist darauf hinzuwirken, dass die neue Gebietskategorie „Urbanes Gebiet“ nicht nur in Richtung von mehr Wohnnutzungen in Innenstädten gedacht wird. Dieses könnte nämlich zur Folge haben, dass sich das innerstädtische Gewerbe weiter zurückzieht bzw. zurückziehen muss. Es muss insofern also dafür gesorgt werden, dass auch die Einsatzfelder für die Realisierung von gewerblich geprägten urbanen Gebieten wahrgenommen werden.
Die Einführung des „Urbanen Gebietes“ in die Baunutzungsverordnung kann aufgrund der verbesserten schallschutztechnischen Vorgaben für die Ansiedlung innerstädtischen Gewerbes neue Möglichkeiten eröffnen. Allerdings müssen sich Stadtplaner, Investoren, Projektentwickler und die jeweils betroffene Öffentlichkeit auf die neuen Spielräume und Lösungen einlassen. Ziel müssen durchmischte und gewerblich geprägte Innenstädte sein. Gleichzeitig darf es durch die Ausweisung von Urbanen Gebieten nicht zu einer dominierenden Wohnbebauung kommen. Gerade auch vor diesem Hintergrund ist eine wissenschaftliche Evaluierung zur planerischen Anwendung der neuen Gebietskategorie zielführend.
Stand: 14.03.2023