IHK Hannover
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Am 28. Juni 2025 tritt das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Dieses setzt die europäische Richtlinie zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act) um und soll allen Menschen die Teilnahme am Wirtschaftsleben ermöglichen. Es verpflichtet nun auch privatwirtschaftliche Unternehmen zur Barrierefreiheit. Was für Sie zu beachten sein könnte, erfahren Sie hier.
Das BFSG betrifft Hersteller, Händler und Importeure sowie Dienstleistungserbringer der unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallenden Produkte und Dienstleistungen (§ 1 Abs. 2 und Abs. 3 BFSG). Es umfasst beispielsweise den gesamten Online-Handel, Hardware, Software, aber auch überregionalen Personenverkehr oder Bankdienstleistungen.
Ausgenommen von der Regelung sind Kleinstunternehmen (Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und die entweder einen Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro erzielen oder deren Jahresbilanzsumme sich auf höchstens 2 Millionen Euro beläuft), die Dienstleistungen anbieten oder erbringen. Kleinstunternehmen, die Produkte in den Verkehr bringen fallen jedoch auch unter das BFSG.
Den Text des BFSG finden Sie hier.
- Erfüllen der Anforderungen an die Barrierefreiheit
Produkte oder Dienstleistungen sind nach dem BFSG barrierefrei, wenn sie
- für Menschen mit Behinderung
- in der allgemein üblichen Weise
- ohne besondere Erschwernis und
- grundsätzlich ohne fremde Hilfe
- auffindbar, zugänglich und nutzbar sind.
Eine Wahrnehmung von Informationen muss grundsätzlich mindestens über zwei Sinne möglich sein.Was genau dies in der Praxis bedeutet, ergibt sich aus der Barrierefreiheitsstärkungsverordnung, die sowohl allgemeine Vorgaben zu Verpackungen, Anleitungen sowie Schnittstellen und Funktionalität von Produkten, als auch Vorgaben für bestimmte Produkte und Dienstleistungen enthält. Sie legt beispielsweise fest, dass die Kommunikation, Bedienung, Steuerung und Orientierung an der Benutzerschnittstelle über mehr als einen sensorischen Kanal möglich sein muss (etwa durch die Ergänzung einer Vorlesefunktion).Das BFSG enthält außerdem Konformitätsvermutungen. Ensprechen die Produkte bzw. Dienstleistungen den Anforderungen von EU-harmonisierten Normen, DIN- oder ISO-Standards (technische Spezifikationen), die selbst die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllen, so gelten auch diese Produkte bzw. Dienstleistungen als „barrierefrei“ im Sinne des BFSG und der dazugehörigen Verordnung. - Konformitätsbewertungsverfahren und Konformitätsnachweis
Hersteller und Dienstleistungserbringer dürfen ein Produkt oder eine Dienstleistung erst anbieten, wenn die Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt sind.Dies ist in Form eines Konformitätsbewertungsverfahrens nachzuweisen. Ist die Konformität nachgewiesen, so muss der Hersteller eine CE-Kennzeichnung auf dem Produkt anbringen und eine Konformitätserklärung nach Anlage 2 des BSFG erstellen.Zudem muss eine technische Dokumentation erstellt werden, in der mindestens eine detaillierte Beschreibung des Produkts und eine Auflistung der angewandten harmonisierten Normen und technischen Spezifikationen enthalten sind. Wenn solche Normen oder Spezifikationen nicht vorliegen, ist zu beschreiben, wie die Anforderungen erfüllt werden.Sowohl die Konformitätserklärung, als auch die technische Dokumentation sind für 5 Jahre aufzubewahren.
- Kennzeichnungs- und Informationspflichten
Hersteller
Im Rahmen der BFSG müssen Hersteller einige Kennzeichnungs- und Informationspflichten beachten.Das Produkt muss eine Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder ein anderes Identifikationskennzeichen tragen. Ist eine Anbringung auf dem Produkt selbst auf Grund der Art oder Größe des Produkts nicht möglich, so müssen die Informationen auf der Verpackung oder einer beigefügten Unterlage (zum Beispiel der Gebrauchsanleitung) angegeben werden.Außerdem müssen die Kontaktdaten des Herstellers (Name, Firma, Marke und Postanschrift mit einer zentralen Stelle, unter der der Hersteller leicht kontaktiert werden kann) auf dem Produkt angebracht werden. Die Daten müssen so verfasst sein, dass sie von Verbraucherinnen und Verbrauchern leicht zu verstehen sind.Ebenso barrierefrei beigelegt werden müssen die Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen in deutscher Sprache.Dienstleistungen
Dienstleistungserbringer müssen gemäß Anlage 3 der BFSG bestimmte Informationen zusammenstellen und diese der Allgemeinheit barrierefrei, also wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust zugänglich machen - etwa in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Diese Informationen beinhalten:- eine allgemeine Beschreibung der Dienstleistung in barrierefreiem Format,
- die zum Verständnis der Durchführung der Dienstleistung erforderlichen Beschreibungen und Erläuterungen,
- eine Beschreibung darüber, wie die Dienstleistung den Anforderungen der Verordnung gerecht wird,
- und die Angabe der zuständigen Marktüberwachungsbehörde.
- Auskunftspflicht gegenüber den Marktüberwachungsbehörden
Gemäß § 35 BFSG sind Wirtschaftsakteure dazu verpflichtet, den Marktüberwachungsbehörden die Informationen zur Verfügung zu stellen, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach dem BFSG nötig sind.
- Schriftliches oder elektronisches Verzeichnis über nichtkonforme Produkte
Der Hersteller ist dazu verpflichtet, ein schriftliches oder elektronisches Verzeichnis zu führen, in dem die nicht konformen Produkte sowie die diesbezüglichen Beschwerden erfasst werden.
- Besondere Anforderungen an Händler und Importeure
Händler dürfen Produkte nur in den Umlauf bringen, wenn Hersteller und Einführer ihre Pflichten erfüllt haben. Besteht Grund zur Annahme, dass das Produkt die Voraussetzungen der BFSG nicht erfüllt, so darf es nicht vertrieben werden. Außerdem muss das Produkt so gelagert und transportiert werden, dass die Barrierefreiheitsanforderungen nicht beeinträchtigt werden. Den Händler treffen keine Verpflichtungen zur Herstellung der Konformität, wohl aber die Informationspflichten.Importeure müssen ebenfalls dafür sorgen, dass sie nur solche Produkte in den Verkehr bringen, die die Anforderungen des BFSG und der Verordnung erfüllen, auch wenn die Produkte in Drittländern hergestellt wurden. Lagert der Importeur Produkte selbst, dürfen hierdurch die Barrierefreiheitsfunktionen nicht beeinträchtigt werden. Erfährt der Importeur, dass ein Produkt nicht konform ist, gelten für ihn die gleichen Pflichten wie für den Hersteller entsprechend.Für Händler oder Importeure, die Produkte unter ihrem eigenen Namen oder ihrer eigenen Marke in den Verkehr bringen ("Quasi-Hersteller"), gelten die Regelungen für Hersteller.
- Besondere Anforderungen an Websites
Für Websites gilt auf Grundlage der EN 301 549, die sich auf den internationalen Standard „Richtlinien für Barrierefreie Webinhalte (WCAG) 2.1“ bezieht, dass Webinhalte wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sein sollen. Dies ist etwa durch die Anpassbarkeit von Schrift und Kontrasten, Zugänglichkeit über die Tastatur und konsistente Navigationsstrukturen zu erreichen.Betreiber von Websites müssen zusätzlich die folgenden Informationen zur Verfügung stellen:
- eine barrierefrei zugängliche “Erklärung zur Barrierefreiheit” auf der Internetseite mit folgendem Inhalt:
- Informationen daürber, wie die Barrierefreiheit sichergestellt wird
- Informationen über Teile der Website, die (noch) nicht barrierefrei sind
- eine Kontaktmöglichkeit, über die Barrieren gemeldet werden können
- eine barrierefrei zugängliche “Erklärung zur Barrierefreiheit” auf der Internetseite mit folgendem Inhalt:
Eine Nichteinhaltung des BFSG wird durch Marktüberwachungsbehörden geprüft und sanktioniert. Daher lohnt es sich, die Anforderungen bereits früh Schritt für Schritt umzusetzen.
Diese Informationen könnten ebenfalls helfen:
Allgemeine Informationen und Hinweise für die Anwendung des BFSG finden Sie in den Leitlinien für Barrierefreiheit der Bundesfachstelle für Barrierefreiheit.
Auf der Homepage der Bundesfachstelle Barrierefreiheit finden Sie ebenso verschiedene Fragen und Antworten zu dem BFSG.
Ansprechpartner nach Themen
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