Recht und Steuern

Kleinunternehmer im Umsatzsteuerrecht

Kleinunternehmerregelung

Kleinunternehmer brauchen für die von ihnen ausgeführten Umsätze keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen und keine Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Im Gegenzug dürfen sie Vorsteuern aus Eingangsrechnungen dem Finanzamt gegenüber nicht geltend machen. Da die Kleinunternehmerregelung in Einzelfällen nachteilig sein kann, hat der Unternehmer die Möglichkeit, auf deren Anwendung zu verzichten.
Unternehmer, deren Umsatz (inklusive Umsatzsteuer) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 22.000 Euro betragen hat und im laufenden Jahr voraussichtlich 50.000 Euro nicht übersteigen wird, sind Kleinunternehmer im Sinne des § 19 Umsatzsteuergesetzes (UStG).
Hat der Unternehmer im vorangegangenen Kalenderjahr die Umsatzgrenze von 22.000 Euro überschritten, kann er die Kleinunternehmerregelung im laufenden Kalenderjahr nicht anwenden. Ist die Vorjahresumsatzgrenze von 22.000 Euro nicht überschritten, muss der Unternehmer auf der Grundlage der zu Beginn des Kalenderjahres vorliegenden Verhältnisse schätzen, ob er im laufenden Kalenderjahr die Grenze von 50.000 Euro überschreiten wird oder nicht.
Beispiel:
Der Vorjahresumsatz (2021) betrug nicht mehr als 22.000 Euro. Anfang 2022 kommt der (Klein-) Unternehmer basierend auf dem ihm zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Unterlagen zu dem Ergebnis, dass der Gesamtumsatz im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich 50.000 Euro nicht überschreiten wird. Damit kann er die Kleinunternehmerregelung für das Jahr 2022 anwenden und stellt an seine Kunden Rechnungen ohne Umsatzsteuer aus. Wider Erwarten entwickeln sich die Geschäfte besser als geplant und der Gesamtumsatz für das Jahr 2022 beträgt 70.000 Euro. Dennoch entfällt die Kleinunternehmerregelung nicht nachträglich, weil es allein auf die Prognose für das Jahr 2022 ankommt. Im Kalenderjahr 2023 ist der Unternehmer allerdings kein Kleinunternehmer mehr, da er aus Sicht des Jahres 2023 im vorangegangenen Kalenderjahr (2022) die Grenze von 22.000 Euro überschritten hat. Auf den voraussichtlichen Gesamtumsatz für das Jahr 2023 kommt es nicht mehr an.
Das Finanzamt darf den Nachweis verlangen, auf welche Umstände der Unternehmer seine Prognose zu Beginn des Kalenderjahres gestützt hat. Die Unterlagen, beispielsweise die betriebswirtschaftlichen Berechnungen, auf deren Grundlage die Prognose basiert, sollten daher zu den Akten genommen werden.

Kleinunternehmer bei Unternehmensgründung

Bei Aufnahme des Betriebes ist eine Prognose des voraussichtlichen Umsatzes im Jahr der Gründung erforderlich (beispielsweise die Zahlen aus dem Businessplan). Beginnt ein Unternehmer seinen Betrieb während des Jahres, muss der voraussichtliche Umsatz auf einen Jahresgesamtumsatz hochgerechnet werden. Da in diesem Fall kein Vorjahresumsatz vorhanden ist, gilt die Umsatzschwelle von 22.000 Euro für das Jahr des Geschäftsbeginns. Im zweiten Jahr nach der Gründung ist Folgendes zu beachten: Um zu prüfen, ob der Unternehmer im vorangegangenen Kalenderjahr die Umsatzgrenze von 22.000 Euro nicht überschritten hat, sind die im Gründungsjahr tatsächlich erzielten Umsätze auf einen Jahresumsatz hochzurechnen.
Beispiel:
Ein Unternehmer nimmt am 1. Juli 2021 seine Tätigkeit auf. Der Umsatz bis zum 31. Dezember 2021 beträgt 15.000 Euro. Da der umgerechnete Jahresumsatz mit (15.000*12 Monate / 6 Monate =) 30.000 Euro die Grenze von 22.000 Euro überschreitet, kann der Unternehmer die Kleinunternehmerregelung im Jahr 2022 nicht in Anspruch nehmen.
Maßgebend ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz (Einnahmen, nicht Gewinn) einschließlich der enthaltenden Umsatzsteuer. Nach § 19 Abs. 3 UStG ist für die Berechnung des Gesamtumsatzes von der Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG auszugehen. Damit gehören die Einfuhren aus dem Drittlandsgebiet in das Inland nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG und der innergemeinschaftliche Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG) nicht zum Gesamtumsatz.

Umsatzgrenzen der Kleinunternehmerregelung

Der maßgebende Gesamtumsatz berechnet sich wie folgt:
          Steuerbare Umsätze
./.      bestimmte steuerfreie Umsätze, §§ 4 Nr. 8i, Nr. 9 b, Nr. 11-29 UStG                                                                             (z.B. Umsätze aus Vermietung)
./.      bestimmte steuerfreie Hilfsumsätze, §§ 4 Nr. 8 a-h, Nr. 9 a, Nr. 10 UStG
         (z.B. Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen)
=      Gesamtumsatz gem. § 19 Abs. 3 UStG
./.      darin enthaltene Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens
         (Hilfsgeschäfte)
=      Umsatz gem. § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG
+      darauf entfallende Umsatzsteuer
=      Bruttoumsatz gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG

Ein Unternehmer kann im umsatzsteuerlichen Sinn nur ein Unternehmen haben. Das heißt, das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit des Unternehmers (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG). Deshalb sind bei der Berechnung des Gesamtumsatzes alle vom Unternehmer ausgeführten Umsätze des einheitlichen Unternehmens zu beachten.
Beispiel:
Ein Einzelhändler bietet neben seinem Weinfachhandel auch Gourmet-Kochkurse an. Darüber hinaus vermietet er mehrere Immobilien. Alle drei Tätigkeiten stellen umsatzsteuerlich das Unternehmen des Unternehmers dar und sind in die Berechnung des Gesamtumsatzes einzubeziehen.

Folgen der Kleinunternehmerregelung

Die geschuldete Umsatzsteuer für die von einem Kleinunternehmer ausgeführten steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze wird nicht erhoben. Die Kleinunternehmerregelung ist aber keine Steuerbefreiungsvorschrift. Vielmehr werden Kleinunternehmer von der Erhebung der Umsatzsteuer ausgenommen und insoweit wie ein Nichtunternehmer behandelt. Deshalb hat der Kleinunternehmer aus seinen Eingangsrechnungen keinen Vorsteuerabzug. Dies gilt auch für die Einfuhrumsatzsteuer.

Rechnungsstellung des Kleinunternehmers

sen, dass bei einem Kleinunternehmer die Umsatzsteuer nicht vom Finanzamt erhoben wird ist, dass
  • der Kleinunternehmer keine Umsatzsteuer gesondert in seinen Rechnungen ausweisen darf,
  • der Kleinunternehmer die Umsatzsteuer, die ihm selbst berechnet wird, nicht als Vorsteuer vom Finanzamt erstattet erhält,
  • seine Abnehmer keine Vorsteuer ziehen können und dürfen.
Achtung:
Der Kleinunternehmer darf in seinen Ausgangsrechnungen keine Umsatzsteuer ausweisen. Auch der Steuersatz darf nicht angegeben werden. Das ist insbesondere bei Rechnungen mit einem Gesamtbetrag von bis zu 250 Euro (Kleinbetragsrechnungen, § 33 UStDV) wichtig, da der dortige Ausweis des Steuersatzes einer Angabe des Steuerbetrages gleichkommt. Bei Abrechnung in Form einer Gutschrift für eine durch einen Kleinunternehmer ausgeführte Leistung, darf der Aussteller der Gutschrift die Umsatzsteuer ebenfalls nicht gesondert ausweisen, da die Gutschrift als Rechnung gilt, mit der ein Unternehmer über einen an ihn ausgeführten Umsatz abrechnet. Sofern in einer Kleinunternehmerrechnung dennoch Umsatzsteuer ausgewiesen wird, schuldet der Kleinunternehmer die (unberechtigt) ausgewiesene Umsatzsteuer (§ 14c Abs. 2 UStG).
Eine Pflicht, in der Rechnung auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung hinzuweisen, besteht nicht. Es empfiehlt sich jedoch, einen Hinweis aufzunehmen. Dies kann zum Beispiel durch den Zusatz geschehen:
"Kein Steuerausweis aufgrund der Anwendung der Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG)".
Da Kleinunternehmer weder Umsatzsteuer schulden noch Vorsteuer geltend machen können, müssen sie auch keine Umsatzsteuervoranmeldung abgeben. Allerdings ist eine Umsatzsteuerjahreserklärung für das abgelaufene Kalenderjahr abzugeben.

Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung

Da die Kleinunternehmerregelung auch nachteilig sein kann, hat der Unternehmer die Möglichkeit, auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu verzichten (Option zur Regelbesteuerung). Folge dessen ist, dass er wie ein normaler Unternehmer behandelt wird und den allgemeinen Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt. Er versteuert dann alle seine der Regelbesteuerung unterliegenden Umsätze und kann aus seinen Eingangsrechnungen die Vorsteuer geltend machen. Die Verzichtserklärung ist ohne besondere Form gegenüber dem Finanzamt abzugeben.
Wichtig: 
Die Verzichtserklärung bindet den Unternehmer für fünf Kalenderjahre.
Die Option zur Regelbesteuerung kann grundsätzlich sinnvoll sein, wenn der Unternehmer:
  • zu Beginn seiner Geschäftstätigkeit hohe Anfangsinvestitionen hat und daher viel Umsatzsteuer an seine Lieferanten zahlen muss. Durch den Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung kommt er in den Genuss des Vorsteuerabzugs.
  • selbst überwiegend an andere Unternehmer und nicht an Privatkunden leistet. Abnehmer, die Unternehmer sind, können die gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ihrerseits als Vorsteuer geltend machen. Da der Kleinunternehmer die selbst gezahlte Umsatzsteuer aus seinen Eingangsrechnungen in seine Preiskalkulation einbeziehen wird, kann er seine Leistungen nur teurer anbieten.
Möchte der Unternehmer nach Ablauf der Fünfjahresfrist wieder zur Kleinunternehmerregelung zurückkehren, muss er einerseits die Umsatzgrenzen einhalten und dazu die Option nach Ablauf der Frist gegenüber seinem Finanzamt widerrufen. Der Verzicht kann nur mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung für das betreffende Kalenderjahr zu erklären.
Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer im betreffenden Kalenderjahr können nachträglich berichtigt werden.
Beispiel:
Ein Kleinunternehmer erwirbt Anfang 2019 einen Firmenwagen für 30.000 Euro zzgl. 5.700 Euro Umsatzsteuer. In 2019 konnte der Unternehmer – weil Kleinunternehmer – keine Vorsteuer geltend machen. Ab 2020 ist er regelbesteuerter Unternehmer und voll vorsteuerabzugsberechtigt. Er kann in 2020 bis 2023 jeweils 1.140 Euro Vorsteuer geltend machen (§ 15a Abs. 5 UStG: Korrektur jeweils in Höhe eines Fünftels des Vorsteuerbetrages).
Voraussetzung für die Vorsteuerberichtigung ist unter anderem, dass die auf den Erwerb eines Wirtschaftsgutes oder einer Leistung entfallende Vorsteuer 1.000 Euro übersteigt (§ 44 Abs. 1 UStDV). Das heißt, dass bei Anschaffungen in geringerem Umfang – was beim Start als Kleinunternehmer wohl eher die Regel als die Ausnahme sein wird – die Gefahr besteht, dass keine Vorsteuerberichtigung vorgenommen werden kann.

Kleinunternehmer mit grenzüberschreitenden Leistungen

Obwohl ein Kleinunternehmer grundsätzlich nicht an der Regelbesteuerung teil-nimmt, gelten bei Lieferungen und Dienstleistungen über die Grenze die folgenden umsatzsteuerlichen Vorschriften auch für den Kleinunternehmer:
  • die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer
  • die Besteuerung von innergemeinschaftlichen Erwerben
  • die innergemeinschaftliche Lieferungen von Fahrzeugen
  • die Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG (Steuerschuldumkehr) und § 25b UStG (Dreiecksgeschäft)
Das bedeutet, dass der Kleinunternehmer beispielsweise die Einfuhrumsatzsteuer für Waren, die er von einem indischen Lederfabrikanten einkauft und bei der zuständigen Zolldienststelle zum freien Verkehr abfertigen lässt, schuldet.
Auch muss der Kleinunternehmer den innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern, sofern er die Erwerbsschwelle von 12.500 Euro übersteigt oder zur Erwerbsbesteuerung optiert hat (§ 1a Abs. 3 und 4 UStG). Als zur Erwerbsbesteuerung optiert gilt auch die Verwendung einer dem Kleinunternehmer erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) gegenüber dem Lieferer. Die Option bindet den Kleinunternehmer mindestens für zwei Kalenderjahre.
Die Regelungen zur Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG gelten ebenfalls für den Kleinunternehmer. So wird er beispielsweise zum Steuerschuldner für im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers. Das heißt, der Kleinunternehmer muss dann die Umsatzsteuer an das Finanzamt abführen.
Beispiel:
Der in Frankreich ansässige Innenarchitekt F plant für den in Lehrte ansässigen Kleinunternehmer K die Einrichtung seines Ladens. Die Leistung des F ist im Inland steuerpflichtig. Die Umsatzsteuer für diese Leistung schuldet K (§ 13b Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 1 UStG).
Wichtig: Auch bei den oben genannten Sonderfällen hat der Kleinunternehmer kein Recht zum Vorsteuerabzug.
Die Regelungen zu den steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen finden für den Kleinunternehmer dagegen keine Anwendung, d.h. sie sind grundsätzlich steuerpflichtig, die Steuer wird aber bei den Kleinunternehmern nicht erhoben. Ausnahme ist die innergemeinschaftliche Lieferung neuer Fahrzeuge. Damit muss der Kleinunternehmer auch keine Zusammenfassende Meldung (ZM) abgeben und darf keine USt-IdNr. angeben.
Auch einem Kleinunternehmer wird eine USt-IdNr. auf Antrag erteilt. Ob er diese verwendet oder nicht, kann bei Lieferungen und Dienstleistungen zu weitreichenden Konsequenzen führen. Denn sobald ein Kleinunternehmer eine USt-IdNr. hat, kann er innergemeinschaftliche Leistungen erbringen oder beziehen und damit zur Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet sein. Bei internationalen Sachverhalten ist es daher ratsam, vorab einen Steuerberater zu konsultieren.
Stand: 23.08.2023