IHK-Wissen: Haftung für Zahlungen nach Zahlungsunfähigkeit

Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung muss für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit ermöglicht. Andernfalls trifft ihn eine persönliche Ersatzpflicht.
Nach § 64 Satz. 1 GmbHG ist der Geschäftsführer der Gesellschaft persönlich zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung geleistet wurden.
  • Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. (vgl. § 17 Abs. 2 InsO)
  • Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. (vgl. § 19 Abs. 2 InsO)
Der Geschäftsführer einer GmbH ist für die rechtzeitige Stellung eines Insolvenzantrages persönlich verantwortlich und kann sich dieser Verantwortung nicht schlichtweg durch Delegation von Prüfungshandlungen an Dritte entledigen kann. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gebietet es in jedem Fall, das Prüfergebnis Dritter einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen und auf die Vorlage des Prüfungsergebnisses hinzuwirken. Der Geschäftsführer kann sich folglich weder auf persönliche Unkenntnis noch auf verzögerte Leistungserstellung Beauftragter berufen. Für beide Verfehlungen trifft ihn die persönliche Erstattungspflicht nach § 64 GmbHG, sollte es nach Eintritt der Insolvenzreife zu weiteren Zahlungen seitens der GmbH gekommen sein.
Auf die individuellen Fähigkeiten des Geschäftsführers kommt es für die Begründung einer Erstattungspflicht nach dem GmbHG nicht an. Mangelnde Sachkenntnis entschuldigt ihn nicht. Zulasten eines Geschäftsführers, der Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung aus dem Gesellschaftsvermögen leistet, wird vermutet, dass er dabei schuldhaft, nämlich nicht mit der von einem Vertretungsorgan einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu fordernden Sorgfalt gehandelt hat. Zur Haftung genügt die Erkennbarkeit der Insolvenzreife, wobei die Erkennbarkeit als Teil des Verschuldens vermutet wird.
Fahrlässiges Handeln in diesem Sinne wird angenommen, wenn der Geschäftsführer sich nicht rechtzeitig die für die Prüfung der Insolvenzreife erforderlichen Informationen und Kenntnisse bei Anzeichen einer Krise verschafft hat. Von dem Geschäftsführer einer GmbH wird erwartet, dass er sich über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft stets vergewissert. Bei Anzeichen einer Krise hat er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Sofern der Geschäftsführer einer GmbH nicht über ausreichende persönliche Kenntnisse verfügt, die er für die Prüfung benötigt, ob er pflichtgemäß Insolvenzantrag zu stellen hat, muss er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, fachlich qualifizierten Person/Organisation beraten lassen. Bei dieser Person muss es sich nicht unbedingt um einen Wirtschaftsprüfer oder Rechtsanwalt handeln. Im Einzelfall, bei dem auch die Größe des zu beurteilenden Unternehmens zu berücksichtigen ist, kann unter Umständen auch die Beratung durch geeignete Angehörige anderer Berufsgruppen zur Entlastung des Geschäftsführers genügen (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2012 – AZ: II ZR 171/10).
Der Geschäftsführer darf sich aber nicht mit einer unverzüglichen Auftragserteilung begnügen, sondern muss auch auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfungsergebnisses hinwirken.
Stand: 06.04.2022