Interkulturelle Unterschiede

Are you ready? Präsentationen und Gespräche vor US-Publikum

Die USA sind für deutsche Unternehmen ein attraktiver Markt. Viele sind mit eigenen Niederlassungen oder Partnern vor Ort. Andere exportieren in diverse Bundesstaaten des Landes – nach Oregon, Massachusetts, Montana oder Texas – gleichzeitig. Da gäbe es mehr deutsche Unternehmen, die das Potenzial dazu hätten. Sie aber verpassen – nachdem sie die Einladung zu einer Produktpräsentation bekommen und damit die erste große Hürde genommen haben – die Chance, hier mit einer erfolgreichen Präsentation zu überzeugen.
Nancy Rienow, Amerikanerin und interkulturelle Trainerin, weiß um viele Unterschiede zwischen der deutschen und amerikanischen Geschäftskultur. Erzählt hat sie der IHK Hannover davon bereits in einem ersten Interview in der Serie „Working with Americans“. Nun haben wir ein zweites Interview mit ihr geführt. Das Thema: Präsentationen vor amerikanischen Geschäftspartnern und Kunden, die auch mit der steigenden Beliebtheit von Konferenzen im virtuellen Raum an Relevanz gewonnen haben.  

Die einen präsentieren präzise Fakten. Die anderen wollen am liebsten eine überzeugende Story.

Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Präsentationen von deutschen und amerikanischen Geschäftsleuten ist überhaupt erstmal ihr Verständnis von einer gelungenen Produktpräsentation. In Deutschland präsentiert man gerne fakten-zentriert. Gewiss gibt es auch hierzulande eine Entwicklung zu bunten Bildern, netten Filmchen und lustigen Vergleichen. Dennoch sind es eher die Zahlen, Daten und Studien, auf die man eine Präsentation aufbaut. In den USA würde man mit viel weniger Details auskommen. Amerika will eine überzeugende Story zum Produkt, liebt Überraschungen und Spezialeffekte. Und Interaktion: Erfolgreiche Präsentationen in den USA funktionieren nur mit dem Publikum! Die Rolle des eher passiven Zuhörenden, die man in deutschen Konferenzen doch noch oft einnimmt, liegt Amerikanern gewohnheitsmäßig nicht.
„Deutsche Unternehmer tendieren dazu, sehr systematisch zu denken. Sie bauen ihre Präsentation auf soliden Informationen auf, zeigen Testergebnisse oder die Vor- und Nachteile von Produkten. Sie argumentieren in ihren Präsentationen deduktiv: ‚Welche Probleme müssen gelöst werden?‘ Ihr Präsentationsstil ist sehr seriös. Anders die US-Amerikaner. Sie gehen die Sache eher induktiv an. ‚Was kann getan werden?‘ ‚Welche Lösungen gibt es?‘. Das ist ein großer Unterschied. Natürlich pauschalisiere ich hier ein wenig. Auch in den USA werden insbesondere im Rahmen der Wissenschaft oder Philosophie deduktive Argumentationen genutzt. Dennoch: Kulturell gesehen sind US-Amerikaner im Allgemeinen empfänglicher für induktiv vorgetragene Informationen. Außerdem wollen sie unterhalten werden. Und einbezogen, ganz wichtig bestätigt Nancy Rienow, zertifizierte Trainerin und Coach für Interkulturelle Kompetenz, Amerikanerin und Geschäftsführerin des Unternehmens cross-culture success.

Aller Anfang ist schwer!

Von vorne. „Fangen wir mit dem Namen und der Funktion an. Stellen Sie sich kurz vor. Titel sind in den USA sehr wichtig. Job-Titel – keine Qualifikationen! Letztere sollten nur dann präsentiert werden, wenn sie etwas mit dem Thema zu tun haben“, empfiehlt Nancy Rienow. Die Diplom-Lebensmittelingenieurin bei der Präsentation einer neuen Produktlinie von Lebensmitteln für Outdoor-Erlebnisse? „Genau. Hier kann die Erwähnung der Qualifikation von Vorteil sein. Noch besser wäre aber eine Geschichte, die Funktion und Erfahrung beschreibt. Self-Marketing ist in den USA wirklich wichtig.“ Also eine Lebensmitteltechnologin mit Passion zu Trekking-Exkursionen in entlegene Gegenden, die erfahren musste, dass hochkalorischer Proviant in kleinen Packmaßen einem sprichwörtlich das Leben retten kann. Grund genug für sie daraus ein Unternehmen zu machen, dass sie – als Vice President – inzwischen einige Jahre erfolgreich am Markt führt. „So in etwa.“ lacht Nancy Rienow. „Einige Jahre am Markt ist okay. Das kann man sagen. Aber Vorsicht mit der Firmengeschichte. Bei deutschen Präsentationen wird sehr gerne auf die lange Tradition des Unternehmens verwiesen – insbesondere, wenn das Unternehmen als Familienunternehmen geführt wird. Das ist sicherlich interessant, in den USA aber nicht unbedingt ein Asset, das in einer Präsentation dargestellt werden muss. Wenn die Firmengeschichte keinen direkten Bezug auf das Verkaufsthema hat, verzichtet man besser darauf und hebt sich die Geschichte für ein ungezwungenes Mittagessen auf.“

Business Cards, QR-Code oder Linked-In?

„Visitenkarten werden altmodisch, aber immer noch verwendet. Hier gibt es keine großen Unterschiede zu Deutschland. Die jüngere Generation nutzt häufig den QR-Code, während die ältere gerne noch Visitenkarten überreicht. Ihre Nutzung hängt auch von der Branche ab. Oder wie technikaffin jemand ist. Ein viel größerer Unterschied zwischen Deutschland und den USA liegt in der geschäftlichen Nutzung der Plattform LinkedIn. In den USA ist ein LinkedIn Profil fast gang und gebe. Selbst eines zu haben, kann also nicht schaden. Es sollte allerdings auf Englisch sein. Es gibt nicht viele Amerikaner, die Deutsch sprechen, und die, die es tun, können nur recht wenig“,  erklärt Nancy Rienow.

Deutsche Begrüßungsworte versus amerikanischer Small Talk  

Small Talk gehört zur amerikanischen Meeting-Kultur und ist damit auch Bestandteil einer Präsentation. Rienow erzählt: „Der Small-Talk ist das Warm-Up, leitet quasi die Präsentation ein. Nehmen Sie sich Zeit für den persönlichen Austausch. Versuchen Sie es mit Herzlichkeit und echtem Interesse, bevor Sie mit dem eigentlichen Thema des Meetings loslegen. Die Themen? Sie könnten natürlich ein paar Worte zum Wetter sagen – die Gefahr sich hier auf dünnes Eis zu begeben, ist so gut wie nicht vorhanden. Sport, Urlaub oder Kultur sind ebenfalls unkritisch. Sie könnten aber auch ein paar freundliche Fragen stellen oder gerne auch Komplimente machen.‘It‘s nice to finally meet you in person! You have a beautiful location. How long have you been here?‘. Oder: ‚How exactly did you get into this line of work?‘. Fragen sind gut. Eigentlich sollte man immer fragen – auf eine entspannte Art und Weise – um die Zuschauenden von Anfang an mit einzubeziehen. Hören Sie gut zu oder machen sich Stichworte! Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit auf das Gesagte zurückzukommen. Das kommt gut an.
Tendenziell ist der amerikanische Small Talk länger als in Deutschland – ein paar Sätze reichen aber in der Regel vollkommen aus. In den Südstaaten, der Westküste und dem mittleren Westen nimmt man sich manchmal mehr Zeit als im Nord-Osten. Will der Gesprächspartner mehr, dann geben Sie ihm mehr.
Für die Überleitung zur eigentlichen Präsentation gibt es keine klaren Regeln. Sie ist situationsbezogen und bedarf ein bisschen Fingerspitzengefühl. Wenn Sie das Meeting angesetzt haben, sollten auch Sie es sein, die zum Thema überleitet. Ähnlich wie im Deutschen hilft hier zum Beispiel ein Lächeln verbunden mit einem ‚so‘, ‚okay‘, oder ‚‚how about we get down to business?‘, ‚let’s focus on our topic now‘ sowie ‚I’d love to show you what we can offer / how we can support you‘. Ansonsten warten Sie lieber ab, bis die einladende Person zum geschäftlichen Teil überleitet.“

K.I.S.S. – Keep it short und simple.

Small Talk also. Davor am besten noch eine überzeugende Geschichte zu Funktion und Erfahrung der eigenen Person. Visitenkarte muss nicht sein. Aber Feingefühl für die Überleitung zum Anlass des Meetings. Kommen damit jetzt die Regeln für den berühmten Pitch?
Nancy Rienow schüttelt den Kopf. „Vorträge vor US-Publikum sollten sich aber in der Tat auf die wesentlichen Punkte beschränken. Keep it short and simple! Will der Kunde mehr, geben Sie ihm mehr. Aber lassen Sie ihn bestimmen, wie viel Mehr. Der Aufbau ist einfach: Teilen Sie Ihrem Publikum zu Beginn mit, was Sie in der kommenden halben Stunde sagen werden. Sagen Sie es dann. Beziehen Ihr Publikum dabei aber mit ein. Dann fassen Sie zusammen, was Sie gesagt haben. Holen Sie sich ihr Feedback. Und dann: verabschieden Sie sich.“
Ein klassischer Pitch muss es also nicht sein. Eine Produktpräsentation vor potenziellen Kunden findet im günstigsten Fall ja auch nicht während einer 60-sekündigen Aufzugsfahrt statt. Dennoch ist die Orientierung an diesem Modell-Pitch für Aufbau und Charakter einer Präsentation vor US-Publikum vermutlich gar nicht mal so schlecht.  

Storytelling – die Vermittlung von Informationen und Emotionen

Die Amerikaner und ihre Geschichten. „Ja, überzeugende Geschichten braucht es in den USA. Sie sind wichtiger Baustein für erfolgreiche Gespräche oder Verhandlungen. Da Zuhörende sich – leider – immer eher an den Anfang und das Ende Ihrer Präsentation, anstatt an den Hauptteil erinnern werden, sind Einleitung und Abschluss einer Präsentation für gute Geschichten prädestiniert. Sie sollten nämlich einen echten Impact haben.“ betont Nancy Rienow.
Einen Impact haben gute Geschichten aber nur, wenn das Publikum sie versteht, die Geschichte also in einem wirklichen Zusammenhang mit dem Produkt, der Leistung oder einem anderen Anlass für das Meeting steht. Und wenn Geschichten das übliche Set an Zutaten beinhalten. Gute Geschichten brauchen Helden. Meistens auch einen Schurken. Oder zumindest einen Konflikt oder einen Mangel. Ein bisschen Dramaturgie. Und ein Happy End. Die Geschichte der Gründer von AIRBNB hat dieses Set an Zutaten: Mitbewohner, die sich das gemeinsame Appartement in San Francisco nicht mehr leisten können, drei Luftmatratzen in das Zimmer stellen und – Frühstück inbegriffen – an Besuchende einer Design-Konferenz vermieten. Eine Story darf also einfach sein. Sie muss aber keinesfalls die wie hier dargestellte „Vom Tellerwäscher zum Millionär-Story“ sein, um zu begeistern. Sie muss auch keine epischen Ausmaße annehmen. „Eine gute Geschichte kann in der Einleitung auch in Zusammenhang mit einer (rhetorischen) Frage oder einer interessanten Tatsache gebracht werden. Zum Abschluss eigenen sich oft auch kleine Anekdoten – vielleicht aus dem Bereich der Entwicklung des Produkts, der ersten Versuche mit Test-Personen. Sie können auch eine Frage stellen oder eine interessante Tatsache in den Raum werfen.“ erläutert Nancy Rienow.
Für den Abschluss der Präsentation gibt sie noch einige wertvolle Tipps. „Der Abschluss erfolgt in jedem Fall mit einer Wiederholung der wichtigsten Punkte. Und dann natürlich ein Aufruf zum Handeln. Hier können Sie offene Fragen benutzen. ‚When could we discuss your next steps?‘ ‚What time could we plan to talk next week?‘“

Zahlen, Fakten, Bilder

Das Geschichtenerzählen liegt nicht jedem und entspricht auch nicht unbedingt der deutschen Businesskultur – sind es doch gemeinhin die Zahlen und Fakten, denen man hierzulande großes Vertrauen schenkt. Zahlen und Fakten sind auch in Präsentationen vor US-Publikum okay, wenn sie – einfach und für jeden verständlich präsentiert – für einen Aha-Effekt und ein Raunen sorgen sollen, anstatt als Beweis oder Beleg zu fungieren.
Ein Beispiel: Der im Jahr 2001 vorgestellte iPod von Apple hatte 5 GB Speicherkapazität. Ob das nun viel oder wenig ist, dürfte viele spätere Kunden nicht gewusst haben. Was sie aber wussten, war dass 1000 Songs auf dem iPod gespeichert werden konnte. Das hat ihnen Steve Jobs bei der Produkteinführung erklärt.
Tatsächlich soll sich das menschliche Gehirn sich nur an zehn Prozent der Informationen, die gehört oder gelesen wurden, erinnern. Achtzig Prozent der Informationen hingegen werden durch Bilder wahrgenommen.
Nancy Rienow ergänzt: „Beachten Sie dies bei Ihren Präsentationsfolien. Halten Sie sich an die 6-er Regel: maximal sechs Zeilen pro Folie; maximal sechs Wörter pro Folie. Benutzen Sie Visuals und Animationen. Bei Online-Konferenzen gilt dies noch mehr. Hier können Sie Ablenkungen nicht beeinflussen, teilweise noch nicht einmal wahrnehmen. Mit spannenden Präsentationsfolien behalten Sie das Publikum bei sich. Stellen Sie dann noch Fragen – in Online-Meetings durchaus alle vier bis fünf Minuten.“ Bilder können übrigens – löst man sich von der engen Definition des Wortes - auf sehr vielfältige Weise erzeugt werden. Die Bühne kann mit Teammitgliedern oder Referenzkunden geteilt werden. Das geht online ebenso gut wie in Präsenz. Videoclips erzeugen Bilder. Live-Umfragen ebenfalls. Statements von Kunden. Die Palette der Möglichkeiten ist hier schier unendlich.  

Überzeugungen verkaufen

Der amerikanische Markt ist in vielen Bereichen sehr gesättigt. Nicht unwahrscheinlich, dass Produkte oder Dienstleistungen deutscher Unternehmen auf mannigfach Konkurrenzprodukte treffen werden. Umso mehr geht es darum, die eigene Überzeugung für die Vorteile genau dieses Produkts in einer Präsentation darzustellen. Produkteigenschaften, Preis, Lieferbedingungen & Co. – diese Aspekte zählen natürlich. Aber sie sind oft nicht das Zünglein an der Waage. Das hingegen sind die Fans im US-Publikum. Die, die den Wert des Produktes verstehen. Die die überzeugt worden sind von der nachhaltigen Herstellung, den Energieeinsparpotenzialen oder die, die besondere Gimmicks wirklich als persönlichen Vorteil empfinden.

Be kind

Offen, freundlich und optimistisch – so sind sie, die Amerikaner. Im Allgemeinen. Deutsche, die sich diese zuversichtliche und positive Ausstrahlung in den Gesprächen mit ihnen zu eigen machen, haben – so einfach es auch klingt – schon viel für den Erfolg einer Präsentation erreicht.
Das Publikum ist das Salz in der Suppe. Präsentationen sind dann erfolgreich, wenn man es schafft eine emotionale Verbundenheit zum Publikum herzustellen. Das gilt umso mehr für virtuelle Präsentationen“ sagt Nancy Rienow. Wie das funktioniert? „Lächeln. Sich optimistisch geben. Entspannter Augenkontakt und eine lockere, natürliche Körperhaltung. Arbeiten Sie mit Ihrer Stimme.“ Non-verbale Kommunikation ist also wichtig. „Dies gilt auch für Online-Präsentationen. Achten Sie auf das Setting. Das Licht zum Beispiel. Die Kamera-Einstellung. Schauen Sie auch in die Kamera und gestikulieren Sie. Aber auf eine natürliche Art.“
Präsentationen vor US-Publikum sind also mehr Theaterstück als klassischer Vortrag. Auf zu präzise Fakten sollte zugunsten einer überzeugenden Geschichte verzichtet werden. Kurz und einfach sollte die Präsentation sein. Vorgetragen auf eine entspannte Art und Weise – mit gesundem Optimismus und großer Überzeugung. Und mit Einbezug des Publikums. Damit könnt es funktionieren. Damit könnten mehr deutsche Unternehmen, deren Produkte, Technologien und Leistungen Potenzial auf dem US-Markt haben, Fans in den USA gewinnen.
Stand: 09.01.2024