Finanzierung und Förderung im Auslandsgeschäft

Altbekannt doch voll im Trend: Exportkreditversicherungen und Investitionsgarantien des Bundes

In Zeiten wie diesen, in denen alle Welt auf der Suche nach neuen Handelspartnern ist, Sorgfaltspflichten, Nachhaltigkeitsaspekte und Klimapolitik sich im ganz normalen Unternehmensalltag niederschlagen und Friendshoring sich als neues Buzzword etabliert hat, fällt vielen deutschen Unternehmen der Alleingang auf neue Märkte doch recht schwer. Flankenschutz gibt es durchaus. Insbesondere in Schwellen- und Entwicklungsländern wird dieser jedoch zunehmend schwächer. Mit dem Bund im Boot, beispielsweise in Form einer staatliche Exportkreditgarantie, einer Garantie für ungebundene Finanzkredite oder einer Investitionsgarantie sieht das allerdings anders aus. Die Angebote des Bundes stehen aktuell hoch im Kurs. Auch bei den Mitgliedsunternehmen der IHK Hannover.
Als Mandatare des Bundes sind die Experten der Euler Hermes Aktiengesellschaft AG und PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft regelmäßig zu Informationsveranstaltungen und individuellen Beratungsgesprächen in bei uns zu Gast. Ihre Gesprächspartner: Unternehmen aller Couleur. International bekannte Konzerne, der solide niedersächsische Mittelstand, kleine Einzelunternehmen. Manchen geht es nur um die kurzfristige Absicherung des Zahlungsausfallrisikos für die Lieferung einer Verpackungsmaschine zum Beispiel. Andere erkundigen sich über die Möglichkeiten einer Deckungspolice für eine von einer ausländischen Behörde in Auftrag gegebenen Projektstudie zur Trinkwasseraufbereitung. Wieder andere wollen in ein klimaneutrales Wohnprojekt investieren. Und dann gibt es natürlich auch solche, die ohne ein konkretes Projekt in der Hinterhand in die IHK Hannover kommen. Sie wollen erst einmal wissen, wie das so geht mit den Hermesdeckungen. Ob das staatliche Angebot für sie überhaupt funktioniert. Welche Vorteile ihnen die Investitionsgarantien des Bundes bieten. Und ab welcher Summe man hier überhaupt anfragen kann.  

Die Exportkreditgarantien des Bundes

2022 sicherte der Bund Lieferungen und Leistungen in Höhe von 14,9 Mrd. Euro mit Exportkreditgarantien ab. Ist das jetzt viel oder wenig? Gemessen am Gesamtwert der deutschen Ausfuhren, die gut 1576 Mrd. Euro im Jahr 2022 betrugen, liegt ihr Anteil bei 0,95 Prozent. Das erscheint – auf den ersten Blick betrachtet – erst einmal wenig. Der zweite Blick, nämlich der, der die deutschen Exporte in Bezug auf Länderrisiken (gemäß der siebenstufigen OECD-Länderrisikoklassifizierung (1 = geringstes Länderrisiko; 7 = höchstes Länderrisiko) analysiert, macht die besondere Bedeutung der Exportkreditgarantien des Bundes für das Ausfuhrgeschäft der deutschen Exporteure allerdings deutlich: Während in den letzten zehn Jahren 0,5 Prozent der Exporte in Länder der OCED Risikokategorie 1-3 bundesgedeckt wurden, lag der Anteil bei Ländern der OECD-Risikokategorie 6–7 hingegen bei 11,1 Prozent. Je höher also das Länderrisiko, desto höher der Anteil bundesgedeckter Exporte am deutschen Gesamtexport. Ohne die Exportkreditversicherung des Bundes kämen zahlreiche Exportgeschäfte in risikoreichere Märkte vermutlich gar nicht zustande. 
Fokus: Schwellen-und Entwicklungsländer
Darum geht es ja eigentlich auch“, erklärt Igor Sufraga, Firmenberater bei der Euler Hermes Kreditversicherung AG. „Exporte in Industrieländer spielen in unserem Portfolio eine vergleichsweise kleine Rolle. Die wirtschaftlichen und politischen Risiken von Forderungsausfällen sind in diesen Ländern sehr viel geringer, es gibt genügend marktfähige Angebote privater Kreditversicherungsunternehmen. Damit kommen wir immer nur subsidiär zum Zuge und immer nur dann, wenn es um Risikolaufzeiten von mehr als zwei Jahren geht. Ist dies der Fall, dann werden auch mögliche Zahlungsausfälle in EU- und OECD-Kernländer (also EU-Mitgliedsstaaten, Australien, Island, Japan, Kanada, Neuseeland, Norwegen, die Schweiz, die USA und das Vereinigte Königreich) abgesichert. Aber wie gesagt: Hermes-Bürgschaften sollen deutschen Unternehmen insbesondere dabei unterstützen, sich in schwierigeren Märkten zu engagieren. In Märkten, in denen eine Absicherung notwendig und sinnvoll ist, private Kreditversicherer aber keine oder zumindest keine marktgerechten Angebote parat halten und auch die finanzierenden Banken und Sparkassen den Bund gerne als Kreditsicherheit hätten. Deswegen entfiel auch im Jahr 2022 gut 83 Prozent des neu übernommenen Deckungsvolumens auf Geschäfte deutscher Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Entwicklungs- und Schwellenländer also. Der Internationale Währungsfonds zählt derzeit 152 Länder dazu. Exportkreditgarantien des Bundes gab es im Jahr 2022 für Geschäfte in 172 Ländern. Eine Hitliste nach Regionen aufzustellen, fällt schwer. Der aktuelle Jahresbericht der Exportkreditgarantien nimmt ein Rating vor – allerdings nach Deckungsvolumen und dies wird natürlich nicht nur durch die Anzahl der übernommen Garantien sondern auch die Größenordnung einzelner Geschäfte bestimmt. Dennoch ist es zumindest eine Statistik und dazu eine, die sich mit den Prioritäten der Mitgliedsbetriebe, die sich in der IHK Hannover informieren, deckt. In dieser liegt Asien vorn mit China, Indien und Indonesien an der Spitze. Gefolgt von Lateinamerika mit dem Top-Trio Brasilien, Mexiko und Kolumbien sowie Afrika mit Ägypten, Ghana und Südafrika. „Klassischerweise haben wir viele Anfragen aus dem Bereich Transport und Infrastruktur, wie zum Beispiel LKW aber auch Maschinen für den Straßenbau. In der Papier-, Holz-, Leder und Textilindustrie werden Maschinen und Ausrüstungen gedeckt. Im Agrar- und Nahrungsmittelsektor sind es Landmaschinen, Dünger, Saatgut sowie Getränkeabfüllanlagen, Anlagen für Molkereien und Käsereien, Und nicht zuletzt fragen Exporteure aus dem Bereich der erneuerbaren Energien an“, berichtet Igor Sufraga.
Die Zielgruppe: Kleine und mittlere Unternehmen
Nicht selten hört oder liest man im Zusammenhang mit den staatlichen Exportkreditgarantien von sehr besonderen Finanzierungen. Absicherungen für Flugzeuge, Kreuzfahrtschiffe und so weiter. Fokus-Zielgruppe der staatlichen Exportkreditgarantien ist aber heute und stets gewesen: der Mittelstand. Und kleine und mittlere Unternehmen sind es auch, die Exportkreditgarantien vor allem in Anspruch nehmen. Knapp 80 Prozent der Anträge für Exportkredite kamen im letzten Jahr aus diesem Bereich.
Neuigkeiten aus dem Geschäft
Die Bedürfnisse und Interessen der deutschen Exportwirtschaft verändern sich im Wandel der Zeit. Und auch wenn das Grundprinzip – deutsche Exporteure und Exportfinanzierer vor politisch und wirtschaftlich bedingten Forderungsausfällen zu schützen – stets dasselbe bleibt, gibt es auch immer Neuigkeiten zu berichten. Aktuell sind es vor allem zwei Themen, die die Mitgliedsbetriebe der IHK Hannover beschäftigen: Das eine bereits in Kraft, allerdings in einer Pilotphase, das andere noch in den Kinderschuhen. Aber mit dem Plan etwas Großes daraus zu machen. 
Thema Nr. 1: Small Ticket Finanzierung. „Seit dem 1. Juli 2023 können wir deutschen Exportunternehmen mit der Fortfaitierungsgarantie ein neues Produkt anbieten, das sie bei der Small-Ticket-Finanzierung unterstützt“, beginnt Sufraga. Das dürfte Musik in den Ohren vieler kleiner und mittlerer Betriebe sein, die in der Vergangenheit selten Auslandsgeschäften mit Auftragswerten zwischen 500.000 Euro und 5 Mio. Euro mit Hilfe der Banken langfristig finanzieren konnten. Jetzt geht dies indem verknüpfend mit der bereits existierenden Lieferantenkreditdeckung eine Forfaitierungsgarantie für die Bank beantragt wird. (Verweis: Export: Forfaitierungsgarantie erleichtert Kreditfinanzierung für Small Tickets - IHK Hannover).
Thema Nr. 2: Klimastrategie für Exportkreditgarantien. Igor Sufraga fährt fort: „Für klimafreundliche Geschäfte, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien, gibt es bereits heute Deckungserleichterungen mit längeren Kreditlaufzeiten und erlaubten höheren Auslandsanteilen. Nachhaltigkeitsaspekte in der Deckungspolitik der Exportkreditgarantien sollen zukünftig aber einen noch höheren Stellenwert bekommen. Das Portfolio des Garantieinstruments wird zunehmend grüner“. Erste  Entwürfe zu den klimapolitischen Sektorleitlinien gibt es seit diesem Monat - am 24. Juli hat das BMWK hierzu eine Pressemitteilung veröffentlicht. „ Berichten können wir hierzu vermutlich im Herbst mehr. Dann auch wieder in der IHK Hannover. Einen Termin gibt es bereits: 21. Oktober.“ ergänzt Igor Sufraga.

Die Investitionsgarantien des Bundes

Beistand vonseiten des Bundes gib es natürlich auch abseits der klassischen Liefergeschäfte. Und diese wird von einer wachsenden Zahl von Investoren genutzt: „43 neue Garantien mit einem Gesamtvolumen von 2,3 Mrd. Euro wurden im Jahr 2022 vom Bund übernommen. Damit betrug der gesamte Garantiebestand Ende des Jahres 30,1 Mrd. Euro“, erzählt Herwig Maaßen, Senior Manager, PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft den Unternehmen, die sich mit ihm in der IHK Hannover zu einem Gespräch verabredet haben. „Jeder zweite genehmigte Antrag kam im letzten Jahr von einem kleinen und mittleren Unternehmen. Dieser Trend hat sich auch im ersten Halbjahr 2023 verstetigt.“
Beispiele hat er parat: Der Ausbau eines Werkes zur Herstellung von Baustoffen in der Ukraine. Trotz kriegsbedingter Unsicherheiten konnte hier mithilfe einer Investitionsgarantie des Bundes neues Kapital eingebracht und die Weiterführung der Bauarbeiten vor Ort sichergestellt werden. „Ein gutes Beispiel“, meint Maaßen. „Investitionsgarantien sollen Unternehmen vor dem unkalkulierbaren Eintritt eines politischen Krisenfalls schätzen. Neben Krieg, Revolution oder Aufruhren kann dieser natürlich aber auch durch Konvertierungs- und Transferbeschränkungen oder Enteignungen zustande kommen. Wichtig ist allerdings die Abgrenzung zu den wirtschaftlichen Risiken. Die werden durch Investitionsgarantien des Bundes nicht gedeckt.“
Geschäfte deutscher Unternehmen in der Ukraine bringen derzeit natürlich hohe Risiken mit sich. Maaßen hat allerdings auch andere Beispiele parat. Das eines Umweltdienstleistungsunternehmen, das die Investitionen von Recycling-Anlagen für die Stahl- und Aluminiumindustrie in zwei chinesischen Provinzen durch Bundesgarantien gegen politische Risiken absicherte. Oder das eines Leasingvertrages über ein netzunabhängiges Solarspeicher-System, den ein sambischer Lebensmittelproduzent mit einem deutschen Unternehmen abgeschlossen hat.
Eine zentrale Voraussetzung für die Übernahme von Investitionsgarantien ist, dass für die Investitionen im Anlagestaat ausreichender Rechtsschutz besteht. Dieser wird im Regelfall durch einen bilateralen völkerrechtlichen Investitionsförderungs- und -Schutzvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem jeweiligen Anlagestaat bestätigt. Und davon sind derzeit 125 in Kraft“, erklärt Maaßen. Insofern besteht – ganz grundsätzlich gesprochen – die Möglichkeit in 125 Ländern eine Absicherung der Investitionen über eine Bundesgarantie zu beantragen. „Eigentlich noch in mehr. Dann übernimmt der Staat Investitionsgarantien auf Basis der innerstaatlichen Rechtsordnung des Anlagestaates, so zum Beispiel in Indien und Südafrika“, ergänzt Herwig Maaßen. 
Irgendwelche Vorlieben? Dem aktuellen Halbjahresbericht der Investitionsgarantien zufolge schon. Seit fast zehn Jahren führt Asien die Hitliste von Garantien, vor (Ost-)Europa, gefolgt von Süd- und Mittelamerika und Afrika. Garantien werden von Unternehmen aller Branchen und Größenklassen Couleur nachgefragt. „Klassischerweise ist unser Bekanntheitsgrad in der verarbeitenden Industrie aber sicherlich höher. Im ersten Halbjahr 2023 standen der Transport- und Verkehrssektor neben dem Maschinenbau und der Bauindustrie besonders hoch im Kurs.“
Investitionsgarantien werden für KMU zunehmend interessanter
Im Jahr 2022 wurden 47 Prozent der neu genehmigten Anträge von kleinen und mittleren Unternehmen gestellt. Damit betrug ihr Anteil am gesamten Garantiebestand 30 Prozent. Nicht viel? Eine so hohe Nachfrage aus dem Kreis der KMU gab es allerdings seit 1995 nicht mehr. Wiederholungstäter waren es im letzten Jahr übrigens auch nicht. 52 Prozent der Garantienehmer haben erstmals eine Garantie erhalten – so viele Greenhorns gab es seit 2006 nicht. Dieser Trend setzte sich übrigens auch im ersten Halbjahr 2023 in gleichem Umfang fort. Herwig Maaßen ergänzt: „Die Anzahl der Anfragen nach Investitionsgarantien sind derzeit auf einem hohen Niveau. Sicherlich aufgrund der weltweit gestiegenen Risiken im unternehmerischen Umfeld. Dann vermutlich aber auch, aufgrund der Tatsache, dass risikoreichere Märkte inzwischen für mehr Unternehmen eine Alternative darstellen.“
Neuigkeiten aus dem Geschäft: Anreize für eine stärkere Diversifizierung
Im Jahr 2022 hat sich die Bandbreite der Zielmärkte deutscher Investoren bereits deutlich erhöht (16 gegenüber 11 in 2021). Mit einer Weiterentwicklung der Investitionsgarantien soll die Diversifizierung der deutschen Wirtschaft künftig noch stärker unterstützt werden. Dies soll für Projekte in Staaten, die bisher nicht im Fokus der Wirtschaft standen, jedoch großes Potential bieten, gelten. „Konkret geplant sind günstigere Garantiekonditionen, die Anreize für Investitionen in diesen Staaten bieten. Staaten, in denen es zu einer übermäßigen Konzentration an abgesicherten Projekten gekommen ist, werden zudem unter die Lupe genommen; die Deckungskonditionen hier vermutlich angepasst. Die genaue Auflistung der in Frage kommenden Länder und die konkrete Ausgestaltung der Konditionen wird durch die Bundesregierung bis Jahresende erarbeitet“, berichtet Maaßen. „Auch hier können wir vermutlich bei unserem nächsten Termin in der IHK Hannover, dem Runden Tisch zum Thema Finanzierung und Absicherung von Auslandsgeschäften mehr berichten.“
Altbekannt doch voll im Trend: In diesen Zeiten stehen staatliche Exportkreditversicherungen und Investitionsgarantien wirklich hoch im Kurs.
Und demnächst vielleicht noch höher als je zuvor: Mit Anpassungen und neuen Programmen will der Bund insbesondere kleinen und mittleren Betrieben helfen, mit den aktuellen Herausforderungen in der Weltwirtschaft umzugehen. Die Updates gibt’s im Herbst – dann nicht nur in Berlin, sondern auch in Hannover: Am 21. Oktober beim runden Tisch zum Thema Finanzierung und Absicherung von Auslandsgeschäften. Erste Informationen hierzu finden Sie in unserer Veranstaltungsdatenbank .
Stand: 02.08.2023