Pressemeldung vom 31. Dezember 2024

Priorität für Wirtschaft – Mut zu strukturellen Reformen

Unternehmen vermissen laut forsa-Umfrage Zukunftsstrategie des Senats für Wirtschaftsstandort
Unter dem Motto „Standort am Scheideweg“ hat Handelskammer Präses Norbert Aust bei der Versammlung Ehrbarer Kaufleute eine entschlossene Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik gefordert und skizziert, welche ‚Herkulesaufgaben‘ bewältigt werden müssen, um Hamburgs Wohlstand, die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Verteidigungsfähigkeit des Standorts zu sichern.
Dabei appellierte er an die Politik, sich den großen, ungelösten Herausforderungen, wie der schwindenden Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit, der überbordenden Bürokratie, dem Fachkräftemangel, der sanierungsbedürftigen Infrastruktur – insbesondere im Hafen – der mangelnden Verteidigungsfähigkeit, sowie einer schleppenden Energiewende mit Mut und Tatkraft zu stellen. „Uns bleibt nur der Weg der strukturellen Reformen. Denn unser Leben, wie wir es kennen, ist in Gefahr“, so Präses Aust. „Wir brauchen eine Renaissance der Sozialen Marktwirtschaft: Unternehmerische Freiheit, Wettbewerb und eine klare Aufgabenverteilung zwischen Wirtschaft und Staat.“
Die Lösung der strukturellen Probleme liegt laut Aust auch in einer Wirtschaftspolitik, die Innovationen und Zukunftstechnologien sowie die konsequente Anwendung Künstlicher Intelligenz priorisiert. Dafür bekräftigte Aust die Forderung nach einer zusätzlichen Milliarde Euro aus privatwirtschaftlichen Erträgen und Dividenden der Stadt mit der Gründung einer Zukunftsstiftung, um den Innovationsstandort Hamburg unabhängig von Wahlzyklen und Haushaltsplanungen nach vorn zu bringen.
„Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sagen Sie bitte nicht, sie hätten kein Geld für so etwas. Dem halte ich entgegen: Der Senat schafft es seit Jahren nicht, vorhandenes Geld für Investitionen auszugeben.“ Laut Rechnungshof der Freien und Hansestadt Hamburg betrugen die so genannten investiven Reste Ende 2022 bereits 2,1 Milliarden Euro, die in das Jahr 2023 übertragen wurden. Demnach mangele es dem Kernhaushalt nicht an Mitteln, vielmehr gelänge es der Stadt nicht, geplante Investitionen umzusetzen.
Ein Bestandteil für eine klare Zukunftsorientierung ist die Neuordnung der Behörden-Ressorts im Senat nach der Bürgerschaftswahl im März. Eine Erweiterung der Zuständigkeit in der Wirtschaftsbehörde um das Thema Energie „würde wichtige Synergien für die Wettbewerbsfähigkeit und den Klimaschutz schaffen“, so Präses Aust. Gleichzeitig sollte die Innovationspolitik in die Zuständigkeit der Wissenschaftsbehörde fallen. „Wir brauchen neue Produkte und Dienstleistungen made in Hamburg. Dafür müssen Wirtschaft und Wissenschaft noch enger zusammenarbeiten. Das sogenannte ‚death valley‘ zwischen Grundlagenforschung und Anwendung muss endlich überwunden werden“, betonte Prof. Aust.
In seiner Rede hob der Präses die Chancen des Klimaschutzes für die Wirtschaft hervor. „Wir haben eine Verantwortung. Und wir haben wirtschaftliche Interessen. Und glücklicherweise kann beides zusammengehen.“ Ein weiteres, erfolgversprechendes Geschäftsmodell für Hamburg könnten technologiegeriebene Klimalösungen sein, die von Hamburg in alle Welt verkauft werden, so Aust. Dabei müsse aber die unternehmerische Freiheit höchste Priorität genießen. „Es ist und bleibt falsch, alles zu regulieren. Deshalb sehen wir den sogenannten Klimaentscheid auch kritisch.“
In seiner Rede warnte Aust davor, die berechtigte Kritik der Wirtschaft zu relativieren. „Wer in dieser Situation lapidar das Sprichwort ‚Die Klage ist des Kaufmanns Gruß‘ bemüht, verkennt die Dramatik der Situation, der hat den Warnschuss nicht gehört.“ In diesem Sinne erinnerte er den Senat noch einmal daran, dass große Probleme große Lösungen brauchen, und forderte neben der Innovationsmilliarde eine konsequente Stärkung des Hamburger Hafens durch mehr Wettbewerb ein. Dies erfordere auch neue Flächen im Hafen. Die Keimzelle des Hafens der Zukunft könne auf Steinwerder entstehen. „Wir verlangen nicht, dass die Politik morgen die Bagger nach Steinwerder losschickt. Aber wenn wir uns endlich trauen würden, etwas völlig Neues zu denken, dann könnten wir gemeinsam unseren Hafen wieder zu einem international führenden Standort machen.“
Dass Hamburgs Unternehmen eine klare Zukunftsstrategie des Senats für den Standort vermissen, zeigt eine repräsentative forsa-Umfrage (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 93 KB) im Auftrag der Handelskammer unter Hamburger Unternehmen (Befragungszeitraum 3.- 17. Dezember 2024). Zwei von drei Mitgliedsunternehmen vermissen demnach eine langfristige Strategie des Senats zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes, wie sie die Handelskammer mit ihrer Strategie Hamburg 2040 – wie wollen wir künftig leben und wovon? entwickelt hat. Lediglich 43 Prozent sehen die Interessen der Wirtschaft im Senat 'ausreichend‘ berücksichtigt.
Jochen Spethmann, Vorsitzender der Versammlung Ehrbarer Kaufleute zu Hamburg e.V., unterstützte den Präses der Handelskammer mit seinem Statement zur Eröffnung der Versammlung. Sein Leitgedanke: Vertrauen, Selbstvertrauen und Zutrauen – die Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft Deutschlands. Spethmann appellierte an Politik, Gesellschaft und Wirtschaft, diese Werte zu leben und die Zukunft mutig gemeinsam anzupacken.
„Die Herausforderungen und komplexen Aufgaben, vor die uns die Zukunft stellt, können wir nur meistern, wenn wir einander vertrauen sowie als Land und Gesellschaft Selbstvertrauen in unsere Fähigkeiten haben und schließlich das Zutrauen aufbringen, dass wir Dinge zum Besseren wenden können“, betonte Spethmann.
Dabei griff er auf ein Prinzip der Ökonomen Peter Drucker und Fredmund Malik zurück, die von der systematischen Müllabfuhr sprechen: „Was von dem, was wir heute tun, würden wir nicht wieder anfangen, wenn wir damit nicht schon begonnen hätten?“ In diesem Sinne appellierte Spethmann an die neue Hamburgische Bürgerschaft und den Deutschen Bundestag, in den ersten zwei Jahren der neuen Legislaturperiode keine neuen Gesetze zu erlassen. Stattdessen sollten sich die Parlamente darauf konzentrieren, bestehende Gesetze zu streichen, zu kürzen oder zu vereinfachen.
Die komplette Rede von Präses Norbert Aust und die Aufzeichnung der Veranstaltung finden Sie hier.