Bewertung Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland – Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD

Der Koalitionsvertrag zeigt vor welchen Herausforderungen Deutschland aktuell steht. Es werden sowohl die Gefahren von außen als auch eine anhaltende Wachstumsschwäche thematisiert. Dabei gestehen die künftigen Koalitionäre ein, dass ausgebliebene Strukturreformen den Konsolidierungsdruck auf die Haushalte erheblich verstärkt haben. Die Parteien sehen das Wahlergebnis als klaren Auftrag für eine grundlegende Erneuerung des Landes.
Direkt im einleitenden Kapitel berufen sich die Vertragspartner wiederholt auf die Soziale Marktwirtschaft als Eckpfeiler für den Erfolg Deutschlands, gefolgt von einem klaren Bekenntnis zu Reformen und Investitionen. Maßgebliche Zielrichtung für die kommenden vier Jahre soll es sein, Investitionen, Innovationen und die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, Steuern, Abgaben und Energiepreise zu senken, Arbeitsanreize zu verbessern, die Dekarbonisierung zu unterstützen, Bürokratie abzubauen und eine aktive Handelspolitik zu betreiben. Die zukünftigen Vertragspartner verstehen den Koalitionsvertrag als eine ambitionierte Zukunftsagenda.
Aus Sicht der Unternehmen in Deutschland beinhaltet das Regierungsprogramm für die kommenden vier Jahre Licht, aber auch viel Schatten.
In dem 146-seitigen Dokument nehmen die Themen der Wirtschaft viel Raum ein. Den Akteuren ist offenbar bewusst, dass die mangelnde wirtschaftliche Dynamik sowie die geringe Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen schwerwiegende Probleme darstellen, wobei diese nicht auf eine konjunkturelle Schwächephase, sondern auf tiefgreifende strukturelle Probleme am Wirtschaftsstandort Deutschlandzurückzuführen sind. Viele der im Vertrag niedergeschriebenen Maßnahmen sind wichtige Stellschrauben, um den Wirtschaftsstandort wieder leistungs- und zukunftsfähig zu machen.
Zu den wichtigen Maßnahmen gehören die Senkung der Stromsteuer sowie der Netzentgelte – gerade für Industriestandorte wie Hamburg von zentraler Bedeutung. Weiterhin sollen Planungs- und Genehmigungsverfahren etwa durch Stichtagsregelungen, die Reform des Verbandsklagerechts und eine konsequente Digitalisierung beschleunigt werden. Der geplante „Bau-Turbo“ ist ein wichtiger Impuls, um in den Ballungsräumen dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Auch die Aussagen zum Bürokratieabbau erscheinen auf den ersten Blick ambitioniert – eine Reduzierung um 25 Prozent für Unternehmen. Wichtig sind in den aktuellen Zeiten zudem das klare Bekenntnis zum regelbasierten Freihandel und die schnelle Ratifizierung von Freihandelsabkommen.
Gleichzeitig wird der Koalitionsvertrag dem eigenen Anspruch nicht gerecht. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Parteien um Kompromisse gerungen haben. Der Mut zu grundlegenden Reformen – etwa im Sozial-, Pflege- und Rentenbereich – fehlt. Strukturelle Probleme werden nicht angegangen. Auch zukünftig muss die Rentenkasse mit immer größeren Beträgen aus dem Bundeshaushalt aufgestockt werden. Damit verschiebt auch diese Bundesregierung drängende, ungelöste Probleme zulasten nachfolgender Generationen in die Zukunft. In vielen Bereichen bleibt der Vertrag unkonkret. Wie der Bürokratieabbau genau erfolgen soll, bleibt offen.
Auch zur Finanzierung der Seehäfen ist das Papier vage formuliert („ein Finanzierungs- und Realisierungsplan soll entwickelt werden“). Die dringend notwendigen Entlastungen für Unternehmen bleiben hinter den Erwartungen zurück. Ein „Investitions-Booster“ und die anschließende stückweise Senkung der Körperschaftssteuer werden nicht ausreichen, um wirtschaftliche Dynamik zu entfalten. Gleichzeitig haben sich die Koalitionäre ein Hintertürchen für ihre Vorhaben offen gelassen.
So schwebt ein im Koalitionsvertrag verankerter Finanzierungsvorbehalt wie ein Damoklesschwert über den avisierten Maßnahmen. Abermals wird deutlich, dass eine massive Neuverschuldung nur mit einer klaren Fokussierung auf Investitionen und einer kritischen Betrachtung konsumtiver Ausgaben nachhaltig Wirkung entfalten kann. Die neue Bundesregierung muss sich daran messen lassen, ob sie die angekündigten Maßnahmen auch tatsächlich umsetzt. Viele Probleme und Herausforderungen sind nicht neu, allerdings wurde es bereits in der Vergangenheit versäumt die notwendigen Maßnahmen konsequent umzusetzen. Im Folgenden findet sich eine Auflistung zentraler Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag mit einer Bewertung durch die Fachbereiche der Handelskammer Hamburg.
Wir als die Gesamtinteressenvertretung der Hamburger Wirtschaft setzen uns in Berlin dafür ein, dass die im Koalitionsvertrag angekündigten Maßnahmen zügig, entschlossen und im Sinne eines starken Wirtschaftsstandorts umgesetzt werden. Dazu zählen insbesondere:
  • Die Nutzung des Sondervermögens für den Ausbau kritischer Infrastruktur im Norden, insbesondere der Energie- und Verkehrsnetze.
  • Ein verbindlicher Finanzierungsplan für die deutschen Seehäfen.
  • Die konsequente Umsetzung der angekündigten Maßnahmen zum Bürokratieabbau.
  • Zusätzliche Entlastungen für Unternehmen.
  • Ein klarer Fahrplan für die strukturelle Reform der Sozialsysteme, um Haushaltsrisiken zu mindern und Investitionsspielräume zu sichern.
  • Stärkere Unterstützung des Wohnungsbaus durch Entbürokratisierung, Investitionssicherheit und Eigentumsförderung.
Nur wenn die richtigen Weichen jetzt gestellt und auch konkret umgesetzt werden, kann Deutschland den notwendigen wirtschaftlichen Aufbruch schaffen – mit einem starken Hamburg an seiner Spitze.

1. Neues Wirtschaftswachstum, gute Arbeit, gemeinsame Kraftanstrengung

2. Wirkungsvolle Entlastungen, stabile Finanzen, leistungsfähiger Staat

3. Sicheres Zusammenleben, Migration und Integration

4. Starker Zusammenhalt, standfeste Demokratie

5. Verantwortungsvolle Außenpolitik, geeintes Europa, sicheres Deutschland