Hamburgs neuer Senat muss die Wirtschaft jetzt stärken – Zentrale Maßnahmen für Wachstum und Innovation
Unsere Stadt steht an einem entscheidenden Wendepunkt. Während Hamburg politisch stabil und im Bundesvergleich wirtschaftlich relativ stark ist, müssen wir um die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft des Standorts kämpfen. Die Wirtschaftspolitik muss wieder Priorität haben, um Hamburgs Wohlstand langfristig zu sichern.
Die Handelskammer hat vor den Bürgerschaftswahlen viele konkrete Vorschläge gemacht, wie mehr wirtschaftliche Dynamik und Wettbewerbsfähigkeit entfacht werden können.
Zwei Drittel unserer Mitgliedsunternehmen vermissen eine klare Zukunftsstrategie des Senats zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts. Die angekündigte Bewerbung um Olympische und Paralympische Sommerspiele 2040 hat das Potenzial, eine solche Visionskraft für Hamburg zu entfalten, sie können ein Katalysator für die Entwicklung des gesamten Standorts sein – beispielsweise für die Annäherung an das Ideal der 15-Minuten-Stadt, die Erprobung von neuen Mobilitätsformen und die Attraktivitätssteigerung Hamburgs im Ausland – für Fachkräfte, Investoren, Startups und Touristen. Wichtige Investitionen in die (internationale) Erreichbarkeit des Standorts können schneller erfolgen, ebenso wie Entwicklung von Wohnraum. Entscheidend ist es daher, die Bewerbung als Teil eines umfassenden Prozesses zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit, Innovationskraft und Attraktivität des Standorts zu verstehen.
Viele strukturelle Maßnahmen – etwa der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die Förderung erneuerbarer Energien und die Sicherung von Fachkräften – entfalten ihre volle Wirkung erst mittel bis langfristig. Dennoch müssen sie heute auf den Weg gebracht werden, um Hamburg zukunftsfähig zu machen. Gleichzeitig gibt es Stellschrauben, an denen kurzfristig gedreht werden kann, um Unternehmen zu entlasten und neue Wachstumsimpulse zu setzen. Der Senat muss jetzt Maßnahmen ergreifen, die Unternehmen gezielt unterstützen, Innovationen vorantreiben und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts stärken. Besonders dringender Handlungsbedarf besteht in folgenden Themenfeldern:
1. Hamburgs Interessen auf Bundes- und internationaler Ebene kraftvoll vertreten
Hamburg hat als Außenwirtschaftsstandort Nummer eins und größter Industriestandort eine herausgehobene Rolle im gesamtdeutschen Wirtschaftsgefüge, gerade angesichts der geopolitischen Unsicherheiten. Als größter deutscher Seehafen trägt Hamburg maßgeblich zur Versorgungssicherheit der deutschen Volkswirtschaft bei. Zudem nimmt Hamburg aufgrund seiner geografischen Lage eine besondere Bedeutung für die nationale Verteidigungsfähigkeit ein. Diese besondere Funktion und Kompetenz muss Hamburg künftig noch selbstbewusster auf Bundes- und EU-Ebene vertreten, auch damit Hamburg in angemessenem Umfang von den zusätzlichen Mitteln für Infrastruktur und Sicherheit profitiert.
Gleichzeitig liegen viele Themen, die derzeit die Wettbewerbsfähigkeit der Hamburger Wirtschaft beeinträchtigen, maßgeblich in der Verantwortung der Bundesregierung und der EU-Kommission. Unsere Mitgliedsunternehmen sind zum Beispiel dringend auf eine grundlastfähige und grüne Energieversorgung zu international wettbewerbsfähigen Preisen, eine Steigerung des Arbeitsvolumens, und neue Freihandelsabkommen angewiesen. Der Hamburger Senat insgesamt ist daher aufgefordert, konsequent und systematisch – gemeinsam mit der Hamburger Wirtschaft – die Interessen des Standortes kraftvoll in Berlin und Brüssel zu vertreten. Eine besondere Chance liegt hierbei im Schulterschluss Hamburgs mit den norddeutschen Nachbarländern, der aktiv und konsequent für eine gemeinsame Interessenvertretung genutzt werden muss.
Hamburgs besondere Stärke liegt seit jeher in seiner internationalen Ausrichtung. Gerade in den Zeiten des Wandels und einer drohenden Abkehr vom freien Welthandel muss auf der Pflege seiner internationalen Beziehungen ein besonderer Fokus liegen. Wichtig ist eine Verstärkung des politischen und wirtschaftlichen Dialogs mit anderen Metropolen und Wirtschaftsräumen, auch um Impulse und Trends für die eigene Standortentwicklung zu bekommen. Eine deutliche Verstärkung und Fokussierung des internationalen Standortmarketings für Hamburg muss hiermit einhergehen.
- Jetzt intensivieren: Hamburgs Stimme überregional kraftvoll vertreten und internationale Beziehungen ausbauen.
2. Energiepolitik ist Wirtschaftspolitik – und muss unabhängig vom Ressort als Standortfaktor gedacht werden
Die zentrale Bedeutung der Energiepolitik für wirtschaftliche Transformation, Standortentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit – insbesondere der Industrie – erfordert eine stärkere wirtschaftspolitische Verankerung. Wirtschaftliche Anforderungen und klimapolitische Ziele müssen gemeinsam gedacht und umgesetzt werden. Dafür braucht es behördenübergreifende Prozesse, eindeutige Zuständigkeiten und gemeinsame Strategien – insbesondere bei Energieinfrastruktur, Versorgungssicherheit, Wasserstoff und dem Ausbau erneuerbarer Energien.
Die Regelungen im Klimaplan sollten praxisnah gestaltet werden, um privatwirtschaftliche Klimaschutzinitiativen zu erleichtern und die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes zu verbessern. Regulatorische Hemmnisse – etwa Denkmalschutzvorgaben bei Photovoltaik oder Sichtachsen bei Windkraftanlagen – müssen abgebaut, Genehmigungsverfahren durch Instrumente wie die Genehmigungsfiktion beschleunigt und privatwirtschaftliche Initiativen besser unterstützt werden. Dazu gehört die Möglichkeit, gemeinsam erneuerbaren Strom zu erzeugen und zu nutzen. Aber auch die Möglichkeit für Unternehmen ihre E-Ladeinfrastruktur für andere zu öffnen, oder der Aufbau eigener Windparks.
- Jetzt handeln: Energiepolitik muss ressortübergreifend verankert, strategisch koordiniert und an den Erfordernissen von Wirtschaft und Standortentwicklung ausgerichtet werden – mit dem Ziel sicherer und grundlastfähiger Stromversorgung sowie verlässlicher und wettbewerbsfähiger Energiepreise.
- Jetzt vorantreiben: Ausbau erneuerbarer Energien konsequent erleichtern und Unternehmenskooperationen ermöglichen.
3. Bürokratieabbau forcieren
Unternehmen leiden unter langwierigen Verwaltungsprozessen. Die Erklärung des Bürokratieabbaus zur „Chefsache“ samt zentraler Steuerung durch die Senatskanzlei ist ein positives Zeichen. Jetzt müssen den Ankündigungen Taten folgen: Vor allem bei der konsequenten Einführung der rechtssicheren Genehmigungsfiktion. Der angekündigte Ausbau von Praxischecks ist richtig – jetzt braucht es Tempo in der Umsetzung. Digitale und KI-gestützte Lösungen müssen Abläufe deutlich beschleunigen. Ein Beschleunigungsimpuls ist auch im Wohnungsbau notwendig. Verfahren müssen gestrafft, das Baugesetzbuch bundesweit reformiert und die Genehmigungsfreistellung in Hamburg auf nahezu alle Gebäudetypen ausgeweitet werden. Auch für Wohnungsbauvorhaben sollte die Genehmigungsfiktion grundsätzlich gelten. Die Zusammenarbeit mit der Immobilienwirtschaft im Rahmen des Bündnisses für Wohnen muss engagiert fortgesetzt werden.
Zugleich müssen die Verfahren zur Gewinnung internationaler Fachkräfte vereinfacht und beschleunigt werden. Die Bearbeitung von Aufenthaltstiteln und Arbeitserlaubnissen muss digitaler, unbürokratischer und schneller erfolgen. Ziel sollte eine Regelbearbeitungsdauer von maximal vier Wochen sein – unterstützt durch eine verbesserte Leistungsfähigkeit im Hamburg Welcome Center (HWC).
- Jetzt Taten sprechen lassen: Rechtssichere Genehmigungsfiktion konsequent einführen.
- Jetzt Wohnungsbau ankurbeln: Genehmigungsverfahren reformieren, Bündnis für Wohnen reaktivieren und Bauprozesse vereinfachen.
- Jetzt beschleunigen: Digitale Verfahren im Hamburg Welcome Center einführen und KI für schnellere Genehmigungen nutzen.
4. Hafen und Infrastruktur zukunftsfähig entwickeln
Der Hafen ist das wirtschaftliche Zentrum unserer Stadt. Seit Jahren verliert er jedoch gegenüber seinen großen Konkurrenten an Boden. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Neben Wettbewerbsnachteilen, die auf Bundesebene dringend behoben werden müssen – etwa durch ein Verrechnungsmodell für die Einfuhrumsatzsteuer und den Abbau regulatorischer Wettbewerbsnachteile – gibt es zahlreiche Stellschrauben auf Landesebene. Der Hafen braucht mehr Dynamik, Wettbewerb und Innovation.
Zentrale Infrastrukturmaßnahmen wie die Köhlbrandquerung und die A26 müssen beschleunigt umgesetzt werden. Hamburg muss zudem sicherstellen, dass geplante Bundesmittel für Infrastrukturprojekte tatsächlich in die Stadt fließen. Dafür braucht es rechtssichere und zügige Planungsverfahren. Gleichzeitig muss das Baustellenmanagement digitalisiert und effizienter organisiert werden – inklusive klarer Kommunikationsstandards und leistungsfähiger Umleitungen.
Eine wesentliche Schwäche des Hamburger Hafens liegt derzeit in den relativ hohen Umschlagskosten. Um diese zu senken und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit zu steigern, muss die Automatisierung im Hafen konsequent vorangetrieben werden. Zudem braucht es dringend mehr internationale Investitionen für mehr Wettbewerb und Dynamik. Hierbei stellt die Verfügbarkeit von attraktiven Logistik- und Innovationsflächen einen Schlüsselfaktor dar. Der Hafenentwicklungsplan des Senats bleibt in diesem Kontext ambitionslos. Zentrale Fragen zur Flächennutzung und Kostenstruktur bleiben unbeantwortet. Hamburgs Hafen braucht eine neue Vision: Der Mittlere Freihafen bietet die Chance hierfür. Durch die Zusammenlegung von Land- und Wasserflächen könnten über 120 Hektar attraktive Gewerbeflächen entstehen – ein starkes Signal für neue Investitionen und die Möglichkeit, den Hafen der Zukunft zu entwickeln und neu zu ordnen.
- Jetzt mutig planen: Flächenpotenziale im Mittleren Freihafen heben und zur Innovationsdrehscheibe entwickeln.
- Jetzt Kosten senken: Automatisierung im Hafen konsequent vorantreiben, um Effizienz zu steigern und Standortnachteile abzubauen.
- Jetzt Infrastruktur sichern: Köhlbrandquerung und A26 zügig realisieren, Planungskapazitäten erhöhen.
5. Innovationsförderung verstärken – „Death Valley“ überwinden
Positiv ist auch, dass der Senat im Koalitionsvertrag Innovationsschwerpunkte setzt, er folgt damit der gemeinsamen Position von Wirtschaft und Wissenschaft. Auch die Zielformulierung, Hamburg zu einem „KI-Hotspot“ zu entwickeln und eine KI-Sandbox mit regulatorischen Freiräumen zu installieren, ist ein richtiger Schritt. Hier braucht es jetzt schnelle und vor allem konkrete Maßnahmen – in enger Abstimmung mit der Wirtschaft. Darüber hinaus sollten die weitaus umfassenderen Sonderinnovationszonen (inkl. Reallaboren) geschaffen werden, um über das Thema KI hinaus neue Technologien zu erproben, die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zu fördern und aus Ideen schneller erfolgreiche Geschäftsmodelle entstehen zu lassen.
Die 2021 verabschiedete Regionale Innovationsstrategie muss – in Anbetracht der rasanten technologischen Entwicklungen, etwa im Bereich KI und Quanten – gemeinsam mit der Wirtschaft inhaltlich zügig aktualisiert und Hamburg als Innovationsstadt international stärker sichtbar gemacht werden. Eine eigenständige, haushaltsunabhängige und umfassende Innovationsförderung – etwa durch die von uns vorgeschlagene eine Zukunftsstiftung – ist überfällig, um das sogenannte „Death Valley“ zwischen Forschung und Marktüberführung zu schließen. Für das Innovations-Ökosystem Hamburgs stellt die Entstehung einer Startup-Factory einen wichtigen ersten Schritt zur Überwindung des „Death Valley“ dar.
Das Hamburger Startup-Ökosystem ist stark, doch es fehlt an Kapital in Wachstumsphasen. Die geplanten Investitionen in die Infrastruktur und Unterstützungssysteme für Startups sind zu begrüßen. Auch das bestehende Innovationsfördersystem im Sinne eines One-Stop-Shops zu bündeln, ist wichtig. Darüber hinaus sollte aber schnellstmöglich ein Venture-Debt-Programm auf den Weg gebracht werden, um junge Unternehmen bis zur Marktreife zu fördern.
- Jetzt aufbauen: Zukunftsstiftung initiieren und innovationspolitische Finanzierung langfristig sichern.
- Jetzt ergänzen: Venture-Debt-Programm auflegen und Innovationsförderung aus einer Hand organisieren.
7. Mai 2025