Gewerberecht

Lebensmittelrecht - Überblick

In der Bundesrepublik gibt es zur Zeit über 700 lebensmittelrechtlich relevante Vorschriften. Dieses Merkblatt kann nur im Überblick die wichtigsten Regelungen geben.
Das in der Bundesrepublik geltende Lebensmittelrecht setzt sich zusammen aus den Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft sowie aus den Gesetzen und Rechtsverordnungen des Bundes und der Länder. EG-Richtlinien stellen kein unmittelbar geltendes Recht dar; sie bedürfen der Umsetzung durch die Gesetzgeber der Mitgliedsstaaten. Erst diese nationalen Vorschriften haben unmittelbare Wirkung für und gegen den Bürger.
Die wichtigsten Rechtsgrundlagen zum Lebensmittelrecht sind abgedruckt bei
Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Sammlung.
Diese fünfbändige Loseblatt-Sammlung befindet sich in unserer Kammer in dem Lesesaal der Commerzbibliothek (Signatur 3 h 6/43). Rechtsakte der Europäischen Union sind über die Internetdatenbank EUR-lex frei recherchierbar. Kostenpflichtig ist das Internetangebot des Hamburger Behr’s Verlag „Lebensmittelrecht online“, über welches auf nationale und EU-Lebensmittelvorschriften zugegriffen werden kann.

1. Grundsätze

Im Lebensmittelrecht gilt der Grundsatz der Herstellungs- und Vermarktungsfreiheit. In der Regel bestehen keine Zulassungs-, Genehmigungs- oder Anzeigepflichten für die Herstellung, den Import oder das Inverkehrbringen von Lebensmitteln. Eine Ausnahme gilt z.B. für „Novel Food“ (siehe dazu unten 8.).
Allgemein gilt im Lebensmittelrecht das Missbrauchsprinzip („Alles ist erlaubt, soweit es nicht verboten ist“). Für bestimmte Bereiche - z.B. für Zusatzstoffe (siehe unten 4a) - gilt abweichend das präventive Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt („Alles was nicht erlaubt ist, ist verboten“) ist.
Europarechtlich festgeschrieben ist die Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 EG-Vertrag): Jegliche mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen oder „Maßnahmen gleicher Wirkungen“ sind verboten. Damit verknüpft ist das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung: Jedes Produkt, das in einem EU-Mitgliedsland rechtmäßig in Verkehr gebracht wurde, ist regelmäßig auch in anderen Mitgliedsstaaten verkehrsfähig, selbst wenn es dortigen nationalen Vorschriften nicht entspricht.

2. Allgemeine Vorschriften

Zentrale gesetzliche Regelung im deutschen Lebensmittelrecht ist das Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) vom 1. September 2005 (BGBl. I S. 2618, 3007), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2147). Das LFGB enthält als Rahmengesetz grundlegende Definitionen für das gesamte deutsche Lebensmittelrecht, Verbote zum Schutz der Gesundheit und vor Täuschung sowie Werbeverbote. Daneben regelt das Gesetz die Durchführung der Lebensmittelüberwachung einschließlich der Entnahme von Proben. Ferner enthält das LFGB neben Straf- und Bußgeldvorschriften Ermächtigungsgrundlagen zum Erlass von Rechtsverordnungen. Der Geltungsbereich des LFGB umfasst neben Lebensmitteln auch Gegenstände, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, sog. Bedarfsgegenstände sowie Vorschriften zur Verwendung von Futtermitteln und kosmetischer Erzeugnisse.

3. Lebensmittelhygiene

Die hygienischen Anforderungen für das gewerbsmäßige Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln - mit Ausnahme des (landwirtschaftlichen) Gewinnens von Lebensmitteln - regelt die Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV) vom 8. August 2007 (BGBl. I S. 1816, 1817). Bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt dürfen hierbei Lebensmittel der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt werden. Zur Begegnung möglicher gesundheitlicher Gefahren muss ein innerbetriebliches Kontrollsystem eingerichtet werden. Die Praxis wendet zur Erfüllung dieser Vorgaben das Verfahren der Hazard Analysis and Critical Control Point (HACCP) an. Hierbei handelt es sich um ein System zur Identifizierung, Bewertung und Beherrschung gesundheitlicher Gefahren. Nach der EG-Verordnung 852/2004 haben Lebensmittelunternehmer ein ständiges Verfahren, das auf den HACCP-Grundsätzen beruht, einzurichten, durchzuführen und aufrecht zu erhalten.

4. Zusätze

a) Zusatzstoffe

Zusatzstoffe sind Substanzen, die Lebensmitteln zur Beeinflussung ihrer Beschaffenheit oder zur Erzielung bestimmter Eigenschaften oder Wirkungen zugesetzt werden („zu technologischen Zwecke“). Zusatzstoffe sind etwa Farbstoffe, Emulatoren, Trennmittel und Stabilisatoren. Zusatzstoffen gleichgestellt sind z.B. Mineralstoffe, Süßstoffe sowie die Vitamine A und D.
Nach § 7 LFGB ist die Verwendung von Zusatzstoffen regelmäßig zulassungsbedürftig. Eine Bestimmung der zulässigen Zusatzstoffe mit Anwendungs- und Mengenbegrenzungen erfolgt durch die Zusatzstoff-Zulassungsverordnung (ZZulV) vom 29. Januar 1998, Verordnung über die Zulassung von Zusatzstoffen zu Lebensmitteln zu technologischen Zwecken. Die ZZulV regelt die Verwendung von Zusatzstoffen für alle Lebensmittel. U.a. bestimmt die Verordnung, welchen Lebensmitteln Konservierungsstoffe zugesetzt werden dürfen. Die ZZulV verpflichtet bei loser Abgabe von Lebensmitteln zur Angabe von Zusatzstoffen auf Speisekarten und Aushängen. Außerhalb der ZZulV gelten spezielle Regelungen z.B. für Trink-, Mineral- und Tafelwasser, Wein und Aromen.
Reinheitskriterien für Zusatzstoffe und den Zusatzstoffen gleichgestellte Stoffe bestimmt die Zusatzstoff-Verkehrsverordnung (ZVerV) vom 29. Januar 1998, Verordnung über Anforderungen an Zusatzstoffe und das Inverkehrbringen von Zusatzstoffen für technologische Zwecke. Daneben legt die ZVerV zulässige Trägerstoffe und Trägerlösungsmittel fest.

b) Zusätze zu ernährungsphysiologischen Zwecken

Die Regeln der ZZulV und der ZVerV gelten grundsätzlich nicht für Zusätze, die wegen ihres Nähr-, Geruchs- oder Geschmackswertes oder als Genussmittel zu ernährungsphysiologischen Zwecken zugefügt werden ("Zusätze für Menschen"). Für diese Zusätze besteht keine einheitliche Regelung, es gelten vielmehr spezielle Einzelregelungen, z.B.:
Aromenverordnung vom 22. Dezember 1981 oder Diätverordnung vom 20. Januar 1963.

5. Rückstände und Schadstoffe

Mehrere Vorschriften beschäftigen sich mit Höchstmengen für Rückstände und Schadstoffe, so beispielsweise die

Rückstands-Höchstmengenverordnung (RHmV)

Verordnung über Höchstmengen an Rückständen von Pflanzenschutz- und Schädlingsbe­kämpfungs­mitteln, Düngemitteln und sonstigen Mitteln in oder auf Lebensmitteln und Tabak­erzeugnissen vom 1. September 1994 (BGBl I. S. 2299).

Tierarzneimittel-Höchstmengenverordnung

Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 zur Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Höchstmengen für Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs vom 26. Juni 1990 (Abl. Nr. L 224/1).
Höchstmengen für Umweltchemikalien (PCB’s, HCB) werden festgelegt in der

Schadstoffhöchstmengenverordnung (SHmV)

Verordnung über Höchstmengen an Schadstoffen in Lebensmitteln vom 23. März 1988 (BGBl I. S. 422).
Für Nitrate und Aflatoxine gilt die

Kontaminanten-Verordnung

Verordnung zur Begrenzung von Kontaminanten in Lebensmitteln vom 19. März 2010 (BGBl. I S. 286, 287), zuletzt geändert durch Artikel 2 der Verordnung vom 24. November 2016 (BGBl. I S. 2656).

Strahlenvorsorgegesetz (StrVG)

Nach § 7 des Strahlenvorsorgegesetzes kann das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen und Futtermitteln durch Rechtsverordnung zur Einhaltung der nach § 6 StrVG bestimmten Kontaminationswerte verboten oder beschränkt  werden. Gem. § 6 StrVG kann das Bundesumweltministerium Dosiswerte, Kontaminationswerte sowie Berechnungsverfahren und Annahmen, die der Bestimmung von Dosiswerten und Kontaminationswerten zugrunde gelegt werden, durch Rechtsverordnung bestimmen.

6. Lebensmittelkennzeichnung

Kennzeichnungspflichten stellt vor allem die am 13. Dezember 2014 in Kraft getretene Lebensmittel-Informationsverordnung Nr. 1169/2011 (LMIV) auf. Daneben ist die (deutsche) Verordnung zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an die Lebensmittel-Informationsverordnung (LMIV AV) am 13. Juli 2017 in Kraft getreten. Die LMIV AV führt eine Verordnung zur Durchführungs unionsrechtlicher Vorschriften betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (LMIDV) ein.
Die LMIV regelt unter anderem Pflichtangaben zu Nähwertdeklaration, Gebrauchsanweisungen und Angaben zum Ursprungsland bei Waren aus dem Ausland. Diese Informationen müssen auf allen vorverpackten Lebensmitteln angebracht sein, auch wenn sie zur Weiterverarbeitung bestimmt sind. Auch für nicht vorverpackte Lebensmittel gelten die Kennzeichnungspflichten der LMIV im Wesentlichen, für sie kommen jedoch gewisse Ausnahmen in Betracht; beispielsweise entfällt für nicht vorverpackte Lebensmittel die Pflicht zur Nährwertkennzeichnung.
Zur Kennzeichnung verpflichtet die LMIV an erster Stelle den Lebensmittelunternehmer, in dessen Namen das Lebensmittel vermarktet wird, oder – wenn dieser nicht in der EU niedergelassen ist – den Importeur. An zweiter Stelle verpflichtet die LMIV den Lebensmittelunternehmer in anderen Vertriebsstufen. Die Lebensmittelunternehmer bzw. Importeure müssen die in der LMIV geregelten Pflichtangaben auf Lebensmittelverpackungen oder auf einem an diesen befestigten Etikett an einer gut sichtbaren Stelle, gut lesbar (Mindestschriftgröße 1,2 mm) und in verständlicher Sprache (deutsch) anbringen.
Für den Internethandel mit Lebensmitteln sieht die LMIV vor, dass die Pflichtangaben dem Verbraucher vor Abschluss des Kaufvertrages verfügbar gemacht werden und auch im Lieferzeitpunkt zur Verfügung stehen.
Verstöße gegen die Kennzeichnungspflichten können von den zuständigen Behörden mit Bußgeldern sanktioniert werden. Zudem drohen bei fehlerhafter Kennzeichnung wettbewerbsrechtliche Abmahnungen durch Mitbewerber.
Bei nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben findet zusätzlich die (EU-)Health-Claims-Verordnung EG 1924/2006 Anwendung. Die Verordnung regelt Kennzeichnungspflichten für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die im Rahmen kommerzieller Mittelungen bzw. Werbung für Lebensmittel gegenüber dem Endverbraucher gemacht werden sollen. Die Verordnung findet sowohl für unverpackte Waren im Handel, im Handwerk und in der Gastronomie Anwendung als auch für unverarbeitete Lebensmittel wie Obst und Gemüse. Bei nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben in diesem Sinne ist eine Nährwertdeklaration verpflichtend.
Im Übrigen sind nach der Los-Kennzeichnungs-Verordnung (LKV) alle Verkaufseinheiten, die unter praktisch gleichen Bedingungen erzeugt, hergestellt oder verpackt wurden (sog. Los), durch eine einheitliche Buchstaben- oder Ziffernkombination zu deklarieren; für verschiedene Einzelfälle sieht die Verordnung auch Ausnahmen von dieser Verpflichtung vor. Sinn dieser Regelung ist es, Rückrufaktionen zu erleichtern.
Ein Hinweis auf eine Herstellung im Rahmen eines ökologischen Landbaus oder einer biologische Landwirtschaft in der Kennzeichnung oder Werbung für ein Erzeugnis darf nur unter den Voraussetzungen der Öko-Verordnung (EWG) Nr. 837/2007 erfolgen. Die Verordnung bestimmt Grundregeln für den ökologischen Landbau und regelt ein Kontroll- und Zertifizierungsverfahren (vgl. Sie für Einzelheiten das Merkblatt zur Kennzeichnung/Bewerbung von Bio-Produkten).
Als diätisches Lebensmittel darf ein Erzeugnis nur dann vermarktet werden, wenn die Vorgaben der Diätverordnung erfüllt sind.

7. Vermarktungsnormen

In Deutschland bestehen u.a. Handelsklassen für Fleisch, Fisch und Eier sowie Obst und Gemüse: Hierbei handelt es sich zum einen um nach dem Handelsklassengesetz vom 15. Dezember 1968 erlassene deutsche Bestimmungen und zum anderen um durch Verordnung der Europäischen Gemeinschaft festgelegte Vermarktungs- und Qualitätsnormen. Eine Übersicht der geltenden Handelsklassen findet sich bei Zipfel/Rathke, Bd. II, C 9 § 1 Rn. 31. Zu unterscheiden sind fakultative Handelsklassen, deren Verwendung freiwillig ist, und obligatorische Handelsklassen. Obligatorische Handelsklassen führen zum Ausschluss derjenigen Produkte vom Verkehr, die nicht die Mindestanforderungen der untersten Klasse erfüllen.

8. Neuartige Lebensmittel ("Novel Food")

Erzeugnisse, die genetisch veränderte Organismen enthalten oder aus solchen bestehen oder die mit Hilfe dieser hergestellt wurden, unterliegen der Novel-Food-Verordnung (EG) Nr. 258/97 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzusätze vom 27.01.1997 (Abl. Nr. L 43/1). Nach Artikel 8 dieser Verordnung besteht für solche Erzeugnisse eine besondere Etikettierungspflicht.
Die Durchführung dieser EG-Verordnung regelt die Verordnung über neuartige Lebensmittel- und Lebensmittelzutaten (NLV) vom 19. Mai 1998.

9. Produktspezifische Bestimmungen

Darüber hinaus existieren für eine Reihe von Lebensmitteln produktspezifische Bestimmungen.
Beispielhaft sei das umfangreiche Weinrecht erwähnt mit der Weinverordnung vom 9. Mai 1995 und mit der Wein-Überwachungsverordnungvom 9. Mai 1995.
Für Fleisch von Bedeutung sind die Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung vom 8. August 2007 (BGBl. I S. 1816, 1828), die Verordnung zur Änderung über die Vorschriften zur Durchführung des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts und die Verordnung (EG) Nr. 854/2004 mit besonderen Verfahrensvorschriften für die amtliche Überwachung von zum menschlichen Verzehr bestimmten Erzeugnissen tierischen Ursprungs.
Für Wasser als Lebensmittel gilt die Verordnung über natürliches Mineralwasser, Quellwasser und Tafelwasser vom 1. August 1984 und die Trinkwasser-Verordnung vom 21. Mai 2001.

10. Ansprechpartner für Fragen im Lebensmittelrecht

Die umfangreiche und komplexe Materie, die das Lebensmittelrecht darstellt, kann schnell zu Verwirrung und weiteren Fragen führen.
In Hamburg ist das Bezirksamt Altona - Fachamt Verbraucherschutz, Gewerbe und Umwelt für die Einhaltung der Lebensmittelüberwachung zuständig. Hier werden nicht nur Verbraucher, sondern auch Unternehmer nicht nur überwacht, sondern auch informiert.
Weitere Informationen kann das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bieten. 
Zusätzlich gibt es eine Reihe von Vereinigungen, die sich mit der Erschließung und Vermittlung des Lebensmittelrechts beschäftigen. Hier sei beispielhaft der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. ( www.BLL.de) zu nennen. Beim BLL erhalten Auskunftssuchende oft kenntnisreiche Informationen. 

Hinweis: Das Merkblatt ist eine Zusammenfassung der rechtlichen Grundlagen, enthält erste Hinweise und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl das Merkblatt mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.