Recht und Steuern

Pflegezeitgesetz

1. Vorbemerkung zum Pflegezeitgesetz

Das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf ist am 1. Januar 2015 in Kraft getreten. Es begründet einen durchsetzbaren Anspruch des Beschäftigten gegen Sie als Arbeitgeber auf (teilweise) Freistellung von der Arbeitsleistung, wenn er gezwungen ist, einen pflegebedürftigen, nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung zu pflegen. Während dieser Zeit genießen die Pflegenden überdies einen besonderen Kündigungsschutz. Nur in Ausnahmefällen kann eine Kündigung von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde für zulässig erklärt werden.

2. Begriffsbestimmungen

a) Wer ist "Beschäftigter" im Sinne des Pflegezeitgesetzes?


Beschäftige sind
  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
  • die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten (dazu gehören auch Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetz sowie Volontäre und Praktikanten)
  • Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten.

b) Wer ist "naher Angehöriger" im Sinne des Pflegezeitgesetzes?


"Nahe Angehörige" sind nach der Gesetzesänderung nunmehr
  • Großeltern, Eltern, Stiefeltern und Schwiegereltern,
  • Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Schwägerinnen und Schwager,
  • Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder sowie die Kinder, Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten oder Lebenspartners, Schwiegerkinder und Enkelkinder.

3. Wann müssen Sie den Beschäftigten nach dem Pflegezeitgesetz freistellen?

a) Bei einem Anspruch auf kurzfristige Freistellung / Leistungsverweigerungsrecht

Sollte die akute Notwendigkeit bestehen, für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen eine bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen, so hat der Beschäftigte das Recht, bis zu 10 Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben. Als pflegebedürftig gelten hierbei Personen, die zumindest Pflegestufe I erfüllen, wobei für die Freistellung bereits eine voraussichtliche Pflegebedürftigkeit ausreicht. Das Recht, der Arbeit fernzubleiben, ist aber auf Akutfälle begrenzt, die also unerwartet und plötzlich auftreten. Da die Notwendigkeit einer pflegerischen Versorgung regelmäßig nur einmal je pflegebedürftigem Angehörigen besteht, wird auch das Recht regelmäßig nur einmal pro Pflegefall ausgeübt werden können. Nach § 2 Abs. 3 Pflegezeitgesetz (PflegeZG) sind Sie während der Abwesenheit des Beschäftigten zur Fortzahlung der Vergütung nur verpflichtet, wenn Sie dies vertraglich vereinbart haben oder die Verpflichtung sich aus anderen Rechtsvorschriften ergibt.
Eine solche Verpflichtung kann sich aus § 616 BGB (vorübergehende Verhinderung) ergeben. Nach dieser Vorschrift wird der Arbeitnehmer seines Anspruchs auf Entgeltzahlung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an seiner Arbeitsleistung verhindert wird. Welcher Zeitraum einer Arbeitsverhinderung als nicht erheblich angesehen wird, kann nicht genau beziffert werden, sondern richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Auch bei einem längeren Dienstverhältnis werden jedoch in der Regel nur wenige Tage als verhältnismäßig nicht erheblich angesehen.
Wichtig! Der Beschäftigte muss Ihnen seine Verhinderung der Arbeitsleistung und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich formlos mitteilen.
Sie können vom Beschäftigten eine ärztliche Bescheinigung verlangen. Diese muss enthalten:
  • Einen Nachweis über die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen und
  • die Erforderlichkeit der Organisation der Pflege oder der Sicherstellung der einer pflegerischen Versorgung.
Für die Zeit der Abwesenheit des Beschäftigten haben Sie die Vergütung nur fortzuzahlen, wenn sich dies aus einschlägigen Regelungen, z. B. aus einem Tarifvertrag oder § 616 BGB ergibt (s.o.).
Wichtig! Der Anspruch auf kurzfristige Freistellung besteht unabhängig von einer bestimmten Belegschaftsgröße und Dauer der Betriebszugehörigkeit.

b) Bei einem Pflegezeitanspruch

In Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten haben Arbeitnehmer einen durchsetzbaren Anspruch auf eine maximal 6-monatige Pflegezeit. Voraussetzung ist, dass sie einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung pflegen. Nach dem Willen des Gesetzgebers zählt zur häuslichen Umgebung nicht nur der Haushalt, in dem der Pflegebedürftige aufgenommen werden soll, sondern insbesondere auch der eigene Haushalt des Pflegebedürftigen selbst. Pflegebedürftigkeit ist dann gegeben, wenn die nahen Angehörigen wegen einer Behinderung oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit für den normalen Alltag voraussichtlich für mindestens 6 Monate in erheblichem Maße Hilfe benötigen und bei ihnen die Pflegestufe I festgestellt wurde. Die Pflegezeit darf also für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen höchstens 6 Monate betragen. Eine zunächst für einen kürzeren Zeitraum in Anspruch genommene Pflegezeit kann unter Zustimmung des Arbeitgebers bis zur Höchstdauer verlängert werden. Unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber hierzu die Zustimmung verweigern kann, ist bisher nicht geklärt. Vorerst müssen Sie daher davon ausgehen, dass Sie die Zustimmung nur aus besonders wichtigen betrieblichen Gründen ablehnen können. Der Beschäftigte hat sogar einen Anspruch auf Verlängerung bis zur Höchstdauer, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann. Ein wichtiger Grund liegt z. B. dann vor, wenn die Person, die die Pflege des pflegebedürftigen Angehörigen übernehmen sollte, selbst schwer erkrankt.
Wichtig! Bei der Berechnung der Anzahl der Beschäftigten sind Teilzeitbeschäftigte und Auszubildende mitzuzählen.
aa) Beginn der Pflegezeit
Der Beschäftigte muss Ihnen die Pflegezeit spätestens zehn Arbeitstage vor Beginn schriftlich ankündigen. Gleichzeitig muss er erklären
  • für welchen Zeitraum und
  • in welchem Umfang
er die Arbeitsfreistellung in Anspruch nehmen möchte. Wenn er nur eine teilweise Arbeitsfreistellung in Anspruch nehmen will, ist die gewünschte Verteilung ebenfalls anzugeben.
Bei teilweiser Freistellung müssen Arbeitgeber und Beschäftigter über die Verringerung und die Verteilung der Arbeitszeit eine schriftliche Vereinbarung treffen. Dabei hat der Arbeitgeber den Wünschen des Arbeitnehmers zur Verteilung zu entsprechen, es sei denn, dass dringende betriebliche Gründe entgegenstehen.
Der Beschäftigte hat die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen. Bei in der privaten Pflege- Pflichtversicherung versicherten Pflegebedürftigen ist ein entsprechender Nachweis zu erbringen.
bb) Ende der Pflegezeit
Die Pflegezeit endet grundsätzlich nach der vereinbarten Zeit. Sollte der nahe Angehörige vorzeitig nicht mehr pflegebedürftig, oder die häusliche Pflege des nahen Angehörigen unmöglich oder unzumutbar sein, endet die Pflegezeit vier Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände. Darüber ist der Arbeitgeber unverzüglich zu unterrichten. Anderenfalls kann die Pflegezeit nur vorzeitig beendet werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt.
cc) Urlaub
Der Arbeitgeber kann den Jahresurlaub für die Dauer der Pflegezeit für jeden vollen Kalendermonat der vollständigen Freistellung um ein Zwölftel kürzen.
Tipp: Weiterführende Informationen zum Thema Urlaub finden Sie im Artikel "Urlaubsrecht".
dd) Sonderkündigungsschutz
Von dem Zeitpunkt des Zugangs der Ankündigung bis zum Ablauf der Pflegezeit bzw. der kurzfristigen Freistellung genießt der Beschäftigte besonderen Kündigungsschutz. Um Sie als Arbeitgeber mit diesem sehr weiten Sonderkündigungsschutz nicht zu überfordern, greift dieser zwar ab Ankündigung der Pflegezeit, frühestens jedoch 12 Wochen vor dem angekündigten Beginn der Pflegezeit. Möchte der Arbeitgeber dennoch kündigen, muss er vorher die Zustimmung bei der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle einholen.
c) Bei einem Anspruch auf Betreuung eines Minderjährigen
Neu ist seit dem 01. Januar 2015, dass der Beschäftigte nunmehr auch einen Anspruch auf Freistellung zur Betreuung eines minderjährigen pflegebedürftigen nahen Angehörigen geltend machen kann. Bei dieser Minderjährigenbetreuung wird keine Pflegeleistung des Beschäftigten verlangt. Vielmehr wird eine Freistellung für die Betreuung pflegebedürftiger Kinder ermöglicht. Darüber hinaus muss diese Betreuung auch nicht in häuslicher Umgebung erfolgen, sondern kann ebenso außerhäuslich erfolgen.
d) Bei einem Anspruch auf Sterbebegleitung
Gänzlich neu ist seit dem 01. Januar 2015 die Möglichkeit, ganz oder teilweise von der Arbeitsleistung freigestellt zu werden, um einem nahen Angehörigen in der letzten Lebensphase Beistand zu leisten. Dieser Anspruch ist jedoch beschränkt auf eine Höchstdauer von drei Monaten. Er setzt eine fortschreitend verlaufende Erkrankung voraus, die ein weit fortgeschrittenes Stadium bereits erreicht hat, bei der eine Heilung ausgeschlossen und eine palliativmedizinische Behandlung notwendig ist. Weiter darf nur noch eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten zu geben sein.

4. Sozialversicherungspflicht

a) kurzzeitige Arbeitsverhinderung
Wenn Sie nicht zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sind, entfällt für Sie auch die Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge. Für den Arbeitnehmer bleibt der Versicherungsschutz unter gewissen Voraussetzungen bestehen.
b) Pflegezeit
Sie müssen für die Zeit der Pflegezeit nicht für die Sozialversicherungsbeiträge aufkommen. Während dieser Zeit werden die Beiträge zur Renten- sowie zur Arbeitslosenversicherung in der Regel durch die Pflegeversicherung übernommen. Der Schutz in der Kranken- und Pflegeversicherung besteht meist über eine Familienversicherung. Ansonsten hat der Beschäftigte die Möglichkeit sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern.

5. Pflegezeit als Sachgrund für befristete Verträge mit Ersatzkräften

Für die Dauer einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung oder der Pflegezeit einer Arbeitnehmerin/eines Arbeitnehmers dürfen Sie befristet eine andere Arbeitnehmerin oder einen anderen Arbeitnehmer einstellen. Zur Einarbeitung des neuen Mitarbeiters darf die Befristung die Zeit der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung oder der Pflegezeit überschreiten.
Wichtig ist, dass Sie die Voraussetzungen für eine wirksame Befristung des Arbeitsverhältnisses einhalten. Sie müssen einen schriftliche Befristungsabrede schließen, in dem Sie die Dauer der Befristung angeben. Sie können die Befristung nach dem Kalender bestimmen oder den Zweck der Vertretung (Vertretung wegen kurzzeitiger Arbeitsverhinderung oder wegen Pflegezeit) angeben. Eine entsprechende Abrede müssen Sie mit dem Arbeitnehmer unbedingt vor Arbeitsantritt abschließen. Anderenfalls handelt es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis!
Nach dem Pflegezeitgesetz können Sie den befristeten Arbeitsvertrag unter Einhaltung von zwei Wochen kündigen, wenn die Pflegezeit vorzeitig beendet wird. Das Kündigungsschutzgesetz findet in diesen Fällen für den befristet Beschäftigten keine Anwendung. Zwischen den Parteien kann hinsichtlich der Kündigungsmodalitäten indes eine andere Regelung vereinbart werden.
Weitere Einzelheiten zur Befristung eines Arbeitsvertrags entnehmen Sie bitte unserem verlinkten Merkblatt Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse.

6. Beratungsangebote durch Arbeitgeberverbände

In arbeitsrechtlichen Fragen gibt es eine gesetzlich vorgegebene Arbeitsteilung zwischen unserer Handelskammer und den Arbeitgeberverbänden. Wir können Ihnen allgemeine Fragestellungen summarisch beantworten. Sobald Sie jedoch verbindliche Auskünfte oder prozessuale Unterstützung benötigen, sollten Sie die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband in Erwägung ziehen. Unabhängig von konkreten Fragestellungen kann Ihnen die Einbindung in einen Arbeitgeberverband hilfreiche Informationsvorteile bieten. Darüber hinaus können Sie sich auch an eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt wenden. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer hat einen kostenlosen Anwalt-Suchdienst eingerichtet und benennt Ihnen bis zu drei Anwälte mit dem gewünschten Interessenschwerpunkt (Tel.: 3574410, Montag bis Donnerstag von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr und Freitag von 9.00 Uhr bis 17.00 Uhr).

Hinweis: Diese Informationen sollen Ihnen nur erste Hinweise geben und erheben daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurden, kann eine Haftung für die inhaltliche Richtigkeit nicht übernommen werden.