Steuerliche Regelung

Baubranche: Leistungsempfänger als Umsatzsteuerschuldner

Grundsätzlich hat der Unternehmer, der eine Leistung erbringt, die Umsatzsteuer zu berechnen und abzuführen. Schon bisher galt jedoch, dass in bestimmten Fällen der inländische Leistungsempfänger zur Zahlung der Umsatzsteuer für ausländische Leistungserbringer verpflichtet ist (§ 13 b Umsatzsteuergesetz - UStG).
Das Haushaltsbegleitgesetz 2004 hat nun diese Steuerschuldumkehr auf Leistungsbeziehungen zwischen inländischen Unternehmern in der Baubranche erweitert. Betroffen sind Unternehmer, die Werklieferungen und sonstige Leistungen tätigen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, wenn sie derartige Leistungen durch andere (Sub-) Unternehmer ausführen lassen.
Die Neuregelung des § 13 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG ist seit 1. 4. 2004 in Kraft. Sie beruht auf Art. 14 Nr. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 vom 29. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3076). Das Bundesfinanzministerium hat in zwei Schreiben vom 31. März 2004 (Gz. IV D 1 – S 7279 – 107/04) und vom 2. Dezember 2004 (Gz. IV A 76 S 7279 – 100/ 04) den Anwendungsbereich der Neuregelung konkretisiert. Beide BMF–Schreiben enthalten zahlreiche und detaillierte Beispiele sowie Beispielsfälle, wobei das BMF-Schreiben vom 02.12.04 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 50 KB) (11 Seiten) das BMF-Schreiben vom 31.03.04 (nicht barrierefrei, PDF-Datei · 195 KB) ergänzt, erläutert und erweitert. Die Finanzverwaltung hat in einem Merkblatt Grundsätze zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft dargestellt.

1. Was sind Hintergrund und Inhalt der Neuregelung?

Die Neufassung des § 13 b UStG dient der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges. Es soll verhindert werden, dass der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer an den Leistungserbringer zahlt und als Vorsteuer geltend macht, der Leistungserbringer aber die vereinnahmte Umsatzsteuer nicht an das Finanzamt abführt.
Durch die Steuerschuldumkehr ist nunmehr der inländische Leistungserbringer verpflichtet, seine Leistung netto zu berechnen, während der Leistungsempfänger verpflichtet ist, die auf den in Rechnung gestellten Nettobetrag anfallende Umsatzsteuer im Rahmen seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung anzumelden und an das Finanzamt abzuführen.
Beispiel: Bauunternehmer U errichtet ein Mehrfamilienhaus. Die Dachdeckerarbeiten führt er nicht selbst aus, sondern beauftragt den Dachdeckermeister D zum Festpreis von 10.000,- € netto.
Der Dachdeckermeister D hat in diesem Fall eine Rechnung über den Nettobetrag in Höhe von 10.000,- € ohne Umsatzsteuerausweis zu erstellen; er muss jedoch in der Rechnung auf die Steuerschuldnerschaft des U hinweisen.
Der Bauunternehmer U ist verpflichtet, die Umsatzsteuer i.H.v. 19 % = 1.900,- € im Rahmen seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung anzumelden und an das Finanzamt abzuführen; soweit U vorsteuerabzugsberechtigt ist, kann er gleichzeitig einen entsprechenden Betrag als Vorsteuer geltend machen.

2. Welche Bauleistungen sind erfasst?

Zur Steuerschuldumkehr kommt es nur bei bestimmten Bauleistungen. Der Begriff der Bauleistung wird dabei in dem neuen § 13 b UStG eigenständig definiert und ist nicht mit der Regelung zur Bauabzugssteuer (§ 48 Einkommensteuergesetz - EStG) identisch:
Als Bauleistung im Bereich des § 13 b UStG gelten alle Werklieferungen und sonstigen Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
Der Begriff des Bauwerkes ist weit auszulegen und umfasst nicht nur Gebäude, sondern sämtliche aus Baustoffen oder Bauteilen hergestellte Anlagen, sofern sie nur mit dem Erdboden verbunden sind oder auf ihm ruhen.
Der Bauleistungsbegriff des § 13 b UStG unterliegt allerdings einer dreifachen Einschränkung:
  1. Die Leistung muss sich unmittelbar auf die Substanz des Bauwerks auswirken, d.h. es muss eine Substanzerweiterung, Substanzverbesserung, Substanzbeseitigung oder Substanzerhaltung bewirkt werden.
  2. Ausdrücklich ausgenommen vom Begriff der Bauleistung sind Planungs- und Überwachungsleistungen. Deshalb fallen die ausschließlich planerischen Leistungen insbesondere von Architekten, Ingenieuren und Statikern ebenso wenig unter die Neuregelung wie etwa Labordienstleistungen oder reine Leistungen zur Bauüberwachung, zur Prüfung von Bauabrechnungen und zur Durchführung von Bauausschreibungen und Vergaben.
  3. Für Reparatur- und Wartungsarbeiten gilt eine Bagatellgrenze. Übersteigt das Netto-Entgelt eines einzelnen Umsatzes 500,- € nicht, bleibt es bei der Steuerschuld des Leistungserbringers (ebenso bleibt der Leistungserbringer einer reinen Wartungsleistung auch oberhalb von 500,- € umsatzsteuerpflichtig, da sich eine reine Wartungsleistung nicht auf die Substanz des Bauwerks auswirkt). Die Bagatellregel soll der Erleichterung der Abgrenzungsfragen bei Wartung und Reparaturen dienen. Sie ist grundsätzlich nicht anwendbar bei Anbauten, Neubauten, Erweiterungen, Abriss u.ä., da es sich dabei um Leistungen der Herstellung oder Beseitigung, nicht aber der Reparatur eines Bauwerkes handelt. Mit BMF-Schreiben vom 2. Dezember 2004 wird klargestellt, dass ein Unterschreiten der Bagatellgrenze nicht dazu führt, dass dem Rechnungssteller ein Wahlrecht hinsichtlich der Steuerschuldnerschaft zusteht.
Beispiele: Zu den von § 13 b UStG erfassten Bauleistungen gehören (die Aufzählung ist beispielhaft und nicht abschließend):
  • der Einbau von Fenstern und Türen, Bodenbelägen, Aufzügen, Rolltreppen und Heizungsanlagen, aber auch von Einrichtungsgegenständen, wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden werden, wie z.B. Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen und Gaststätteneinrichtungen;
  • Reparaturleistungen und andere Erhaltungsaufwendungen, wenn sie sich auf die Substanz des Bauwerks auswirken und die Bagatellgrenze von 500,- € übersteigen;
  • Erdarbeiten im Zusammenhang mit dem Erstellen eines Bauwerkes, die Installation einer Lichtwerbeanlage und die Dachbegrünung eines Bauwerkes;
  • Hausanschlüsse von Versorgungsunternehmen, solange es sich dabei um eine eigenständige Leistung handelt;
  • Künstlerische Arbeiten, wenn sie sich unmittelbar auf die Substanz des Bauwerks auswirken und der Künstler das Werk auch selbst ausführt. Stellt der Künstler lediglich Ideen oder Planungen zur Verfügung oder überwacht er nur die Ausführung fremder Arbeiten, liegt keine Bauleistung des Künstlers im Sinne des § 13 b UStG vor;
  • Reinigungsleistungen, bei denen die zu reinigende Oberfläche verändert wird, z.B. eine Fassadenreinigung, bei der die Oberfläche abgeschliffen oder mit Sandstrahl bearbeitet wird.
  • Werden EDV- oder Telefonanlagen fest mit dem Bauwerk verbunden, in das sie eingebaut werden, liegt eine Bauleistung im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG vor. Die Lieferung von Endgeräten ist dagegen keine Bauleistung im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 UStG.
Nicht von § 13 b UStG erfasst sind (Aufzählung nicht abschließend):
  • Materiallieferungen, z.B. von Baustoffhändlern oder Baumärkten. Dies gilt auch, wenn der liefernde Unternehmer die Sache selbst herstellt, es sei denn, er baut sie auch selbst in das Bauwerk ein;
  • Anlieferung von Beton, solange der Beton nicht durch den Anliefernden selbst verarbeitet wird;
  • Lieferung von Wasser und Energie;
  • Zurverfügungstellen von Betonpumpen und anderen Baugeräten, es sei denn, es wird zugleich Bedienungspersonal für substanzverändernde Arbeiten zur Verfügung gestellt;
  • Aufstellen eines Gerüstes, von Material- und Bürocontainern sowie von mobilen Toilettenhäusern;
  • Entsorgung von Baumaterialien (Schuttabfuhr durch Abfuhrunternehmer);
  • Anlegen und Pflege einer Grundstücksbepflanzung (Ausnahme: Dachbegrünungen);
  • Arbeitnehmerüberlassungen, auch wenn die überlassenen Arbeitnehmer Bauleistungen erbringen;
  • die bloße Reinigung von Räumlichkeiten oder Flächen, z.B. von Fenstern (Grenze: Substanzveränderungen).
  • die Vermietung von Baukränen mit Personal ,wenn nicht substanzverändernde Arbeiten durchgeführt werden (so das Bundesministerium der Finanzen in einem Schreiben auf einen Anfrage vom 18.06.2004)

3. Für wen gilt die Steuerschuldumkehr?

Betroffen von der Neuregelung sind nur Unternehmen, die selbst "nachhaltig" Bauleistungen im Sinne von § 13 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG erbringen. Davon ist auszugehen, wenn
  • der Leistungsempfänger im vorangegangenen Kalenderjahr oder im laufenden Jahr bereits Bauleistungen erbracht hat (nicht: erbringen wird). Dies ist der Fall, wenn mehr als 10 % der steuerbaren Umsätze auf Bauleistungen entfallen
    oder wenn
  • der Leistungsempfänger dem leistenden Unternehmen eine im Zeitpunkt der Ausführung des Umsatzes gültige Freistellungsbescheinigung nach § 48 b EStG vorlegt.
In diesen Fällen unterliegt der Leistungsempfänger selbst dann der Neuregelung, wenn die Leistung für den nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird.
Unternehmer, die eine Bauleistung für Dritte besorgen, erbringen selbst eine Bauleistung, es sei denn, es handelt sich um eine reine Bauträgerleistung, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fällt.
Wohnungseigentümergemeinschaften unterfallen der Neuregelung nicht, wenn sie die an sie erbrachten Bauleistungen nach § 4 Nr. 13 UStG umsatzsteuerfrei an die einzelnen Wohnungseigentümer weiter geben.

4. Worauf sollte ein Leistungsempfänger von Bauleistungen achten?

Der Besteller/Auftraggeber einer Bauleistung sollte ab dem 1. April 2004 prüfen, ob er in den persönlichen Anwendungsbereich der Neuregelung fällt, ob er also nachhaltig Bauleistungen im Sinne des neuen § 13 b UStG erbringt (siehe dazu 3. "Für wen gilt die Steuerschuldumkehr?") oder eine Freistellungsbescheinigung nach § 48 b EStG vorlegen kann und will;
wenn dies zu bejahen ist:
  • seine Eigenschaft als Bauleistender gegenüber dem Leistenden anzeigen, damit dieser Rechnungen über Bauleistungen ohne Umsatzsteuer ausstellen kann;
  • sämtliche Eingangsrechnungen, auch solche über private Aufträge, darauf prüfen, ob die der Neuregelung unterliegenden Bauleistungen (siehe dazu 2. "Welche Bauleistungen sind erfasst?") "netto" berechnet sind, da sonst die Umsatzsteuer doppelt geschuldet wird;
  • in Zweifelsfällen versuchen, eine einvernehmliche Steuerschuldumkehr zu vereinbaren, da die in Zweifelsfällen einvernehmlich vereinbarte Anwendung der Steuerschuldumkehr nicht beanstandet wird, sofern die Leistung zutreffend vom Leistungsempfänger versteuert wird.
Den Leistungsempfänger, der in den Anwendungsbereich der Neuregelung fällt, trifft dann die Pflicht, sämtliche ihm in Rechnung gestellte Beträge über Bauleistungen im Rahmen seiner eigenen Umsatzsteuer-Voranmeldung und der Umsatzsteuererklärung anzumelden und die darauf entfallende Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen. Er bleibt dabei zum Vorsteuerabzug berechtigt.

5. Worauf sollte ein Leistungserbringer von Bauleistungen achten?

Der Bauleistende oder über Bauleistungen Abrechnende sollte ab dem 1. April 2004:
  • im Einvernehmen mit dem Leistungsempfänger die Steuerschuldumkehr anwenden, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung der Neuregelung vorliegen;
  • bei einer Rechnung über Bauleistungen, die ohne Umsatzsteuer ausgestellt wird, auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers hinweisen;
  • beachten, dass Rechnungen über Reparaturen und Wartungsarbeiten ohne Substanzeingriff bis zu einem Nettobetrag von 500,- € immer mit Umsatzsteuer auszustellen sind;
  • in Zweifelsfällen, bei denen eine Steuerschuldumkehr einvernehmlich vereinbart wurde, die Versteuerung beim Leistungsempfänger kontrollieren.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach über den IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
Stand: Januar 2007