Steuerinfo September 2024

Fortführung des Gewerbeverlustes einer Kapitalgesellschaft bei einem Asset Deal

Mit Urteil vom 25. April 2024. hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass die Unternehmensidentität im Falle eines Asset Deals bei einer Kapitalgesellschaft unberührt bleibt (Az.: III R 30/21).
Die Klägerin, eine GmbH, wurde Gesamtrechtsnachfolgerin einer GmbH & Co. KG. Bis dahin war sie alleinige Kommanditistin mit 100 Prozent Kapitalanteil. Vor der Verschmelzung der Komplementärin auf die KG wurde ein Gewerbeverlust (§ 10a GewStG) für die KG festgestellt. Nach der Verschmelzung bestand die KG nicht mehr fort, da ihr Vermögen im Wege der Anwachsung auf die Klägerin übergegangen war.
In der Folgezeit veräußerte die Klägerin ihr operatives Geschäft zu Buchwerten (Asset Deal) an eine andere GmbH. Danach änderte sie ihren Unternehmensgegenstand. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass durch den Asset Deal die Unternehmensidentität verloren gegangen und daher der gewerbesteuerliche Verlustvortrag entfallen sei.
Dem traten das Finanzgericht Sachsen (Az.: 5 K 114/119) und nun der Bundesfinanzhof (BFH) entgegen. Die Veräußerung des Geschäftsbetriebes ändere nichts daran, dass die bei der Klägerin verbliebene Unternehmenstätigkeit nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Gewerbesteuergesetz (GewStG) weiterhin in vollem Umfang als einheitlicher und zugleich identischer Gewerbebetrieb gelte. Insbesondere läge keine Einstellung des Gewerbebetriebes durch den Asset Deal vor.
Die Unternehmensidentität, die für die Fortführung des Gewerbeverlustes nötig ist, ist im vorliegenden Fall nicht berührt, da diese bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich unproblematisch ist. Denn die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG stets und in vollem Umfang ein Gewerbebetrieb.
Daran ändere auch die vollzogene Anwachsung nichts, so der BFH. Das Thema ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum umstritten. Zum Teil wird vertreten, dass das übergehende, verlustverursachende Unternehmen unverändert fortgeführt werden müsse. Nach der Gegenmeinung komme es bei Kapitalgesellschaften nicht auf das Merkmal der Unternehmensidentität an.
Letzterer Ansicht schloss sich der BFH an. Der Ursprung des Gewerbeverlustes bei einer Personengesellschaft berühre nicht die Unternehmensidentität der Kapitalgesellschaft. Dafür spräche der Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewerbebetriebes einer Kapitalgesellschaft.

Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.) wird ausgerollt

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 21. August 2024 den Verordnungsentwurf zur Einführung einer Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.) veröffentlicht. Nach der ausstehenden Zustimmung des Bundesrates könnten daher schon im Oktober 2024 die Wirtschafts-Identifikationsnummern an die ersten Unternehmen verteilt werden.
Die Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.) ist eine eindeutige Identifikationsnummer, die gem. § 139c AO allen wirtschaftlich Tätigen in Deutschland zugewiesen wird. Diese betrifft Unternehmen aller Rechtsformen (natürliche Personen, die wirtschaftlich tätig sind, juristische Personen, Personenvereinigungen etc.). Ziel ist es, die Kommunikation zwischen den wirtschaftlich Tätigen und Behörden sowie zwischen den Behörden untereinander zu vereinfachen. Die W-IdNr. ist zudem als bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer im Sinne des Unternehmensbasisdatenregistergesetzes (UBRegG) für Unternehmen vorgesehen.
Die W-IdNr. setzt sich aus den Buchstaben “DE“ und neun Ziffern zusammen, wird jedoch zusätzlich um ein fünfstelliges Unterscheidungsmerkmal ergänzt. In ihrem Aufbau entspricht sie mithin der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.), wobei sie diese nicht ersetzt.
Die Einführung der W-IdNr. als ein bundeseinheitliches, dauerhaftes und unveränderliches Identifikationsmerkmal zur eindeutigen Identifizierung von wirtschaftlich Tätigen stellt einen wichtigen Schritt zur weiteren Digitalisierung von Verwaltungsverfahren dar. Sowohl Unternehmen als auch Verwaltung können – bei einer praxisgerechten und effizienten Ausgestaltung dieser Prozesse – von einer Beschleunigung der Verfahren und damit einer früheren Rechts- und Planungssicherheit profitieren.
Zuständig für die Vergabe und Verwaltung der W-IdNr. ist das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), welches auf seiner Homepage umfangreiche Informationen sowie einen FAQ-Katalog bereitgestellt hat (LINK BZSt).
Die Vergabe durch das BZSt erfolgt gestuft, wobei eine Antragstellung durch die Unternehmen nicht erforderlich ist.

Stufe 1

Unternehmen, welche bereits eine USt-IdNr. besitzen, wird diese als W-IdNr. automatisch und durch öffentliche Bekanntmachung zu einem in der Bekanntmachung festgelegten Stichtag zugeteilt. Die öffentliche Bekanntmachung wird voraussichtlich im Oktober 2024 im Bundessteuerblatt I (BStBl. I) veröffentlicht. Ein gesondertes Schreiben an die betroffenen Unternehmen oder steuerlichen Berater erfolgt nicht.

Stufe 2

Unternehmen, die bislang noch keine USt-IdNr. besitzen, jedoch umsatzsteuerlich erfasst oder als Kleinunternehmer registriert sind, wird die W-IdNr. voraussichtlich ab November 2024 im Wege einer elektronischen Mitteilung zugewiesen. Erforderlich ist, dass die Unternehmen über ein ELSTER-Benutzerkonto verfügen. Haben Unternehmen ihrem steuerlichen Berater eine Bekanntgabevollmacht erteilt, erfolgt die Mitteilung an diesen.

Stufe 3

Bei allen anderen wirtschaftlich Tätigen erfolgt die elektronische Zuteilung der W-IdNr. voraussichtlich ab dem III. Quartal 2025 und soll im Jahr 2026 abgeschlossen werden.
Hinweis: Die W-IdNr. wird bis 2025 mit dem fünfstelligen Unterscheidungsmerkmal 00001 zugeteilt. Werden mehrere wirtschaftliche Tätigkeiten ausgeübt, wird das BZSt ab 2026 weitere Unterscheidungsmerkmale vergeben und die Betroffenen hierüber informieren.

Corona-Wiederaufbau: Rechnungshof kritisiert langsame Mittelverwendung

Die Prüfer des Europäischen Rechnungshofes (EuRH) haben am 2. September einen Sonderbericht vorgelegt. Darin kritisieren sie die zu langsame Verwendung von Corona-Hilfsgeldern. Zugleich warnen sie auch vor weiteren Verzögerungen bei der Inanspruchnahme dieser Gelder vor dem Auslaufen des Fonds zum Jahresende 2026.
Die im Februar 2021 eingerichtete Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) finanziert Reformen und Investitionen in den EU-Ländern, beginnend mit dem Ausbruch der Pandemie im Februar 2020 und endend im August 2026. Sie konzentriert sich auf sechs Schwerpunktbereiche, darunter die grüne und die digitale Transformation. Die Länder können die Gelder auf der Grundlage der von ihnen erzielten Fortschritte erhalten.
Laut Bericht haben von den ausgezahlten Mitteln in Höhe von 213 Milliarden Euro weniger als die Hälfte die vorgesehenen Endempfänger, zum Beispiel Schulen, Energieunternehmen oder KMU überhaupt schon erreicht. Grund dafür ist offenbar, dass der Begriff "final recipient" von den Beteiligten unterschiedlich ausgelegt wird: Für manche bezieht er sich auf Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen, also solche, die Fördermittel beziehen und damit arbeiten. Andere hingegen beziehen den Begriff auf Regierungsstellen oder Verwaltungsbehörden, die solche Fördermittel bewilligen.
Selbst die Einreichung von Zahlungsanträgen bei der Kommission sei schon mit zum Teil erheblicher Verspätung erfolgt. Hierbei spielten Personalengpässe oder unterbrochene Lieferketten ebenso eine Rolle wie die Inflation oder Unsicherheiten bei der Auslegung von (Umwelt-) Vorschriften. Bis Ende 2023 hatten die Mitgliedstaaten nur 70 Prozent der ursprünglich angestrebten Auszahlungsanträge eingereicht und dabei im Schnitt auf 16 Prozent der ihnen zustehenden (Kredit-) Summen verzichtet. Zum gleichen Zeitpunkt waren nur 30 Prozent der Meilensteine und Zielvorgaben erfüllt worden. Sieben Mitgliedstaaten hatten bei Erstellung des EuRH-Berichts überhaupt noch keine Auszahlungen erhalten. Zum Teil geschah dies, weil sie vorgetragene Fortschritte nicht nachweisen konnten.
Als besonders problematisch sehen die Rechnungsprüfer an, dass die Vorschriften der ARF keine Rückforderung von Mitteln vorsehen, wenn Meilensteine und Zielvorgaben zwar erfüllt werden, bestimmte Maßnahmen aber nicht zu Ende geführt werden. Für ihren Sonderbericht führten die Prüfer Vor-Ort-Termine in Spanien, Italien, der Slowakei und Rumänien durch.

Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit: Welche Feiertagsregelung gilt?

Ein Beschäftigter, der regelmäßig in Nordrhein-Westfalen arbeitet, bekommt den Feiertagszuschlag, wenn er für seinen Arbeitgeber während eines gesetzlichen Feiertags in NRW in einem anderen Bundesland tätig ist, das diesen Feiertag nicht hat. Für die Steuerpflichtigkeit ist auf den Arbeitsort abzustellen.
Ein Techniker, der an einem Klinikum in Nordrhein-Westfalen arbeitete, nahm vom 1. bis 5. November 2021 – auch an Allerheiligen – an einer Fortbildungsveranstaltung in Hessen teil. In Nordrhein-Westfalen ist Allerheiligen ein gesetzlicher Feiertag, in Hessen hingegen nicht. Der Techniker bestand auf einem Feiertagszuschlag, der ihm an seinem Arbeitsort zustand, da die Fortbildung als Arbeit galt. Der Arbeitgeber nahm eine zehnstündige Zeitgutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto vor, zahlte aber keinen Feiertagszuschlag. Das Bundesarbeitsgericht gab schließlich dem Techniker Recht: Arbeitsrechtlich bestehe ein Anspruch auf den Feiertagszuschlag, da der regelmäßige Beschäftigungsort in Nordrhein-Westfalen gelegen habe.
Steuerrechtlich ist hingegen seit den Lohnsteuer-Richtlinien 2023 für die Beantwortung der Frage, ob ein gesetzlicher Feiertag vorliegt, auf den Ort abzustellen, an dem der Arbeitnehmer jeweils beruflich tätig wird. Das war im oben genannten Streitfall in Hessen so. Mithin war der arbeitsrechtlich zu zahlende Feiertagszuschlag steuer- und beitragspflichtig.

Weiterbeschäftigung des Geschäftsführers neben Pensionszahlung

Mit Urteil vom 15. März 2023 (Az. I R 41/19) hat sich der Bundesfinanzhof der Frage angenommen, unter welchen Versorgungszahlungen an einen Gesellschafter-Geschäftsführer, der nach Eintritt des Versorgungsfalls weiterhin als Geschäftsführer tätig ist, als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu werten sind.
Der BFH bestätigte die vorhergehende Rechtsprechung, dass die steuerliche Anerkennung einer Pensionszusage zugunsten eines Gesellschafter-Geschäftsführers nicht an die Verpflichtung zum Ausscheiden des Versorgungsempfängers geknüpft sein muss.
Folgerichtig urteilte der BFH am 15. März 2023, dass keine gesellschaftliche Veranlassung – und damit keine verdeckte Gewinnausschüttung – in der Pensionszahlung liegt, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer nach Eintritt des Versorgungsfalls weiterbeschäftigt wird und nur ein reduziertes Gehalt erhält. Voraussetzung ist allerdings, dass das Gehalt die Differenz zwischen der Versorgungszahlung und den letzten Aktivbezügen nicht überschreitet.
Damit stellte sich der BFH gegen die Ansicht der Finanzverwaltung in Rn. 10 des BMF-Schreibens vom 18. September 2017 (BStBl. I 2017, 1293), wonach die parallele Zahlung von Geschäftsführergehalt in der Auszahlungsphase der Pension – sowohl bei einem beherrschenden als auch bei einem nicht beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer – zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt, soweit das Aktivgehalt nicht auf die Pensionsleistung angerechnet wird.
Rn. 10 des BMF-Schreibens ist nun durch BMF-Schreiben vom 30. August 2024 wie folgt geändert worden: “Wird nach dem Eintritt des Versorgungsfalles (Auszahlungsphase) neben der Versorgungsleistung bei voller Weiterbeschäftigung als Geschäftsführer für diese Tätigkeit lediglich ein reduziertes Gehalt gezahlt, liegt nach der Maßgabe eines hypothetischen Fremdvergleichs regelmäßig keine gesellschaftliche Veranlassung vor, soweit die Gehaltszahlung die Differenz zwischen der Versorgungszahlung und den letzten Aktivbezügen nicht überschreitet … .“
Der BFH ließ die Frage unbeantwortet, wie bei einer reduzierten Arbeitszeit des Geschäftsführers im Weiterbeschäftigungszeitraum zu verfahren sei. Die Finanzverwaltung hält deshalb an ihrer Auffassung fest, dass eine Teilzeittätigkeit nicht mit dem Aufgabenbild eines Geschäftsführers vereinbar sei: „Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist auch dann zu bejahen, wenn das Aktivgehalt und die Arbeitszeit nach Eintritt des Versorgungsfalls deutlich reduziert werden, da eine “Teilzeittätigkeit“ mit dem Aufgabenbild eines Gesellschafter-Geschäftsführers nicht vereinbar ist.“
Das BMF-Schreiben ist in allen offenen Fällen anwendbar. 2024-08-30-geschaeftsfuehrergehalt-und-pension.pdf

Reform des Rechtsschutzsystems der Europäischen Union

Seit dem 1. September 2024 bekommt das Europäische Gericht erste Mehrwertsteuer-Vorabentscheidungsersuchen zur Entscheidung zugeleitet.
Zu Beginn dieses Monats ist eine weitreichende Änderung der Satzung des Gerichtshofs der EU in Kraft getreten. Sie führt dazu, dass in Zukunft ein Teil der Befugnisse des Gerichtshofs zur Vorabentscheidung auf das Gericht übertragen wird, und zwar in Bezug auf folgende sechs Rechtsgebiete: gemeinsames Mehrwertsteuersystem; Verbrauchsteuern; Zollkodex; Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Flug- und Fahrgäste im Fall der Nichtbeförderung/ Verspätung oder Annullierung von Transportleistungen; die zolltarifliche Klassifizierung von Waren und den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten (EU-ETS).
Künftig sind sämtliche Vorabentscheidungsersuchen beim Gerichtshof einzureichen, damit dieser prüft, ob das Ersuchen ausschließlich in eines oder mehrere der oben festgelegten besonderen Sachgebiete fällt und folglich dem Gericht zugewiesen werden kann. Im Interesse von Rechtssicherheit und Transparenz wird er seine Entscheidung begründen. Ebenfalls aus Transparenzgründen werden nun sämtliche Vorabentscheidungsersuchen dem Europäischen Parlament, dem Rat der EU und der Europäischen Zentralbank mitgeteilt. Sie sollen so in die Lage versetzt werden besser zu beurteilen, ob sie ein besonderes Rechtsschutzinteresse haben und dem Verfahren gegebenenfalls beitreten möchten.
Die Satzungsänderung soll auch das Rechtsmittelverfahren gegen Entscheidungen des Gerichts neu regeln. So wird das so genannte Zulassungsverfahren auf weitere Sachgebiete ausgedehnt, in denen bereits eine vorgelagerte zweite fachliche Prüfung stattgefunden hat, zum Beispiel durch die jeweilige Beschwerdekammern der EU-Aufsichtsbehörden für Banken, Versicherungen oder Wertpapiere (EBA, ESMA, EIOPA). Im Ergebnis soll sich der Gerichtshof auf solche Rechtsmittel konzentrieren können, die wichtige Rechtsfragen aufwerfen.
Ziel dieser Reform ist es, die Arbeitsbelastung des Gerichtshofs im Bereich der Vorabentscheidungen und seine Verfahrensdauern zu reduzieren. So soll das Rechtschutzsystem bei der Anwendung und Auslegung der EU-Verträge gewährleistet bzw. beschleunigt werden. Ein funktionierendes Rechtssystem und zügige Verfahrensdauern sind ein Standortfaktor und helfen, den Rechtsfrieden auch zwischen Wirtschaftsteilnehmern zu gewährleisten.

EuGH entscheidet in letzter Instanz über Apple-Fall

Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 10. September 2024 die irischen Steuervorteile an Apple als rechtswidrige, nicht mit dem Binnenmarkt vereinbare staatliche Beihilfen qualifiziert. Wegen Verstoßes gegen das EU-Beihilferecht muss Irland nunmehr die gewährten Steuervorteile i.H.v. rund 13 Milliarden Euro von Apple zurückfordern. Der EuGH bestätigte damit die Entscheidung der EU-Kommission aus dem Jahr 2016 und hob das gegenläufige vorinstanzliche Urteil des Europäischen Gerichts vom Juli 2020 auf.
Die Europäische Kommission hatte im Juni 2014 eine beihilferechtliche Überprüfung von zwei an Apple gerichtete Vorbescheiden („Tax Rulings“) begonnen, in denen die irische Finanzverwaltung die von Apple verwendete Gewinnermittlungsmethode billigte, aufgrund dessen in Irland anfallende Gewinne nur zu einem geringen Teil besteuert wurden.
Das Europa-Geschäft von Apple Inc. wurde im Wesentlichen über die beiden irischen Tochtergesellschaften Apple Sales International (ASI) und Apple Operations Europe (AOE) abgewickelt. Diese waren berechtigt, das geistige Eigentum von Apple für die Herstellung und den Verkauf von Apple-Produkten außerhalb von Nord- und Südamerika auf der Grundlage eines sogenannten „Cost-Sharing-Agreement“ zu nutzen. Die anfallenden Gewinne wurden steuerlich jedoch nicht in der irischen Zweigniederlassung erfasst und besteuert, sondern (unternehmensintern) einem „Verwaltungssitz“ zugewiesen. Dieser war weder in irgendeinem Land niedergelassen noch verfügte er über Mitarbeiter oder eigene Geschäftsräume. Die ausgeübten Tätigkeiten bestanden in gelegentlichen Sitzungen des Board of Directors, von denen viele gleichzeitig auf Vollzeitbasis als Führungskräfte für die Apple Inc. arbeiteten.
Die irische Finanzverwaltung billigte mit Steuervorbescheiden (Tax Rulings) aus den Jahren 1991 und 2007 die internen Gewinnzuweisungen, so dass in der Folge nur ein geringer prozentualer Anteil der Gewinne in Irland versteuert wurde, während der verbleibende Teil weder in Irland noch in einem anderen Steuerhoheitsgebiet besteuert wurde. Betrug der Gewinn von ASI im Jahr 2011 rund 16 Milliarden Euro, wurde auf der Grundlage des Steuervorbescheids lediglich ein Anteil von rund 50 Millionen Euro als in Irland steuerpflichtig betrachtet und dort der Körperschaftsteuer unterworfen.
Die Europäische Kommission ist in ihrer beihilferechtlichen Entscheidung vom 30. August 2016 zu dem Ergebnis gelangt, dass Irland dem Unternehmen Apple in der Zeit von 1991 bis 2014 unrechtmäßige Steuervergünstigungen von bis zu 13 Milliarden Euro gewährt und Apple hierdurch einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil erhalten habe. Die von Apple gewählte interne Gewinnzuweisungsmethode sei weder sachlich noch wirtschaftlich gerechtfertigt und als künstliche Gestaltung zu qualifizieren. Die Steuervorbescheide seien nach den EU-Beihilfevorschriften unzulässig, weil Apple dadurch wesentlich weniger Steuern zahlen musste als andere Unternehmen. Irland wurde aufgefordert, die rechtswidrigen Beihilfen für den Zeitraum ab 2003 in Höhe von rund 13 Milliarden Euro zuzüglich Zinsen zurückfordern.
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) entschied jedoch am 15. Juli 2020 zugunsten von Apple, dass die EU-Kommission nicht hinreichend nachgewiesen habe, dass den betreffenden Tochtergesellschaften mit den Vorbescheiden ein selektiver Wettbewerbsvorteil verschafft worden wäre. Der Beschluss der EU-Kommission wurde daher für nichtig erklärt.
Der EuGH hob in nunmehr letzter Instanz am 9. September 2024 das Urteil des EuG auf und bestätigte die Auffassung der EU-Kommission, dass als Vergleichsmaßstab für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung die Tätigkeiten der anderen Einheiten von ASI und AOE, insbesondere die sich nicht in Irland befindenden Verwaltungssitze dieser Gesellschaften, heranzuziehen seien. Die gewählte Gewinnzuweisung sei sachlich nicht gerechtfertigt, so dass ein höherer Gewinnanteil in Irland hätte besteuert werden müssen. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die von Apple während des laufenden Verfahrens auf einem Treuhandkonto hinterlegten Steuerbeträge müssen nun an den irischen Fiskus ausgereicht werden.

Veranstaltungshinweise

Am 16. Oktober 2024, von 10.30 bis 12 Uhr, findet ein Webinar zum Thema “Grenzüberschreitende Umsatzsteuer“ statt. Die Teilnahme ist kostenlos, bedarf allerdings einer vorherigen Anmeldung.