Steuerinfo März 2023

Umsatzsteuer: Nullsteuersatz für Photovoltaikanlagen

Seit 1. Januar 2023 gilt für die Lieferung und Installation bestimmter Photovoltaikanlagen ein so genannter Nullsteuersatz bei der Umsatzsteuer. Die Neuregelung hat bei Unternehmen und Kunden zu vielen Fragen geführt. Welche Anlagen fallen darunter? Welche damit in Zusammenhang stehende weitere Arbeiten werden auch begünstigt besteuert?
Der neue § 12 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) legt für die Lieferung und Installation bestimmter Solarmodule einschließlich weiterer „wesentlicher Komponenten“ an den Betreiber einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage) eine Umsatzsteuer von Null (0) Prozent fest. Der neue Nullsteuersatz bedeutet, dass bei entsprechenden Umsätzen keine Umsatzsteuer in Rechnung gestellt wird, gleichwohl kann der Lieferant beziehungsweise Installateur den Vorsteuerabzug aus seinen Eingangsleistungen, wie zum Beispiel aus dem Einkauf von Solarmodulen, geltend machen. Sie muss also nicht eingepreist werden. Dieses für Deutschland völlig neue System hat bei den betroffenen Unternehmen in der praktischen Anwendung zu einer Vielzahl von Fragen geführt. Das Bundesfinanzministerium erläutert im Anwendungsschreiben vom 27. Februar 2023 die Neuregelung. Die Ausführungen fließen in den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) ein.
Die Lieferung einer PV-Anlage umfasst auch so genannte Nebenleistungen. In Abschnitt 12.18 Abs. 1 UStAE werden unter anderem die Übernahme der Anmeldung in das Marktstammdatenregister (MaStR), die Bereitstellung von Software zur Steuerung und Überwachung der Anlage, die Montage von Zweirichtungszählern wie auch die Bereitstellung von Gerüsten, Lieferung von Befestigungsmaterial oder unter Umständen auch die Erneuerung eines Zählerschranks als mögliche Nebenleistungen aufgeführt, die unter den Nullsteuersatz fallen können.
Auch für die Lieferung so genannter Aufdachphotovoltaikanlagen durch einen Bauträger soll die Neuregelung gelten. Selbst wenn der Bauträger auch das Gebäude liefert, auf dem sich die Anlage befindet, wird eine eigenständige Lieferung der Anlage angenommen, was die Anwendung des Nullsteuersatzes ermöglicht, vergleiche Abschnitt 12.18 Abs. 1 S. 5f UStAE.
Leasing- und Mietkaufverträge sind je nach Vertragsgestaltung als Lieferung oder sonstige Leistung einzustufen. Die Vermietung von PV-Anlagen wird explizit vom Anwendungsbereich der Regelung ausgeschlossen (Abschnitt 12.18 Abs. 1 Satz 7 UStAE).
Die Lieferung muss zudem unmittelbar an den Betreiber der PV-Anlage erfolgen. Lieferungen innerhalb einer Lieferkette, zum Beispiel an Zwischenhändler, Leasinggeber oder Mietkäufer, unterliegen dem Regelsteuersatz (Abschnitt 12.18 Abs. 2 Satz 2 UStAE).
Der Begriff des Betreibers wird in Abschnitt 12.18 Abs. 2 UStAE erläutert. Betreiber einer PV-Anlage sind natürliche Personen, juristische Personen oder Personenzusammenschlüsse, die dem Grunde nach zum Leistungszeitpunkt als Betreiber der jeweiligen Anlage im MaStR registrierungspflichtig sind oder voraussichtlich werden. Dabei soll es weder auf die tatsächliche Einspeisung oder Förderung nach dem EEG noch auf die Unternehmereigenschaft des Betreibers ankommen, vergleiche Abschnitt 12.18 Abs. 2 UStAE.
Der Nullsteuersatz ist auf PV-Anlagen beschränkt, die auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen oder öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert werden. Die Finanzverwaltung gibt Beispiele und Abgrenzungshilfen zur Unterscheidung zwischen einer begünstigten beziehungsweise nicht begünstigten Gebäudenutzung. Bei gemischter Nutzung sei grundsätzlich von einem begünstigten Gebäude auszugehen. Auch Container sollen als Gebäude im Sinne der Regelung in Betracht kommen.
Die Voraussetzungen gelten als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der PV-Anlage lt. MaStR maximal 30 kW (peak) beträgt (§ 12 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 UStG). Die Finanzverwaltung stellt klar, dass diese Vereinfachungsregelung nicht für die Beurteilung der Betreibereigenschaft gilt. Bei einer späteren Erweiterung ist die Vereinfachungsregelung nicht anwendbar, wenn Alt-Anlage zuzüglich Erweiterung zum Überschreiten der 30 kW-Grenze führt; bezüglich der Alt-Anlage ändert sich dadurch allerdings nichts, vergleiche Abschnitt 12.18 Abs. 5 UStAE.
Lieferanten und Installateure von PV-Anlagen müssen künftig unterscheiden, ob es sich um entsprechende Anlagen handelt, für die der Nullsteuersatz anzuwenden ist oder nicht. Aufgrund der 30 kW-Vermutungsregelung müssen sie sich in diesen Fällen nicht beim Erwerber über die Nutzungsart des Gebäudes informieren. Allerdings sieht das BMF-Schreiben in Abschnitt 12.18 Abs. 6 UStAE die Pflicht zur Nachweisführung vor. Eine Erklärung des Erwerbers soll dafür ausreichend sein. Darin soll bestätigt werden, dass er Betreiber der PV-Anlage ist und es sich entweder um ein begünstigtes Gebäude handelt oder die installierte Bruttoleistung der Anlage laut MaStR die 30 kW-Grenze nicht übersteigen wird. Für PV-Anlagen mit einer maximalen Leistung von 600 Watt entfällt die Nachweispflicht, sofern es sich dabei nicht um Lieferungen durch Hersteller beziehungsweise im Großhandel handelt.
Neben den Solarmodulen umfasst die Neuregelung auch die Lieferung „wesentlicher Komponenten“ und Speicher, die dazu dienen, den erzeugten Strom zu speichern. Hierzu sowie zu deren Installation enthält das BMF-Schreiben weitere Erläuterungen und Beispiele zur Klärung von Abgrenzungsfragen in Abschnitt 12.18 Abs. 7 bis 10 UStAE.
Die Einführung des Nullsteuersatzes soll für die Betreiber zu einer Bürokratieentlastung führen. Der Anlagenbetreiber muss künftig nicht mehr auf die Kleinunternehmerregelung verzichten, um sich die bislang anfallende Umsatzsteuer von 19 Prozent als Vorsteuer zurückzuholen. Dies bedeutet aber auch, dass er für mindestens fünf Jahre verpflichtet ist, wie jeder andere Unternehmer Umsatzsteuererklärungen abzugeben.
Die Regelungen des Anwendungsschreibens sind erstmalig auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2022 bewirkt werden. Es wird nicht beanstandet werden, wenn die Vorschriften bei Leasing- oder Mietkaufverträgen über den Teil des Entgelts, der auf zusätzliche Serviceleistungen entfällt, erst ab dem 1. April 2023 angewendet werden.
Der gesamte Text des Schreibens steht auf der Internetseite des BMF zur Verfügung.

Anwendung von BMF-Schreiben

Mit Schreiben vom 10. März 2023 veröffentlichte das Bundesfinanzministerium mehrere Anlagen, u.a. die aktuelle sog. Positivliste der BMF-Schreiben und gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder mit Stand 9. März 2023. Darin sind die aktuellen BMF-Schreiben enthalten, die mit Erscheinungsdatum, dem Aktenzeichen, der Fundstelle sowie dem Betreff aufgeführt sind. Diese Listen können dazu beitragen, sich über die Aktualität der BMF-Schreiben zu informieren.
Hinweis: Das BMF-Schreiben vom 10. März 2023 und die dazugehörigen Anlagen können Sie direkt von der Webseite des BMF abrufen.

Steuerfreie Zahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Durch ein BMF-Schreiben ist eine Nichtbeanstandungsregelung geschaffen worden, so dass Arbeitgeber in Abweichungsfällen, die eine gewisse Betragsgrenze nicht übersteigen, keine Korrektur- und Anzeigepflichten i. S. d. § 41c Einkommensteuergesetz treffen.
Arbeitnehmende, die sich - ohne krank zu sein - auf Anordnung des Gesundheitsamts als Krankheits- oder Ansteckungsverdächtige in Quarantäne begeben müssen oder einem Tätigkeitsverbot unterliegen, erhalten im Falle des Verdienstausfalls im Regelfall eine Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (§ 56 Absatz 1 IfSG).
Werden Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen oder übertragbaren Krankheiten vorübergehend geschlossen oder deren Betreten untersagt und müssen erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern bis zum 12. Lebensjahr oder Kindern mit Behinderung diese selbst betreuen, erhalten sie ebenfalls eine Entschädigung für den dadurch bedingten Verdienstausfall (§ 56 Abs. 1a IfSG).
Die Verdienstausfallentschädigungen sind steuerfrei (§ 3 Nr. 25 EStG). Das gilt sowohl beim Lohnsteuerabzug als auch bei der anschließenden Steuererklärung. Die Zahlungen unterliegen aber dem steuererhöhenden Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. Buchst. e EStG).
Die Verdienstausfallentschädigungen werden zunächst vom Arbeitgeber ausgezahlt und anschließend auf Antrag von der Entschädigungsbehörde erstattet. Bei der Rückerstattung treten aber immer wieder lohnsteuerliche Differenzen und Schwierigkeiten auf. Mit Verzögerung hat die Finanzverwaltung mit dem BMF-Schreiben vom 25. Januar 2023 dazu ausführlich Stellung genommen und eine Bagatellregelung für die Jahre 2020 bis 2023 getroffen, soweit der Lohnsteuerabzug zu gering ausgefallen ist.
Die Zahlung einer Verdienstausfallentschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz ist nach § 3 Nummer 25 EStG steuerfrei. Behält der Arbeitgeber zu viel Lohnsteuer ein, unterliegt er in der Regel keiner lohnsteuerlichen Mitteilungspflicht gegenüber dem Betriebsstättenfinanzamt. Insbesondere liegt kein Fall der sogenannten haftungsbefreienden Anzeige des Arbeitgebers nach § 41c Absatz 4 EstG vor, da zu viel und nicht zu wenig Lohnsteuer einbehalten wurde. Der Arbeitnehmer kann seinen Anspruch auf Erstattung der vom Arbeitgeber zu Unrecht einbehaltenen Lohnsteuer daher nur im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung geltend machen (H 41c.1 Erstattungsantrag) LStH).
Soweit der Lohnsteuerabzug zu gering ausgefallen ist („unzutreffende Steuerfreistellung“), sieht das BMF-Schreiben drei Möglichkeiten vor:
Fordert der Arbeitgeber eine zu viel gezahlte Verdienstausfallentschädigung zurück, mindert der Rückforderungsbetrag im Jahr der Rückzahlung die für das Kalenderjahr zu bescheinigenden Leistungen. Übersteigt der Rückforderungsbetrag im Jahr der Rückzahlung die entsprechenden Leistungen, so ist der Negativbetrag mit Minuszeichen unter Nummer 15 der Lohnsteuerbescheinigung zu bescheinigen.
Verzichtet der Arbeitgeber auf die Rückforderung, so hat der Arbeitgeber seinem Betriebsstättenfinanzamt die betroffenen Fälle unter Angabe der persönlichen Daten der Beschäftigten sowie der zutreffenden Werte unverzüglich schriftlich anzuzeigen (§ 41c Abs. 4 EStG, R 41c.2 LStR). Hierfür kann der unter http://www.formulare-bfinv.de eingestellte Vordruck "Anzeige über nicht durchgeführten Lohnsteuerabzug" genutzt werden. Die Richtigstellung erfolgt dann regelmäßig im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung. Das Finanzamt wird die fehlende Steuer also als Nachzahlung oder als Minderung einer eventuellen Einkommensteuererstattung einfordern. Ausnahmsweise kommt auch ein Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid in Betracht.
Sofern die Differenz zwischen der dem/der Beschäftigten gezahlten Verdienstausfallentschädigung und der dem Arbeitgeber bewilligten Erstattung 200 Euro pro Quarantänefall nicht übersteigt, hat die Finanzverwaltung nun eine Bagatellregelung erlassen. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber von seiner Anzeigepflicht absehen. Insoweit haftet er auch nicht für die nicht einbehaltene Lohnsteuer. Auch eine Korrektur der unzutreffenden Steuerfreistellung im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung der Beschäftigten unterbleibt. Nachforderungsbescheide werden ebenfalls nicht verschickt.

BMF: Nähere Erläuterungen zur Abschreibungsdauer bei Gebäuden

Mit Schreiben vom 22. Februar 2023 hat sich das BMF ausführlich dazu geäußert, unter welchen Voraussetzungen und vor allem mit welchen Nachweisen die Annahme einer kürzeren Nutzungsdauer – respektive höheren jährlichen Abschreibung – bei Gebäuden möglich ist.
Dem BMF-Schreiben ging ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Juli 2021 (Az. IX R 25/19, BFH/NV 2022,108) voraus, in dem der BFH klarstellte, dass sich Steuerpflichtige zum Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer als der bei Gebäuden gesetzlich unterstellten (§ 7 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG)) jeder Darlegungsmethode bedienen können, die im Einzelfall geeignet erscheint. Es müssen nur Rückschlüsse auf die maßgeblichen Determinanten (zum Beispiel technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen) möglich sein.
Seitens der Finanzverwaltung wurde diese Nachweismöglichkeit als teilweise zu weitgehend erachtet. Dem Vernehmen nach wurde befürchtet, dass die gesetzlich normierte Ausnahme des Nachweises einer kürzeren Nutzungsdauer zum Regelfall werden könne. Dementsprechend schlug das BMF im Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2022 noch eine Streichung dieser Nachweismöglichkeit, einen Wegfall von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG, vor. Aufgrund deutlicher Kritik aus der Wirtschaft wurde diese Streichung letztlich nicht vorgenommen. Das BMF „antwortet“ nunmehr mit einem BMF-Schreiben auf das oben genannte BFH-Urteil.
In dem BMF-Schreiben wird noch einmal der Grundsatz der Abschreibung von Gebäuden nach typisiert festen Abschreibungssätzen dargestellt. Je nach Gebäudebaujahr und -nutzung beträgt der Abschreibungssatz 2/2,5/3 oder 4 Prozent jährlich.
Die gesetzlich vorgeschriebene Möglichkeit für den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer und damit die Inanspruchnahme von höheren Abschreibungssätzen wird in dem Schreiben ausführlich dargestellt. Das BMF weist darauf hin, dass in diesen Fällen der Steuerpflichtige in der Nachweispflicht beziehungsweise der Pflicht zur Glaubhaftmachung steht.
Hinsichtlich des Umstandes der Abbruchabsicht genügt nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht die bloße Nennung einer solchen Absicht. Vielmehr müssen Vorbereitungen zum Abbruch des Gebäudes schon angelaufen sein beziehungsweise der Steuerpflichtige sich verbindlich zum Abbruch des Gebäudes verpflichtet haben.
Für den Fall, dass besondere Betriebsgebäude oder bestimmte Gebäudeteile vorliegen, die selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind (zum Beispiel Hallen in Leichtbauweise, Ställe beziehungsweise Schuppen) kann gegebenenfalls auf die allgemeinen amtlichen AfA-Tabellen zurückgegriffen werden. Dies kann auch für Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinbauten und ähnliches gelten.
Bei Gebäuden kann im Übrigen in begründeten Ausnahmefällen eine kürzere Nutzungsdauer anzunehmen sein. Als Kriterien benennt das Bundesministerium der Finanzen, wie auch schon der Bundesfinanzhof, den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstandes begrenzen können. Ausgangspunkt für die Beurteilung des technischen Verschleißes ist die Tragstruktur des Bauwerks (Dachkonstruktion, tragende Innen- und Außenwände, Geschossdecken und Fundament). Für die Annahme einer kürzeren technischen Nutzungsdauer müssen Schäden der tragenden Teile die Nutzungsfähigkeit des Gebäudes in seiner Gesamtheit beeinträchtigen.
Eine wirtschaftliche Entwertung kann dann vorliegen, wenn das Gebäude vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist, das heißt wenn die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen, anderweitige Nutzung oder Verwertung endgültig entfallen ist.
Als Nachweismöglichkeiten stellt die Finanzverwaltung auf ein Bausubstanzgutachten durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken ab. Die Übernahme einer kürzeren Restnutzungsdauer aus einem Verkehrswertgutachten sei kein geeigneter Nachweis im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG.

Hamburger FAQs zu steuerlichen Hilfsmaßnahmen

Die Freie und Hansestadt Hamburg hat ihre FAQs zu den steuerlichen Hilfsmaßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie aktualisiert. In den FAQs wird nun klargestellt, dass wenn eine Arbeitskraft nur pandemiebedingt vorübergehend im Homeoffice arbeitete, durch diese Homeoffice-Tätigkeit regelmäßig keine neue Betriebsstätte für den Arbeitgeber begründet. Dieses gelte unabhängig von der Funktion der Arbeitskraft im Unternehmen, dem
Umfang ihrer Befugnisse oder der Art der von ihr ausgeübten Tätigkeit. Aus der Pandemie folgende Anweisungen des Arbeitgebers, vorübergehend im Homeoffice zu arbeiten, könnten aufgrund des Ausnahmecharakters dieser Situation nicht dahingehend verstanden werden, dass der Arbeitgeber Verfügungsmacht über entsprechend genutzte Räumlichkeiten der
Arbeitskraft erlangte oder dort eine „gewöhnliche“ Ausübung von Tätigkeiten im Sinne des Artikel 5 Absatz 5 OECD-Musterabkommen stattfand.
Zu beachten ist das Adjektiv “regelmäßig”, welches vermuten lässt, dass die Auslegung der Finanzverwaltung im Einzelfall auch anders ausfallen kann. Zudem ist die Auslegung nur auf Sachverhalte anzuwenden, die im Zeitraum vom 11. März 2020 bis zum 30. Juni 2022 verwirklicht wurden.
Neben redaktionellen Änderungen enthalten die FAQs weitere Ergänzungen zum Thema Homeoffice. Zudem werden einige Maßnahmen im Gemeinnützigkeitssektor verlängert. Details entnehmen Sie bitte den FAQs.

Hindernisse für Unternehmen im Binnenmarkt

Die Studie des Europäischen Parlaments "Overview on the tax compliance costs faced by European enterprises – with a focus on SMEs" vom 22. Februar ermittelte die steuerlich induzierten Kosten, welche privaten Unternehmen – grenzüberschreitend tätig oder nicht – entstehen, die entweder in einem der 27 EU-Mitgliedstaaten oder im ehemaligen Mitglied Vereinigtes Königreich niedergelassen sind.
Die Kosten für das Befolgen von Steuerregeln steigen mit der Unternehmensgröße – wenn auch nicht proportional – und reichen von knapp 13.900 Euro für die Gruppe der Kleinstunternehmen bis zu gut 33.900 Euro für große Unternehmen. Die Untersuchung hat kleine und mittlere Unternehmen besonders in den Blick genommen und stellt gut funktionierende Steuersysteme in der EU ("best practices") besonders heraus. Deutschland befindet sich mehrfach nur auf einem der hinteren Plätze: Mit einer Bearbeitungszeit, ausgelöst durch Steuerbürokratie, pro Unternehmen von mehr als 200 Stunden im Jahr findet sich das Land im letzten Drittel wieder. Beim Körperschaftsteuer-Regelsatz liegt es mit 29,8 Prozent sogar auf dem letzten Platz.
In diesem Zusammenhang legt die Studie dar, dass jede – schrittweise oder zumindest teilweise – Harmonisierung der Steuerbemessungsgrundlage, wie sie jetzt erneut mit dem BEFIT-Projekt der EU-Kommission über Unternehmenssteuern verfolgt wird, die jährlichen Befolgungskosten senkt. Weniger kostensenkend wirken sich demgegenüber solche Steuerreformen aus, die entweder nur Mindeststandards setzen, über welche die Staaten hinausgehen können oder solche, die der nationale Ebene (zahlreiche) Ausnahmen erlauben. Auch Regeln, die nur auf eine kleine Anzahl von Wirtschaftsteilnehmern Anwendung finden, schöpfen das Potenzial zur Reduzierung von Komplexität und Kosten nicht annähernd aus.

Inflation Reduction Act der USA

Mit dem Inflation Reduction Act, kurz IRA, haben die USA ein 738 Milliarden Dollar schweres Investitionsprogramm aufgesetzt, welches neben Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und einer Neuausrichtung der US-amerikanischen Wirtschaft auf erneuerbare Energien auch umfassende steuerliche Neuregelungen vorsieht. Auf besondere Kritik aus Deutschland und Europa stießen dabei insbesondere Steueranreize in Höhe von voraussichtlich 270 Milliarden US-Dollar, welche teilweise an den Erwerb von Produkten aus US-amerikanischer Produktion geknüpft sind.
Gegenstand der Kritik sind u.a. die weitreichenden Lokalisierungspflichten bei Förderprogrammen: So wird die Steuergutschrift in Höhe von 7.500 US-Dollar für die Anschaffung neuer Elektrofahrzeuge nur dann gewährt, wenn eine Endmontage in den USA und eine Verwendung von US-amerikanischen Batterierohstoffen erfolgte. Diese Restriktionen stellen einen Verstoß gegen Welthandelsregeln dar und benachteiligen deutsche Unternehmen im Wettbewerb. Zudem könnten diese langfristig Europa und dem Industriestandort Deutschland schaden, da Unternehmen zunehmend mit Produktionsverlagerungen in die USA reagieren.
Bei Ihren Gesprächen in Washington am 10. März 2023 hat die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zumindest einen kleinen Durchbruch erzielt: So sei man übereingekommen, dass zum Beispiel zeitnah die konkreten Verhandlungen über ein Abkommen zu kritischen Mineralien für E-Autos und Batterien beginnen könnten.
Zur Gegenfinanzierung der Ausgabenprogramme wird eine 15-prozentige Mindeststeuer für große Kapitalgesellschaften und eine 1-prozentige Steuer auf den Erwerb eigener Anteile eingeführt.
  • Corporate Alternative Minimum Tax (Corporate AMT)
    In den USA ansässige Unternehmen unterliegen für Steuerjahre, die nach dem 31. Dezember 2022 beginnen, einer „Corporate Alternative Minimum Tax“ (oder auch „Book Minimum Tax“, BMT). Voraussetzung ist, dass das auf Grundlage des modifizierten US-GAAP-Abschlusses ermittelte „adjusted financial statement income“ (AFSI) bezogen auf einen Dreijahreszeitraum mehr als 1 Milliarde US-Dollar beträgt. Zulässig ist ein Abzug von Verlustvorträgen von maximal 80 Prozent des AFSI. Der Steuersatz beträgt 15 Prozent. Die Steuer wird jedoch nur insoweit erhoben, sofern diese die Summe aus regulärer Steuerschuld und sogenannten BEAT übersteigt. Mit der Base Erosion and Anti-Abuse Tax (BEAT) werden steuerliche Gewinnminderungen eingeschränkt, die entstehen, wenn US-Unternehmen Zahlungen ins Ausland tätigen. Sofern eine Corporate AMT erhoben wird, kann diese als sogenannte "tax credit" (Steuergutschriften) in den Folgejahren auf die reguläre Steuer angerechnet werden. Hierdurch sollen circa 222 Milliarden US-Dollar Steuermehreinnahmen in den kommenden zehn Jahren ausgelöst werden.
  • Excise tax bei Anteilsrückkäufen
    Mit Blick auf den exponentiellen Anstieg von Anteilsrückkäufen in den vergangenen Jahren wurde für in den USA ansässige, börsennotierte Unternehmen eine Steuer auf den Rückkauf von eigenen Anteilen ab dem 1. Januar 2023 eingeführt. Der Steuersatz beträgt 1 Prozent auf Basis des Marktwertes. Das Steuermehraufkommen wird auf ca. 74 Milliarden US-Dollar für zehn Jahre geschätzt.
Zugleich soll durch umfangreiche steuerliche Fördermaßnahmen mit einem Volumen von ca. 270 Milliarden US-Dollar (zehn Jahre) eine Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen um 60 Prozent (Bezugszeitraum 2005) bewirkt werden. Hierzu wurden verschiedene „tax credits“ neu eingeführt beziehungsweise erweitert. Diese sind regelmäßig mit einer „Direct pay-Option“ versehen, so dass anstelle einer Anrechnung auf die Steuerschuld eine direkte Erstattung wahlweise möglich ist. Diese können zudem gegen eine Geldzahlung steuerneutral (einmalig) auf einen Erwerber übertragen werden, der als anspruchsberechtigt gilt.
  • Förderung von Elektrofahrzeugen und Batterien
    Der bislang schon bestehende „Qualified Plug-in Electric Drive Motor Vehicle Credit“ nach IRC Sec 30D (kurz: Clean Vehicle Credit) wurde durch den IRA um eine weitere Anforderung ergänzt:
  • Für neue Elektro-, Brennstoffzellen- und Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge ist eine Endmontage (final assembly point) in Nordamerika (USA, Puerto Rico, Kanada, Mexiko) erforderlich. Zudem gelten für Fahrzeuge, die ab dem 1. Januar 2023 in Betrieb genommen werden, aktualisierte Richtlinien des IRS.
  • Die Gewährung des tax credit (gesamt: 7.500 US-Dollar) ist dabei von weiteren, batteriespezifischen Faktoren abhängig: Ein Teilbetrag in Höhe von 3.750 US-Dollar erfordert, dass mindestens 40 Prozent (ansteigend auf 80 Prozent ab 2026) der kritischen Batteriemineralien aus den USA oder Länder stammen, mit denen die USA ein Freihandelsabkommen geschlossen haben. Mit der EU existiert kein Freihandelsabkommen. Der verbleibende Teilbetrag von 3.750 US-Dollar ist davon abhängig, dass mindestens 50 Prozent (ansteigend auf 100 Prozent nach 2028) des Wertes der Batteriekomponenten in Nordamerika (siehe oben) hergestellt oder montiert werden. Damit sollen die nationalen Wertschöpfungsketten für Batterien gestärkt und Abhängigkeiten von ausländischen Zulieferern verringert werden.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Streitigkeiten mit der EU-Kommission wegen möglicher Wettbewerbsbeschränkungen hatte das US-Finanzministerium unlängst eine Neuregelung avisiert. Demzufolge sollen als Gewerbefahrzeuge, die weniger strengen Anforderungen unterliegen, auch solche Fahrzeuge gelten, die von Leasinggesellschaften gekauft und auch an Privatkunden verleast werden. Leasinggesellschaften kämen dann in den Genuss des tax credit und könnten diesen an private Leasingnehmer weitergeben. Hiergegen haben jedoch die Republikaner Widerstand angekündigt.
  • Maßnahmen zur Förderung der klimafreundlichen Transition der US-Wirtschaft
    Das Gesetz sieht eine zehnjährige Verlängerung der bestehenden Steuergutschriften für Wind- und Solarenergie sowie für autonome Energiespeicher, Dachsolaranlagen und Wärmepumpen vor. Außerdem enthält der IRA Steueranreize für erneuerbare Energien für Technologien der nächsten Generation wie sauberen Wasserstoff und fortschrittliche Kernkraft.
Mit einem „Production Tax Credit“ in Höhe von 60 Milliarden US-Dollar für die nächsten fünf Jahre werden Unternehmen, die saubere Energien herstellen, darunter Solarzellen, Windturbinen, Batterien und die Verarbeitung wichtiger Mineralien, gefördert. Zugleich wird das US-Energieministerium ermächtigt, bis September 2026 Darlehen in einem Gesamtvolumen von 250 Milliarden US-Dollar für saubere Energieprojekte auszureichen.
Endredaktion: Viola Friedrichs