Steuerinfo Juli 2022

+++ Aktuelles Steuerrecht +++

Versagung des Vorsteuerabzugs und der Steuerbefreiung zur Betrugsbekämpfung

BMF veröffentlicht Verwaltungssicht zu bereits seit 1. Januar 2020 geltender Regelung
Bei der Beteiligung an einer Steuerhinterziehung kann die Finanzverwaltung auf Grundlage des § 25f UStG den Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen und die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen versagen. Dies gilt bereits seit Januar 2020. Da auch ein „hätte wissen müssen“ ausreicht, können auch ehrliche Unternehmer betroffen sein. Worauf ein Unternehmer nach Ansicht der Finanzverwaltung achten muss, um entsprechende Risiken möglichst zu vermeiden, erfahren Sie hier.
Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen und der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen kann versagt werden, wenn der Umsatz Teil einer missbräuchlichen Gestaltung ist und der betreffende Unternehmer dies wusste oder hätte wissen müssen. Das ergibt sich aus der neuen Haftungsvorschrift § 25 f UStG, der den § 25 d UStG ersetzt.
Die Steuerhinterziehung beziehungsweise der ordnungswidrige Vorsteuerabzug kann dabei vom Leistenden oder einem anderen Beteiligten der Leistungskette begangen worden sein. Das BMF erläutert in seinem Schreiben vom 15. Juni 2022 die Anwendung der bereits zum 1. Januar 2020 eingeführten Vorschrift des § 25 f UStG.
Grundsätzlich trägt das Finanzamt die Beweislast, dass der objektive und subjektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) beziehungsweise einer Bußgeldvorschrift (§§ 26 a UStG) oder einer Schädigung des Umsatzsteueraufkommens (§ 26 c UStG) auf mindestens einer Umsatzstufe innerhalb der Leistungskette erfüllt sind und der Unternehmer dies wusste oder hätte wissen müssen. Das Finanzamt ist dabei an strafgerichtliche beziehungsweise bußgeldrechtliche Entscheidungen nicht gebunden; es prüft selbständig (Abschnitt 25 f.1 Abs. 3 UStAE). Eine strafgerichtliche Verurteilung oder bußgeldrechtliche Ahndung ist nicht erforderlich.
Bereits nach dem Wortlaut der Regelung ist es für die Versagung ausreichend, wenn der Unternehmer an einem Umsatz beteiligt ist, bei dem auf einer vorhergehenden oder nachfolgenden Umsatzstufe Umsatzsteuer hinterzogen wurde beziehungsweise ein ungerechtfertigter Vorsteuerabzug erfolgt ist. Dabei sind entsprechend Abschnitt 25 f.1 Abs. 2 Satz 3 UStAE alle Umsatzstufen einer Leistungskette zu berücksichtigen. Versagt werden der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen und die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen in voller Höhe. Dies kann auch auf mehrere Beteiligte einer Lieferkette zutreffen (Abschnitt 25 f.1 Abs. 6 UStAE). Insoweit kann es zu einer Überkompensation des Steuerschadens des Fiskus kommen. Die Deckelung auf den tatsächlichen Steuerschaden, die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens diskutiert wurde, wurde nicht umgesetzt und wird von Seiten der Finanzverwaltung als zu schwer zu ermitteln abgelehnt.
Der Unternehmer soll grundsätzlich auf die korrekte Behandlung seiner Umsätze vertrauen können, wenn er alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in eine Umsatzsteuerhinterziehung und nicht in eine Schädigung des Umsatzsteueraufkommens einbezogen sind (Abschnitt 25 f.1 Abs. 4 UStAE). Welche Maßnahmen das konkret betrifft, erläutert die Finanzverwaltung nicht. Sie fordert hingegen, dass der Unternehmer „weitergehende geeignete Maßnahmen“ ergreift und diese dokumentiert, wenn für ihn Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten, insbesondere eine Steuerhinterziehung, erkennbar sind. Dazu soll er beispielsweise zusätzliche Auskünfte einholen. Das gilt sowohl bei der Aufnahme neuer als auch bei bestehenden Geschäftsbeziehungen. Geht er trotz weiterhin bestehender Zweifel die Geschäftsbeziehung ein oder führt diese fort, geht die Finanzverwaltung von einem Wissen oder Wissen müssen des Unternehmers aus.
Abschnitt 25 f.1 Abs. 5 UStAE enthält eine beispielhafte Auflistung für Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten. Insbesondere ist danach darauf zu achten, ob ungewöhnliche Leistungsbedingungen vorliegen; als Beispiel dafür wird aufgeführt, dass die Leistungen von einem oder an einen nicht an dem Umsatz beteiligten Unternehmen erbracht werden. Das dürfte allerdings jedes klassische Reihengeschäft betreffen. Daher ist insbesondere dieses Beispiel äußerst kritisch zu sehen.
In Abschnitt 25 f.2 UStAE wird ausgeführt, dass die Vereinfachungen für sogenannte Dreiecksgeschäfte entfallen, sofern die Voraussetzungen des § 25f Abs. 1 UStG vorliegen.
Den Text des Schreibens vom 15. Juni 2022 finden Sie hier.

Betriebsaufspaltung bei mittelbarer Beteiligung

Der Bundesfinanzhof hat sich in einem speziellen Fall zur Abschirmwirkung einer Kapitalgesellschaft in Bezug auf die Beteiligung am Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung geäußert. Umstritten war vor allem, ob neben einer wirtschaftlichen auch eine personelle Verflechtung vorlag. Welche allgemeinen Schlussfolgerungen sich aus diesem Einzelfall ziehen lassen, muss noch geklärt werden.
Der Bundesfinanzhof hatte am 16. September 2021 zum Aktenzeichen IV R VII/18 einen besonderen Sachverhalt entschieden. Im Grunde ging es um die erweiterte Kürzung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG: Sie besagt, dass man auf Antrag den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Nutzung und Verwaltung des eigenen Grundbesitzes entfällt, aus der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage herauskürzen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass das Unternehmen ausschließlich eigenen Grundbesitz oder daneben eigenes Kapitalvermögen verwaltet und nutzt. Diese erweiterte Kürzung kommt vereinfacht ausgedrückt nur für grundstücksverwaltende Unternehmen infrage.
Im Sachverhalt hatte eine GmbH & Co. KG eine Immobilie an eine andere GmbH & Co. KG vermietet. Die Mieterin nutzte diese Immobilie zur Produktion. Die vermietende Gesellschaft begehrte die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG. Allerdings, so der IV. Senat des Bundesfinanzhofs, lag hier zwischen beiden Gesellschaften ein Fall der Betriebsaufspaltung vor.
Die Betriebsaufspaltung als Institut der Rechtsprechung (ohne gesetzliche Fixierung) setzt voraus, dass zwei Unternehmen wirtschaftlich und personell verflochten sind. Die Vermietung von wesentlichen Betriebsgrundlagen, des Produktionsgebäudes, ist ein Fall der wirtschaftlichen Verflechtung.
Fraglich und streitig war allein, ob es sich auch um einen Fall der personellen Verflechtung handelt. Hierbei ist auf die Beteiligten hinter der GmbH & Co. KG zu schauen. Die Kommanditanteile der Mieterin waren zu mehr als 50 Prozent im Eigentum einer Kapitalgesellschaft, welche wiederum zu mehr als 50 Prozent im Eigentum des A, einer natürlichen Person, stand. Die Anteile an der Komplementär-Gesellschaft der Mieterin waren ebenfalls zu mehr als 50 Prozent im Eigentum des A. Hinsichtlich der Kommanditanteile an der Vermieterin waren diese zu mehr als 50 Prozent im direkten Eigentum des A. Die Anteile an der Komplementär-GmbH waren ebenfalls zu 50 Prozent im Eigentum des A.
Bisher ging die Rechtsprechung in einer solchen Konstellation nicht von einer persönlichen Verflechtung im Rahmen der Betriebsaufspaltung aus. Zwar war bisher schon durch ständige Rechtsprechung anerkannt, dass auf Seiten der Mieterin, also einer etwaigen Betriebsgesellschaft, auch eine mittelbare Zurechnung an eine dahinterstehende Person erfolgen könne; also eine zwischen gestaltete Kapitalgesellschaft keine abschirmende Wirkung entfalten würde.
Allerdings war dies auf Seiten der vermietenden Gesellschaft, also einer etwaigen Besitzgesellschaft, bisher nicht der Fall. Im Ergebnis wurde der natürlichen Person A die Komplementärstellung in der Besitzgesellschaft mittelbar zugerechnet aufgrund der mehr als 50-prozentigen Beteiligung an der Komplementärgesellschaft. Der IV. Senat es Bundesfinanzhofs begründete diese Änderung der Rechtsprechung vor allem damit, dass eine Ungleichbehandlung auf Seiten der Betriebsgesellschaft einerseits und der Besitzgesellschaft andererseits nicht einzusehen sei.
Allerdings bleibt festzuhalten, dass der entschiedene Fall als Besonderheit beinhaltete, dass die natürliche Person mehrheitlich als Kommanditist an der Besitzgesellschaft beteiligt ist. In vielen Fällen dürfte jedoch auch diese Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft vermittelt werden. Bisher ist die Interpretation des vorliegenden BFH-Urteils bezüglich solcher Fallgestaltungen nicht eindeutig. Man erhofft sich durch ein etwaiges Schreiben des Bundesfinanzministeriums hierzu eine Klarstellung.

BMF verlängert vereinfachtes Verfahren für „Registerfälle“

Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat mit Schreiben vom 29. Juni 2022 – rechtzeitig vor Auslaufen des Verfahrens zum 30. Juni 2022 - die Anwendung des „vereinfachten Verfahrens“ für sogenannte Registerfälle bis zum 30. Juni 2023 erneut verlängert.
Bereits mit BMF-Schreiben vom 11. Februar 2021 (BStBl. I 2021 S. 301) wurde für Vergütungen i. S. d. § 49 Abs. 1 Nr. 2 f und Nr. 6 EStG ein vereinfachtes Verfahren eingeführt. Es handelt sich dabei um Vergütungen, die von ausländischen Vergütungsschuldnern für die zeitlich befristete Überlassung von Rechten gewährt werden, die in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind, und ohne einen weiteren Inlandsbezug dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3.EStG unterliegen. Dabei kann es sich zum Beispiel um Nutzungs- oder Lizenzrechte handeln.
Die Anwendung des vereinfachten Verfahrens wurde mit BMF-Schreiben vom 14. Juli 2021 (BStBl. 2021 I S. 1005) bereits für solche Vergütungen verlängert, die dem Vergütungsgläubiger nach dem 30. September 2021, aber vor dem 1. Juli 2022 zufließen.
Mit Blick auf das herannahende Fristende hatten Bund und Länder seit geraumer Zeit über eine weitergehende Verlängerung beraten, welche nunmehr mit BMF-Schreiben vom 29. Juni 2022 gerade rechtzeitig verfügt wurde. Die im BMF-Schreiben vom 11. Februar 2021 erstmals festgesetzten Voraussetzungen können nunmehr auch für solche Vergütungen in Anspruch genommen werden, die dem Vergütungsgläubiger nach dem 30. Juni 2022, aber vor dem 1. Juli 2023 zufließen. Zu beachten ist, dass der Antrag auf Freistellung vom Steuerabzug analog § 50d Abs 2 S. 1 EStG (§ 50c Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG) bis zum 30. Juni 2023 beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu stellen ist.

Kurzumfrage des DIHK zur steuerlichen Forschungsförderung

Seit dem Jahr 2020 ist das Gesetz zur steuerlichen Forschungsförderung in Kraft, auch besser bekannt als Forschungszulage. Einige Unternehmen haben dieses Instrument bereits für sich genutzt, viele Unternehmen jedoch noch nicht. Der DIHK möchte die Umfrage nutzen, um bei forschungsaktiven Unternehmen herauszufinden, aus welchen Gründen sie die steuerliche Forschungsförderung nutzen und aus welchen Gründen sie nicht genutzt wird und mögliche Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen. Die Umfrage des DIHK läuft noch bis zum 29.Juli 2022 und kann unter folgendem Link abgerufen werden.
Hintergrund
Die Forschungszulage sieht einen Steuerbonus für Lohnkosten und Auftragsforschung vor. Bedingung für die Forschungszulage ist in der ersten Stufe zunächst eine Bescheinigung darüber, dass das Unternehmen ein förderfähiges Forschungsvorhaben im Sinne des Forschungszulagengesetzes durchführt. Diese Bescheinigung erhalten die Unternehmen bei der sog. Bescheinigungsstelle Forschungszulage (www.bescheinigung-forschungszulage.de). In der zweiten Stufe erfolgt mit Hilfe der Bescheinigung die Beantragung der Forschungszulage beim Finanzamt. Maximal können Kosten in Höhe von 2 Mio. Euro angegeben werden – mit einer maximalen Forschungszulage von 500.000 Euro jährlich. Für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis zum 30. Juni 2026 beträgt die maximale Bemessungsgrundlage sogar 4 Mio. Euro jährlich – damit ist in diesem Zeitraum ein jährlicher Steuerbonus von bis zu einer Million Euro möglich.

Finanzbehörde Hamburg veröffentlicht FAQ´s Update 07.07.2022

Die Finanzbehörde Hamburg hat eine aktualisierte Fassung der FAQ´s veröffentlicht. Neuerungen ergeben sich im Wesentlichen zum steuerfreien „Corona-Pflegebonus“ für Arbeitnehmer sowie der Verlängerung der Abgabefristen für Steuererklärungen für die Jahre 2020 und 2021. Die FAQ´s der Finanzbehörde können hier abgerufen werden.
Eine Übersicht der finanziellen Hilfen des Staates finden Sie auch auf der Seite der Handelskammer Hamburg unter www.hk24.de. Hier finden Sie Informationen zu möglichen finanziellen Unterstützungen wie Corona-Zuschüsse, Beteiligungen sowie sonstigen Maßnahmen und deren Beantragung und individueller Beratungsangebote.

Urteil des Finanzgerichts Hamburg zur steuerfreien Vermietung von Zimmern an Prostituierte in sog. „Steigen“

Mit Urteil vom 17. Mai 2022 hat der 2. Senat des Finanzgerichts Hamburg entschieden, ob die Überlassung von Zimmern in sogenannten Steigen im Sperrgebiet St. Pauli als umsatzsteuerfreie Vermietung zu bewerten ist oder ob ein Bündel von Leistungen erbracht wird, das der Überlassung des Zimmers den Charakter eines bloßen Mietverhältnisses nimmt. Der Kläger war Mieter von zwei Immobilien auf St. Pauli, die beide im Gebiet der Sperrverordnung liegen und in denen in der Zeit von 20:00 Uhr bis 6:00 Uhr die Prostitution erlaubt ist. Ein weiteres Objekt, für das keine Beschränkungen galten, befand sich in der H-Straße.
Die einzelnen Zimmer der sog. Steigen überließ der Kläger zu einer „Tagesmiete“ an Prostituierte, die dort ihre sexuellen Dienstleistungen erbrachten. Der Kläger berief sich im Streitjahr 2016 auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. September 2015, in dem das Gericht ein Urteil des Finanzgerichts Hamburg aufgehoben und die halbstündige Überlassung von Zimmern in einem sog. Stundenhotel als umsatzsteuerfreie Vermietung angesehen hatte. Dem folgte das Finanzamt im Ergebnis nicht, da neben der Zimmerüberlassung ein „rund-um-sorglos-Paket“ für die Prostituierten erbracht werde, das die Grenzen passiver Vermietungsleistungen überschreite.
Der Senat des FG folgte der Auffassung des Finanzamts nach Durchführung einer Beweisaufnahme. Neben der Überlassung der Zimmer würden auf Veranlassung des Klägers in allen Steigen Wirtschafter oder Wirtschafterinnen tätig sein, die sich um die Prostituierten kümmerten und für ihre Sicherheit sorgten. Daneben erhielten die Prostituierten die Möglichkeit, auf bestimmten öffentlichen Plätzen, die den Steigen sozusagen gewohnheitsrechtlich zugewiesen seien, unter Ausschluss „steigenfremder“ Prostituierter Freier zu akquirieren. Weitere Leistungen wie die Bereitstellung einer Alarmanlage und Videoüberwachung sowie Catering würden erbracht. Mit dieser Gesamtheit von Leistungen sei laut Gericht die Grenze einer passiven Vermietungsleistung überschritten und die Nutzungsüberlassung habe eher bordellartigen Charakter.
Die Revision gegen das Urteil vom 17.05.2022 – 2 K 9/20 wurde nicht zugelassen. Das Urteil kann im Volltext auf der Webseite des Finanzgerichts Hamburg abgerufen werden.

Endredaktion: Jan Meister