Steuerinfo Dezember 2024

Finanzverwaltung schaltet Visualisierungstool für E-Rechnungen frei

Mit Einführung der E-Rechnungspflicht in Deutschland müssen Unternehmen Rechnungen, die gegebenenfalls nur aus strukturierten elektronischen Daten bestehen, verarbeiten. Um diese Daten für das menschliche Auge sichtbar zu machen und gegebenenfalls prüfen zu können, ist ein so genannter Viewer erforderlich. Die IHK-Organisation hat sich vehement dafür eingesetzt, dass ein kostenfreies staatliches Tool zur Verfügung gestellt wird.
Die Finanzverwaltung hat nun ein kostenfreies, staatliches Tool zur Visualisierung von E-Rechnungen und auf ELSTER zur Verfügung gestellt. Es kann jeweils nur eine xml-Datei hochgeladen werden. Es eignet sich daher nicht als Tool für die Visualisierung im größeren Umfang. Vielmehr soll damit der Einstieg in die E-Rechnung erleichtert werden. Bei sog. hybriden Rechnungen im strukturierten Format (insb. ZUGFeRD-Rechnungen) muss zunächst die xml-Datei aus dem Anhang des Dokuments entnommen werden, um diese über das Tool sichtbar zu machen. Das Hochladen einer ZUGFeRD-Rechnung in das Tool ist nicht möglich; es entsteht dann eine Fehlermeldung.
Betriebe in Deutschland müssen per Gesetz ab dem 1. Januar 2025 elektronische Rechnungen (E-Rechnungen) empfangen können. Dabei handelt es um Rechnungen, die einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt sowie empfangen werden und die automatisierte Weiterverarbeitung ermöglichen.
Die neuen Regelungen zur E-Rechnung gehen auf das Wachstumschancengesetz zurück. Sie gelten für im Inland steuerbare Umsätze, wenn es sich bei den Beteiligten um in Deutschland ansässige Unternehmen handelt (sogenannte B2B-Umsätze im Inland). Ausnahmen bestehen für Umsätze, die unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 bis 29 UStG fallen, für Kleinbetragsrechnungen bis 250 Euro brutto (Gesamtbetrag) nach § 33 UStDV, Fahrausweise i.S.d. § 34 UStG sowie Kleinunternehmerrechnungen, § 34a UStDV.
Während Betriebe bereits ab dem 1. Januar 2025 den Empfang von E-Rechnungen ermöglichen müssen, enthält das Gesetz für die Ausstellung elektronischer Rechnungen Übergangsfristen: Ab 1. Januar 2028 müssen Unternehmen aller Größen und Branchen digitale Rechnungen ausstellen – vom DAX-Konzern über den Freiberufler und den Blumenladen um die Ecke bis hin zum Solo-Selbständigen. Lediglich Kleinunternehmer i.S.d. § 19 UStG sind von der Ausstellungspflicht ausgenommen. Für Betriebe, deren Gesamtumsatz im Jahr 2026 mehr als 800.000 Euro betragen hat, gilt diese Pflicht schon zum 1. Januar 2027. Erforderlich ist die E-Rechnung allerdings ausschließlich für Transaktionen zwischen Unternehmen, nicht aber zwischen Betrieben und Privatpersonen.
Weitere Informationen zur Einführung elektronischer Rechnungen in einem strukturierten Format:
ELSTER-Tool zur Visualisierung von elektronischen Rechnungen im strukturierten Format.
Unser Merkblatt “Die E-Rechnungspflicht”.
Meldung im Steuer-Ticker vom 16. Dezember 2024.
Aufzeichnungen unserer Webinare zu E-Rechnungen vom 13. Juni 2024 und vom 9. Oktober 2024.

Zugriffsrechte können den Unterschied machen

Das Finanzgericht (FG) Nürnberg entschied am 12. September 2023 (1 K 985/22, Revision beim BFH: X R 22/23) zur Reichweite des doppelten Teilbetriebserfordernisses bei Abspaltungen.
Für einen buchwertneutralen Übergang bei Abspaltungen verlangt § 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG einen Teilbetrieb in doppelter Hinsicht: der übertragene Unternehmensteil muss einen Teilbetrieb darstellen und beim Ausgangsunternehmen muss wenigstens ein Teilbetrieb verbleiben. Dies erfordert, dass wesentliche Betriebsgrundlagen des übertragenen Teilbetriebes mit übertragen werden und wesentliche Betriebsgrundlagen des verbleibenden Teilbetriebes auch bei diesem verbleiben. Andernfalls sieht die Finanzverwaltung hierin ein Spaltungshindernis (Rn. 15.08 des UmwStE).
Im vom FG Nürnberg entschiedenen Sachverhalt verblieb das Rechenzentrum, das vom übertragenen als auch vom verbleibenden Teilbetrieb genutzt wurde, bei letzterem. Aus Sicht des FG Nürnberg stellte das Rechenzentrum eine wesentliche Betriebsgrundlage für beide Teilbetriebe dar. Aus Sicht der beteiligten Unternehmen hätte dies ein Dilemma bedeutet: der Verbleib beim übertragenden Rechtsträger hätte bedeutet, dass nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen des abgespaltenen Teilbetriebes mit übertragen worden wären und eine buchwertneutrale Spaltung nicht möglich gewesen wäre. Eine Mitübertragung des Rechenzentrums auf das abgespaltene Unternehmen wiederum hätte eine Nichterfüllung des Teilbetriebserfordernis beim übertragenden Rechtsträger zur Folge gehabt; auch dann wäre buchwertneutrale Spaltung nicht möglich gewesen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 UmwStG).
Im entschiedenen Fall waren jedoch die Software und die Datenbanken der beteiligten Kapitalgesellschaften eindeutig voneinander getrennt. Zwar wurde dieselbe Hardware genutzt - ein Zugriff auf die Software und die Daten des jeweils anderen Unternehmens war ausgeschlossen. Diesen Umstand nahm das FG Nürnberg zum Anlass, das doppelte Teilbetriebserfordernis dennoch als gegeben anzusehen. Ein solcher Fall sei nicht mit dem eines gemeinsam genutzten Grundstückes vergleichbar - so das FG Nürnberg. Technische Zuordnungen beziehungsweise Zugriffsrechte bei IT-Systemen machten es nicht erforderlich, zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer der IT-Infrastruktur zu sein.
Abzuwarten ist nun, wie der Bundesfinanzhof diesen Fall beurteilt.

Jahressteuergesetz 2024 ändert Regelungen zur Kapitalertragsteuer

Mit Artikel 3 des Jahressteuergesetzes wurden die Formulierungen in § 45b Abs. 2 bis 7 EStG zu Angaben zur Bescheinigung und Abführung der Kapitalertragsteuer geändert. Zudem wurde der Erstanwendungszeitpunkt von §§ 45b, 45c EStG verschoben, damit auch das Meldeverfahren nach § 45b Abs. 9 EStG. Nach § 45b Abs. 9 EStG haben inländische börsennotierte Gesellschaften gemäß § 67d AktG Informationen über die Identität ihrer Aktionäre zum Zeitpunkt ihres Gewinnverteilungsbeschlusses zu verlangen und die ihnen übermittelten Informationen nach Maßgabe des § 93c AO unverzüglich elektronisch an das Bundeszentralamt für Steuern zu übermitteln.
§ 45b und § 45c EStG sind erstmals auf Kapitalerträge anzuwenden, die dem Gläubiger nach dem 31. Dezember 2026 zufließen, vgl. hierzu in Artikel 3 des Jahressteuergesetzes 2024 die Änderung von § 52 Abs. 44b. Damit wird der Erstanwendungszeitpunkt nochmals um ein Jahr verschoben (vgl. BMF-Schreiben vom 27.08.2024 (IV C 1 - S 2410/22/10001 :001).
Ergänzende Informationen (Kommunikationshandbücher, verfahrensleitende Hinweise) finden Sie auch auf der Internetseite des Bundeszentralamts für Steuern.
Das Jahressteuergesetz finden Sie im Bundesgesetzblatt vom 5. Dezember 2024, Nr. 387.

Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.) gestartet

Die Zuteilung der neuen Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.) erfolgte zum 3. Dezember 2024 für solche Unternehmen, denen bis zum 30. November 2024 eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zugeteilt wurde. Allen anderen Unternehmen wird die W-IdNr. in einem zeitlich gestaffelten Verfahren zugewiesen und gesondert mitgeteilt.
Die Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.) ist eine eindeutige Identifikationsnummer, die gemäß § 139c Abgabenordnung (AO) allen wirtschaftlich Tätigen in Deutschland in einem zeitlich gestaffelten Verfahren vom Bundesamt für Steuern (BZSt) automatisch, das heißt von Amts wegen, zugewiesen wird. Dieses betrifft Unternehmen aller Rechtsformen (natürliche Personen, die wirtschaftlich tätig sind, juristische Personen, Personenvereinigungen etc.).
Die W-IdNr. dient der eindeutigen und dauerhaften Identifizierung von wirtschaftlich Tätigen im Besteuerungsverfahren. Diese wird bundeseinheitlich vergeben und ändert sich auch bei einem Um-/Fortzug nicht. Ziel ist es, die Kommunikation zwischen den wirtschaftlich Tätigen und Behörden sowie zwischen den Behörden im Besteuerungsverfahren zu vereinfachen. Sie stellt einen wichtigen Schritt zur weiteren Digitalisierung von Verwaltungsverfahren dar. Sowohl Unternehmen als auch Verwaltung können – bei einer praxisgerechten und effizienten Ausgestaltung dieser Prozesse – von einer Beschleunigung der Verfahren und damit einer früheren Rechts- und Planungssicherheit profitieren.
Die W-IdNr. dient zudem als bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer im Sinne des Unternehmensbasisdatenregistergesetzes (UBRegG) für Unternehmen. Sie setzt sich aus den Buchstaben „DE“ und einer 9-stelligen Zifferfolge zusammen, ergänzt um ein fünfstelliges Unterscheidungsmerkmal für jede einzelne wirtschaftliche Tätigkeit (Beispiel: „DE123456789-00001“). In ihrem Aufbau entspricht die W-IdNr. damit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.). Diese ist jedoch eine eigenständige - weiterhin bestehen bleibende - Identifikationsnummer, die Unternehmen dann benötigen, wenn sie am innergemeinschaftlichen Waren- und Dienstleistungsverkehr der Europäischen Union teilnehmen. Diese muss gesondert beim BZSt beantragt werden, wobei die Erteilung ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung darstellt (§ 27a UStG).
Die Vergabe der W-IdNr. ersetzt daher nicht die gesonderte Beantragung einer USt-IdNr. Zwar erhält jeder wirtschaftlich Tätige automatisch eine W-IdNr. Da aber nicht jeder wirtschaftlich Tätige eine USt-IdNr. zur Verwendung im EU-Binnenmarkt benötigt, muss diese wie bisher beim BZSt beantragt werden.
Die W-IdNr. wird in einem zeitlich gestaffelten Verfahren „ausgerollt“, wobei hierfür eine Antragstellung seitens des Steuerpflichtigen nicht erforderlich ist. Zuständig für die Vergabe und Verwaltung der W-IdNr. ist das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt), welches auf seiner Homepage umfangreiche Informationen sowie einen FAQ-Katalog bereitgestellt hat.
Stufe 1: Sofern Unternehmen bis zum 30. November 2024 eine USt-IdNr. erteilt wurde, entspricht diese Nummer ab dem 3. Dezember 2024 der W-IdNr., wobei zusätzlich das Unterscheidungsmerkmal „-00001“ angefügt ist. Die Zuteilung erfolgte im Rahmen einer sogenannten „öffentlichen Bekanntgabe“, welche am 2. Oktober 2024 im Bundessteuerblatt 2024, Teil I, S. 1269 f. veröffentlicht wurde. Ein gesondertes Schreiben an die betroffenen Unternehmen oder steuerliche Berater erfolgt daher nicht.
Stufe 2: Für Unternehmen, die bislang noch keine USt-IdNr. besitzen, jedoch umsatzsteuerlich erfasst oder als Kleinunternehmer registriert sind, erfolgt die Vergabe der W-IdNr. stufenweise ab dem 1. Dezember 2024 im Wege einer elektronischen Mitteilung. Erforderlich ist, dass die Unternehmen über ein ELSTER-Benutzerkonto verfügen. Haben Unternehmen ihrem steuerlichen Berater eine Bekanntgabevollmacht erteilt, erfolgt die Mitteilung an diesen.
Stufe 3: Bei allen anderen wirtschaftlich Tätigen erfolgt die elektronische Zuteilung der W-IdNr. voraussichtlich ab dem III. Quartal 2025 und soll im Jahr 2026 abgeschlossen werden.
Die W-IdNr. wird bis 2025 mit dem fünfstelligen Unterscheidungsmerkmal 00001 zugeteilt. Werden mehrere wirtschaftliche Tätigkeiten ausgeübt, wird das BZSt ab 2026 weitere Unterscheidungsmerkmale vergeben und die Betroffenen hierüber informieren.
Wurde die Wirtschafts-Identifikationsnummer erteilt, jedoch die Daten vergessen beziehungsweise sind nicht mehr auffindbar, so kann eine erneute Mitteilung beantragt werden. Hierzu steht auf der Website des BZSt ein entsprechendes Kontaktformular zur Verfügung, wobei die Bearbeitungsdauer zurzeit circa 8 Wochen beträgt.
Die W-IdNr. soll als Merkmal der eindeutigen Identifizierung eines wirtschaftlich Tätigen im Besteuerungsverfahren dienen. Steuerpflichtige sowie Dritte, die Daten eines wirtschaftlich Tätigen an die Finanzbehörden übermitteln, haben diese bei Anträgen, Erklärungen oder Mitteilungen gegenüber Finanzbehörden künftig — nach Abschluss der erstmaligen Vergabe der W-IdNr.— anzugeben. Bis zum Abschluss der erstmaligen Vergabe (voraussichtlich im Jahr 2026) wird es nicht beanstandet, wenn statt der W-IdNr. die Steuernummer angegeben wird. Die Angabe der W-IdNr. ist innerhalb dieses Übergangszeitraums optional.
Hinweis: Diensteanbieter i.S.d. Digitale-Dienste-Gesetzes (DDG) sollten mit Blick auf § 5 Abs. 1 Nr. 6 DDG die Angabe der Wirtschafts-Identifikationsnummer im Impressum überprüfen.

Durchführungsverordnung der EU-Kommission für den länderbezogenen Ertragsteuerinformationsbericht

Die Europäische Kommission hat einen Durchführungsrechtsakt zur länderbezogenen Ertragsteuerinformationsberichterstattung (Public Country-by-Country-Reporting, Richtlinie (EU) 2021/2101) veröffentlicht. Der Durchführungsrechtsakt besteht aus einer Durchführungsverordnung (C(2024) 8363 final) mit vier Anhängen und konkretisiert die Form und das Format der Berichterstattung.
Mitte 2023 ist das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2101 im Hinblick auf die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen durch bestimmte Unternehmen und Zweigniederlassungen in Kraft getreten. Mit dem Durchführungsrechtsakt und seinen Anhängen, der erst mit Veröffentlichung im Amtsblatt verbindlich wird, werden ein gemeinsames Muster und elektronische Berichtsformate geregelt.
Die betroffenen Unternehmen haben die Verordnung auf Ertragsteuerinformationsberichte für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1. Januar 2025 beginnen, anzuwenden.
Die oben genannte Public Country-by-Country-Reporting Richtlinie regelt die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen multinationaler umsatzstarker Unternehmen und Konzerne, die in der EU entweder ansässig sind oder aber Tochterunternehmen oder Zweigniederlassungen einer bestimmten Größe haben, in einem Ertragsteuerinformationsbericht. Die Erstellung und Offenlegung von Ertragsteuerinformationsberichten sind erstmals für ein nach dem 21. Juni 2024 beginnendes Geschäftsjahr anzuwenden, vgl. Art. 90 EGHGB. Umgesetzt sind die Regelungen der Richtlinie in den §§ 342ff. HGB beziehungsweise sind das Muster und die Formatvorgaben in § 342l HGB verankert.
Die offenzulegenden Informationen sind entsprechend des Musters aufzuführen, vgl. Artikel 3 der Verordnung und Anhang I. Der Bericht ist im XHTML-Format zu erstellen und elektronisch auszuzeichnen, vgl. Artikel 4 der Verordnung und Anhang II bis IV.
Über die Veröffentlichung der Durchführungsverordnung im Amtsblatt werden wir informieren.
Die noch nicht im Amtsblatt veröffentlichte Durchführungsverordnung und ihre Anhänge ist – auch in deutscher Sprache – auf der Webseite der Europäischen Kommission abrufbar.

Billionaire’s Tax in der Diskussion

Die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) haben in Rio de Janeiro eine Absichtserklärung verfasst, eine wirksame Besteuerung von vermögenden Privatpersonen vorzunehmen. Keine Einigkeit bestand hinsichtlich der im Auftrag der brasilianischen G20-Präsidentschaft erarbeiteten „Milliardärssteuer“, welche eine jährliche Mindestbesteuerung von Personen mit einem Vermögen von mindestens 1 Milliarde USD mit 2 Prozent ihres Vermögens vorsieht.
Besonderer Schwerpunkt der brasilianischen G20-Präsidentschaft 2024 war die Bekämpfung von Hunger, Armut, den Folgen der Klimaerwärmung und der globalen Ungerechtigkeit („globaler Süden“). Die hierzu erforderlichen finanziellen Mittel könnten, so der Vorschlag des brasilianischen Staatspräsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und des Finanzministers Fernando Haddad, durch eine sogenannte Milliardärssteuer generiert werden, die auch Unternehmer treffen könnte.
Das Konzept eines „Coordinated Minimum Effective Taxation Standard for Ultra-High-Net-Worth Individuals“ wurde von Gabriel Zucman, Professor an der Paris School for Economics (PSL) und der University of California, Berkely entwickelt. Zucman ist zugleich Direktor des im Jahr 2021 gegründeten EU-Tax Observatory (EUTO) in Paris und forscht insbesondere zu den Auswirkungen der weltweiten Vermögens- und Einkommensungleichheit.
Der am 25. Juni 2024 vorgestellte Bericht (Blueprint) schlägt die Einführung eines internationalen Besteuerungsstandards für vermögende Privatpersonen vor: Diese sollen jährlich eine Steuerzahlung von mindestens 2 Prozent ihres Vermögens leisten.
Dem neuen Besteuerungsregime sollen Privatpersonen mit einem Gesamtvermögen (Vermögensgegenstände, Grundbesitz, Gesellschaftsanteile, Wertpapiere etc.) von mindestens 1 Milliarden USD („Ultra-High-Net-Worth Individuals“ - UHNWI) unterliegen. Diese sollen einer effektiven jährlichen Mindestbesteuerung von mindestens 2 Prozent ihres Vermögens unterworfen werden („minimum effective taxation“).
Den teilnehmenden Staaten bliebe es freigestellt, diese effektive Steuerbelastung entweder im Wege der regulären nationalen Einkommens- beziehungsweise Vermögensbesteuerung oder einer zusätzlich erhobenen Ergänzungssteuer (Top-up Tax) herzustellen.
Nach Berechnungen von Zucman würden weltweit ca. 2.900 – 3.000 Personen mit einem Vermögen von mindestens 1 Milliarden USD erfasst. Basierend auf einem Steuersatz von 2 Prozent könnten ca. 200 – 250 Milliarden USD an zusätzlichen Steuereinnahmen p.a. erzielt werden.
Zur Erhebung einer derartigen (nationalen) Ergänzungssteuer wäre ein koordinierter Informationsaustausch der Steuerverwaltungen erforderlich, um eine breite Erfassung des Vermögens (auch versteckten Vermögens) vornehmen zu können. Hierzu könnte ein neuer Reporting Standard for Ultra-High-Net-Worth Individuals etabliert werden, der Bankkonten, Aktienbesitz, Grundbesitz etc. umfasst. Vermögenswerte wie Boote, Kunstgegenstände etc. werden hingegen als vernachlässigbare Größen angesehen. Bei der Umsetzung könnte auf Erfahrungen aus dem internationalen Besteuerungsprojekt zur Globalen Mindestbesteuerung von Unternehmen (GloBE/Pillar Two) aufgebaut werden, an dem bislang über 130 Staaten teilnehmen.
Dem Vorschlag liegt die These zugrunde, dass superreiche („super-rich“) Privatpersonen einem geringeren Einkommensteuersatz als Bezieher geringer beziehungsweise mittlerer Einkommen unterliegen, da diese in der Lage sind, steuerpflichtiges Einkommen durch die Nutzung von Holdinggesellschaft und ähnlicher Strukturen zu vermeiden.
Auf dem G20-Summit am 18./19. November 2024 verständigten sich die Staats- und Regierungschefs in ihrem Abschlusscommuniqué („Leaders‘ Declaration“) nicht auf diesen Vorschlag, sondern auf gemeinsame Anstrengungen zur Sicherstellung einer effektive Besteuerung von entsprechenden Personen [„20. With full respect to tax sovereignty, we will seek to engage cooperatively to ensure that ultra-high-net-worth individuals are effectively taxed. … ]“ .Es ist zu erwarten, dass dieses Dossier von der am 1. Dezember 2024 beginnenden südafrikanischen G20-Ratspräsidentschaft weitergeführt wird.
Die Umweltorganisation Greenpeace hat am 6. Dezember 2024 ein – an den G20-Bericht angelehntes – Steuerkonzept veröffentlicht („BILLIONS FOR MILLIONS - Eine Milliardärssteuer mit ökologischer Lenkungswirkung für eine gerechte Zukunft“). Dieses sieht eine Steuer von 2 Prozent auf Vermögen ab 100 Millionen Euro vor und würde ca. 4.700 sogenannte „Superreiche“ in Deutschland betreffen. Investiertes Vermögen, das nicht den Pariser Klimazielen entspricht, soll zudem mit 0,5 Prozent höher besteuert werden. Zwischen 2025 und 2030 könnten nach Angaben von Greenpeace ca. 200 Milliarden Euro an Mehreinnahmen generiert werden, wobei die Studie Vorschläge zur konkreten Mittelverwendung unterbreitet.
Für die avisierte Besteuerung wäre eine konkrete und rechtssichere Zuordnung von Vermögenswerten zu einem Steuersubjekt zwingend erforderlich. Dieses kann sich jedoch zum Beispiel bei einem Abweichen der juristischen von der wirtschaftlichen Berechtigung (beneficial ownership) oder der Zwischenschaltung von Beteiligungsgesellschaften schwierig gestalten. Der Besteuerungszugriff müsste mit den vorhandenen Ressourcen der Finanzverwaltung bewältigt und für die in Frage kommenden Steuerpflichtigen ein weltweites Verzeichnis der ihm zuzuordnenden Vermögenswerte erstellt und ständig aktualisiert werden. Hierzu müssten alle beteiligten Finanzverwaltungen ein gemeinsames Vermögensregister erstellen, um die Vermögensgegenstände vollständig zu erfassen. Überdies müsste eine Einigung der Staaten erzielt werden, welcher Staat (oder mehrere Staaten in welchem Verhältnis) die Besteuerung vornehmen dürfen, wie eine Betriebsprüfung ablaufen und vor welchen (nationalen) Gerichten der Rechtsweg beschritten werden könnte.

Veranstaltungen und Newsletter

Auch im nächsten Jahr wird es von unserer Handelskammer wieder zahlreiche Informationsveranstaltungen, darunter auch solche zum Thema Steuern, geben. Schauen Sie gelegentlich in unsere Veranstaltungsdatenbank, um zu sehen, ob etwas passendes für Sie dabei ist. Falls Sie nichts verpassen und am Puls der Wirtschaft in Hamburg bleiben wollen, abonnieren Sie auch gerne den Newsletter unserer Handelskammer.