Steuerinfo Dezember 2022

EuGH entscheidet zur deutschen Organschaft im Umsatzsteuerrecht

Sind so genannte Innenumsätze zwischen den Mitgliedern einer umsatzsteuerlichen Organschaft steuerpflichtig? Diese für die Zukunft der Organschaft aus Sicht der Unternehmen entscheidende Frage bleibt offen. Hierzu müssen die Folgeentscheidungen des BFH abgewartet werden. Klarheit schafft der EuGH zur Frage des Steuerpflichtigen und zur Beurteilung der so genannten finanziellen Eingliederung.
Die umsatzsteuerliche Organschaft war in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand gerichtlicher Verfahren, was deren rechtskonforme Anwendung für alle Beteiligten nicht immer vereinfacht hat. Nunmehr hatte der Bundesfinanzhof (BFH) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in zwei so genannten Vorabentscheidungsverfahren mehrere Fragen vorgelegt, die die deutschen Vorschriften zur Organschaft und deren Zukunft für Unternehmen und Finanzverwaltung in den Grundfesten erschüttern konnten.
Auf die Frage, ob das deutsche Recht den Organträger als Steuerpflichtigen der Gruppe vorsehen darf oder aber ausschließlich die Mehrwertsteuergruppe als solche den Steuerpflichtigen bilden kann, bestätigte der EuGH das deutsche Recht. Er führt in beiden Entscheidungen (Urteile C-141/20 und C-269/20 vom 1. Dezember 2022) fast wortgleich aus, dass grundsätzlich zwar die Mehrwertsteuergruppe (in Deutschland: Organschaft) an sich der Steuerpflichtige ist. Gleichwohl kann auch ein Mitglied dieser Gruppe – nämlich wie in Deutschland vorgesehen ihr Organträger – zum einzigen Steuerpflichtigen für Mehrwertsteuerzwecke bestimmt werden. Geknüpft ist diese Ausnahme daran, dass der Organträger in der Lage sein muss, seinen Willen bei den anderen Mitgliedern dieser Gruppe durchzusetzen. Zudem darf daraus keine Gefahr von Steuerverlusten resultieren.
Eine Absage erteilte der EuGH der restriktiven deutschen Regelung, das Vorliegen einer Organschaft unter anderem an die Bedingung knüpft, dass der Organträger zusätzlich zu einer Mehrheitsbeteiligung an der Organgesellschaft über eine Stimmrechtsmehrheit bei ihr verfügen muss. Damit dürfte die bisherige nationale Verwaltungsregelung zur finanziellen Eingliederung in Abschn. 2.8 Abs. 5 Satz 2 Umsatzsteueranwendungserlass (UStAE) nicht mehr haltbar sein. Ebenso wird das von der nationalen Verwaltungsauffassung geforderte Über-/Unterordnungsverhältnis beziehungsweise die Eingliederung mit Durchgriffsrechten vom EuGH als zu restriktiv betrachtet.
Offen lässt der EuGH allerdings, wie der Organträger seinen Willen bei den anderen Mitgliedern der Gruppe durchsetzen können soll, wenn er nicht über eine Stimmrechtsmehrheit verfügt.
Trotz der Zugehörigkeit zur Organschaft sieht der EuGH die Mitglieder der Gruppe dennoch als selbständig an. Ob sich das auf die Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen zwischen Mitgliedern der Mehrwertsteuergruppe auswirkt, bleibt offen. In einem der Urteile geht der EuGH zwar davon aus, dass die Organgesellschaft an den Organträger entgeltliche Leistungen erbringen kann. Er trifft aber keine ausdrückliche Aussage zur Steuerbarkeit dieser Leistungen. Zugleich betont der EuGH, dass in einer Mehrwertsteuergruppe alle Mitglieder zu einem Steuerpflichtigen „verschmelzen“ und nur eine Mehrwertsteuernummer erhalten. Dies dürfte aber der Annahme entgegenstehen, dass die Leistungen Umsatzsteuer auslösen können. Denn auf beiden Seiten stünde sich derselbe Steuerpflichtige gegenüber.
Die Hoffnung liegt nun bei den Folgeentscheidungen des BFH. Im Anschluss an die EuGH-Entscheidungen sind zwar keine gravierenden Abweichungen zu den von diesen aufgestellten Grundsätzen zu erwarten. Insbesondere zur Frage der Nicht-Steuerbarkeit von Innenumsätzen wird entscheidend sein, wie der BFH die Grundsätze des EuGH ganz konkret ausfüllt. Es bleibt also weiterhin spannend.

Jahressteuergesetz 2022 im parlamentarischen Verfahren zum Teil entschärft und verbessert

Der Bundestag hat am 1. Dezember 2022 in zweiter und dritter Lesung dem Jahressteuergesetz 2022 in Gestalt der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zugestimmt.
Eine deutliche Verbesserung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf ist, dass weiterhin für betriebliche Immobilien die Möglichkeit besteht, von der gesetzlich vorgegebenen Nutzungsdauer von 33 Jahren Weise abzuweichen. Ursprünglich sollte diese Nachweismöglichkeit gestrichen werden.
Weiterhin sieht der Entwurf eine Erhöhung der maximalen Arbeitszimmerpauschale auf 1260 Euro und der früheren Home-Office Pauschale von fünf auf sechs Euro vor.
Wesentliche Änderungen gegenüber dem Gesetzentwurf ergaben sich zwischenzeitlich durch die Steuerpflicht der Entlassungen seitens der Gaspreisbremse. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, Übergewinne aus den Bereichen Öl, Gas und Raffinerie mit 33 Prozent zu versteuern. Der Referenzwert hierfür sollen bei den entsprechenden Unternehmen die Gewinne der Jahre 2018-2021 zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 20 Prozent sein.

Nullsteuersatz für kleine Photovoltaikanlagen

Manche Betreiber kleiner Photovoltaikanlagen haben die Option der Umsatzsteuer gewählt, um den Vorsteuerabzug aus Anschaffung und Installation ihrer Anlage zu erhalten. Um ihnen damit verbundene und nicht unerheblichen Erklärungspflichten in den Folgejahren zu ersparen, hat der Gesetzgeber im Jahressteuergesetz 2022 eine Steuerbefreiung auf den Weg gebracht. Das Gesetz muss noch vom Bundesrat gebilligt werden; danach können die Betreiber umsatzsteuerrechtlich aufatmen.
Auf die Lieferung und Installation bestimmter Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) wird ab dem Jahr 2023 keine Umsatzsteuer fällig. Gleichwohl kann der Lieferant beziehungsweise Installateur den Vorsteuerabzug aus seinen Eingangsleistungen wie zum Beispiel aus dem Einkauf von Solarmodulen und Speicher geltend machen. Um diese echte Befreiung von der Umsatzsteuer zu erreichen, wird ein so genannter Nullsteuersatz eingeführt – ein Novum im deutschen Umsatzsteuerrecht.
Der Nullsteuersatz ist auf kleine PV-Anlagen beschränkt, die auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen oder öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert werden. Diese Voraussetzung gilt als erfüllt, wenn die installierte Bruttoleistung der PV-Anlage laut Marktstammdatenregister maximal 30 kW (peak) beträgt. Neben den Solarmodulen umfasst die Neuregelung auch die Lieferung und Installation wesentlicher Komponenten und Speicher, die dazu dienen, den erzeugten Strom zu speichern.
Lieferanten und Installateure von PV-Anlagen müssen künftig unterscheiden, ob es sich um entsprechend kleine Anlagen handelt, für die der Nullsteuersatz anzuwenden ist oder nicht. Aufgrund der 30 kW-Vermutungsregelung müssen sie sich in der Regel nicht beim Erwerber über die Nutzungsart des Gebäudes informieren.
Die Neuregelung soll zum 1. Januar 2023 in Kraft treten. Es ist derzeit unter anderem noch nicht abschließend geklärt, ob für die zeitliche Anwendung gegebenenfalls auf die Abnahme beziehungsweise Betriebsbereitschaft der Anlage maßgeblich ist – dann könnten auch bereits 2022 gelieferte, aber noch nicht betriebsbereit installierte Anlagen unter die Neuregelung fallen. Zu diesen und weiteren auch den inhaltlichen Anwendungsbereich der Regelung betreffenden Fragen wird sich die IHK-Organisation für eine möglichst kurzfristige Klarstellung einsetzen.
Die Einführung des Nullsteuersatzes soll für die Betreiber zu einer Bürokratieentlastung führen. Der Anlagenbetreiber muss künftig nicht mehr auf die Kleinunternehmerregelung verzichten, um sich die bislang anfallende Umsatzsteuer von 19 Prozent als Vorsteuer zurückzuholen. Dieser Verzicht bedeutet auch immer, dass er für mindestens fünf Jahre verpflichtet ist, wie jeder andere Unternehmer Umsatzsteuererklärungen abzugeben. Der Nullsteuersatz zwingt ihn künftig nicht mehr faktisch, diesen Aufwand auf sich zu nehmen.

Inflationsausgleichsprämie § 3 Nr. 11c Einkommensteuergesetz

Das Bundesfinanzministerium hat 24 Fragen und die dazugehörigen Antworten zum persönlichen und sachlichen Umfang der Inflationsausgleichsprämie gem. § 3 Nr. 11c Einkommenssteuergesetz (EStG) veröffentlicht.
Bei der Inflationsausgleichsprämie handelt es sich um einen Betrag von bis zu 3.000,00 €, den Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern in dem Zeitraum vom 26.10.22 bis 31.12.2024 steuer- und sozialabgabenfrei gewähren können.
Unter folgendem Link gelangen Sie zu der Seite:
Bundesfinanzministerium - FAQ zur Inflationsausgleichsprämie nach § 3 Nummer 11c Einkommensteuergesetz

Elektronische Kassensysteme: Zertifikatsablauf für D-TRUST/Cryptovision-TSE zum 8. Januar 2023

Das Zertifikat der durch die D-Trust GmbH vertriebene „D-TRUST TSE Version 1.0“ verliert seine Gültigkeit mit Ablauf des 7. Januar 2023. Elektronische Kassen(systeme), welche mit dieser Technischen Sicherheitseinrichtung abgesichert sind, erfüllen daher ab dem 8. Januar 2023 nicht mehr die gesetzlichen Anforderungen. Das Bundesfinanzministerium hat jedoch angeordnet, dass entsprechende Systeme bis zum 31. Juli 2023 genutzt werden dürfen, wenn die Weiterverwendung gegenüber dem Finanzamt angezeigt wird.
Mit dem sog. Kassengesetz“ [Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22. Dezember 2016] wurde in § 146a AO die Verpflichtung eingeführt, dass ab dem 1. Januar 2020 elektronische Kassen(systeme) beziehungsweise Aufzeichnungssysteme i.S.v. § 146a Abs. 1 S. 1 AO i. V. m. § 1 S. 1 KassenSichV sowie die damit zu führenden digitalen Aufzeichnungen durch eine zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) zu schützen sind.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hat darauf hingewiesen, dass die Zertifizierung der Version 1 der TSE der Firma cv cryptovision GmbH mit Ablauf des 7. Januars 2023 ausläuft, so dass diese TSE ab diesem Zeitpunkt nicht mehr den Anforderungen des § 146a Abs. 1 S. 1 AO genügt und der Weiterbetrieb des entsprechend abgesicherten Kassen(systems) nicht mehr zulässig wäre.
Mit Blick auf die besonderen Härten für Unternehmen, die ihre Kassen(systeme) mit einer derartigen TSE abgesichert haben, hat die IHK-Organisation gemeinsam mit dem ZDH und den Handelsverbänden HDE und BGA gegenüber den Finanzbehörden von Bund und Ländern auf eine unkomplizierte Lösung gedrängt. Um genügend Vorlauf für den erforderlichen Austausch dieser nicht mehr zertifizierten TSE zu schaffen, hat das Bundesfinanzministerium eine bis zum 31. Juli 2023 befristete Nichtbeanstandungsregelung verfügt. Demnach muss zwar der Austausch unverzüglich in Angriff genommen werden, jedoch können Unternehmen die bisher verwendete, nicht mehr zertifizierte TSE [TSE Version 1 der Firma cv cryptovision GmbH, vertrieben unter dem Namen DTRUST TSE-Modul] bis zum 31. Juli 2023 weiternutzen, wenn diese vor dem 7. Juli 2022 erworben und eingebaut wurde. Für diesen Zeitraum werden aus dem Fehlen der Zertifizierung keine nachteiligen Folgen gezogen. Allerdings muss die Weiternutzung dem zuständigen Finanzamt schriftlich oder elektronisch angezeigt werden.
Empfehlung: Unternehmen, welche eine entsprechende TSE zur Sicherung ihres Kassen(systems) verwenden, sollten sich umgehend mit ihrem Kassenhändler in Verbindung setzen, bei dem das TSE-Modul erworben wurde, und gemeinsam über eine sachgerechte, betriebsbezogene Lösung beraten (gegebenenfalls Austausch, anderer Hersteller, Umstellung auf Cloud-TSE etc.). Zugleich sollte formlos das Finanzamt über den Weiterbetrieb informiert werden.

Beschluss des Bundesfinanzhofs: Entgelt für mietvertragliche Werbefläche beim Arbeitnehmer für Werbung des Arbeitgebers unterfällt der Lohnsteuer

Der Bundesfinanzhof hat in einem Revisionsverfahren mit Beschluss vom 21. Juni 2022 (VI R 20/20) entschieden, dass ein Entgelt an den Arbeitnehmer für mietvertragliche Werbeflächen des Arbeitgebers der Lohnsteuer unterliegt.

Die Revisionsklägerin schloss als mittelständiges Unternehmen mit einer Vielzahl ihrer Mitarbeiter einen Mietvertrag über Werbeflächen ab. Vertragsgegenstand war das Anbringen eines Werbeschriftzuges für die Revisionsklägerin an die privaten Pkws ihrer Mitarbeiter gegen ein jährliches Entgelt i.H.v. 255 €. Die Revisionsklägerin hat für dieses Entgalt keine Lohnsteuer abgeführt und wurde durch das Finanzamt (Revisionsbeklagte) aufgrund eines Haftungsbescheids vom 05.07.2017 i.H.v. 2.214,80 € für den Zeitraum vom 01.01.2013 bis 31.05.2017 in Anspruch genommen.
Einspruch und Klage gegen diesen Haftungsbescheid blieben erfolglos. Auch die Revision gegen das abweisende Urteil des Finanzgerichts Münsters (03.12.2019 – 1 K 3320/18) wurde zurückgewiesen.
Nicht jede Zahlung eines Arbeitgebers an seine Arbeitnehmer stellt einen Arbeitslohn dar. Ein Arbeitgeber kann mit seinem Arbeitnehmer neben dem Arbeitsvertrag weitere eigenständige Verträge abschließen. Kommt einem gesondert abgeschlossenen Vertrag allerdings kein eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zu, kann es sich insoweit um eine weitere Arbeitslohnzahlung handeln, die der Lohnsteuer unterliegt.
Das Revisionsgericht führt aus, dass es sich hierbei um Einkünfte nicht selbstständiger Arbeit (Arbeitslohn) i.S.d. § 19 I Nr. 1 EStG handelt, die durch das Dienstverhältnis veranlasst wurden. Dafür sprechen die Laufzeiten der Mietverträge, die an die bestehenden Arbeitsverhältnisse geknüpft waren. Der Mietvertrag über die Werbefläche stellt kein Sonderrechtsverhältnis dar, da diesem kein eigener wirtschaftlicher Gehalt zuzuweisen ist.
Die Revisionsklägerin haftet als Arbeitgeberin für die Lohnsteuer gem. § 42d I Nr. 1 EStG. Die Lohnsteuer ist nach § 38 I, III 1 EStG vom Arbeitslohn für die Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a I 1 Nr. 2 EStG an das Finanzamt abzuführen.

Die IHK-Organisation verabschiedet Leitlinien für eine Neuausrichtung zum internationalen Steuerrecht

Der Vorstand der IHK-Organisation hat am 22. November 2022 ein Positionspapier zum Internationalen Steuerrecht beschlossen, in dem die Leitlinien und Forderungen der IHK-Organisation mit Blick auf eine unternehmensfreundliche Ausgestaltung der steuerlichen Rahmenbedingungen für grenzüberschreitend tätige Unternehmen dargelegt werden.
Internationalisierung ist für deutsche Unternehmen Alltag. Neben großen nutzen auch kleine und mittelgroße Unternehmen, vielfach eigentümergeführt, Produktions- und Absatzmärkte im Ausland und sichern dadurch ihre Marktposition. Umgekehrt investieren ausländische Unternehmen in Deutschland, schaffen Arbeits- und Ausbildungsplätze und tragen zu Wohlstand und Wachstum bei. Die zunehmende internationale Arbeitsteilung, die durch die Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine nochmals modifiziert wurde, bedarf jedoch neuer steuerlicher Rahmenbedingungen, welche die grenzüberschreitenden Aktivitäten der Unternehmen unterstützen – und nicht behindern.
Internationale Unternehmensbesteuerung ist jedoch keine nationale Angelegenheit (mehr): Vielmehr handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel sowohl der beteiligten nationalen Steuerrechtsordnungen, der Europäischen Richtlinien und Verordnungen als auch der internationalen Regelungen auf Ebene der OECD beziehungsweise des Inclusive Framework.
In dem Positionspapier hat sich die IHK-Organisation daher für einen kohärenten multilateralen Ansatz ausgesprochen, der auf allen Regelungsebenen unternehmensfreundliche Maßnahmen vorsieht, damit Unternehmen ohne das Risiko von Doppelbesteuerungen und übermäßigen Befolgungskosten im globalen Wettbewerb ressourceneffektiv agieren können.
Besonderes Augenmerk hat die IHK-Organisation auf die aktuellen OECD/IF-Aktivitäten gelegt: Zurzeit arbeiten die Finanzverwaltungen von 141 Staaten unter dem Dach der OECD an einer grundlegenden Reform der internationalen Steuerarchitektur, welche unter dem Namen „2-Säulen-Projekt“ großes internationales Aufsehen hervorgerufen hat. Mit Blick auf den avisierten Start der neuen Regelungen im Jahr 2024 haben wir die wichtigsten Petita der IHK-Organisation herausgearbeitet, die für Unternehmen von Bedeutung sind.
Die Gesetzgebung der Europäischen Union ist von besonderer Bedeutung, da der deutsche Gesetzgeber diese ohne Änderungsmöglichkeit in deutsches Recht überführen muss. Aufgrund des geltenden Einstimmigkeitsprinzip ist eine aktive Mitarbeit der deutschen Bundesregierung im Vorfeld der EU-Beschlüsse notwendig, um unternehmensfreundliche Rahmendbedingungen zu schaffen. Leider standen in der Vergangenheit eher fiskalpolitisch ausgerichtete Regelungen im Vordergrund (zum Beispiel „ATAD-Richtlinien“) der EU-Aktivitäten. In unserem Positionspapier fordern wir daher einen Paradigmenwechsel, der die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen der Unternehmen im Binnenmarkt in den Vordergrund stellt.
Gerade bei grenzüberschreitenden Investitionsvorhaben (Inbound wie Outbound) ist ein hinreichendes Maß an Planungssicherheit und Verlässlichkeit (sog. Tax Certainty) unerlässlich. Planbarkeit und Verlässlichkeit des deutschen Steuerrechts sind jedoch nicht zuletzt durch etliche „Anti-Missbrauchsnormen“ zurückgegangen, mit denen vermeintliche Steuerschlupflöcher geschlossen werden sollen. Diese Maßnahmen haben die Komplexität der Steuerregeln stark erhöht und dazu beigetragen, dass diese für Unternehmen und Finanzverwaltung kaum mehr zu handhaben sind.
In dem Positionspapier hat die IHK-Organisation die wichtigsten Druckstellen benannt, die Unternehmen behindern. Zugleich wurden Vorschläge unterbreitet, wie die grenzüberschreitenden Aktivitäten durch „gute“ steuerliche Regelungen unterstützt werden können. Neben der für Familienunternehmen wichtigen Wegzugsbesteuerung fordert die IHK-Organisation auch eine Reformierung der Hinzurechnungsbesteuerung sowie weiterer sogenannter „Anti-Missbrauchsvorschriften“. Zugleich wird das Thema der Betriebsprüfung und der zunehmenden Melde- und Befolgungspflichten, welche Unternehmen belasten, adressiert. Ebenfalls sollte das Netz der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen verbessert und ausgebaut werden; hierbei kann die IHK-Organisation mit ihren Auslandshandelskammern, Delegationen und Repräsentanzen an rund 150 Standorten in 93 Staaten unterstützen und wichtige Impulse geben.

Steigende Kreditrisiken können Kreditversorgung der Wirtschaft gefährden

Der Finanzstabilitätsbericht 2022 warnt vor einer substanziellen Verschlechterung des makrofinanziellen Umfelds. Hohe Energiekosten und Inflationsraten, schnell steigende Zinsen und geringe Wachstumsaussichten führen zu hohen Abwärtsrisiken. Bisher habe es aber aus Sicht der Bundesbank keine Beschränkung der Kreditversorgung der Wirtschaft gegeben.
Die Bundesbank fordert von den Finanzinstituten, angesichts dieser Risiken aus eigener Kraft ausreichend resilient zu sein. In ihrem kritischen Befund sieht die Bundesbank bei den Banken keine hinreichende Vorsicht. So würden die Kreditrisiken derzeit zu gering eingeschätzt werden. Die Banken sollten stärker die Auswirkungen von Stressszenarien prüfen und angesichts der hohen Unsicherheiten eine höhere Risikovorsorge betreiben und nur vorsichtig Gewinne ausschütten.
Die Bundesbank unterstützt in ihrem Bericht außerdem den Anfang 2022 von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) eingeführten antizyklischen Kapitalpuffer.
Diesen zusätzlichen Kapitalpuffer sollen die Banken in Zeiten eines übermäßigen Kreditwachstums aufbauen, um mögliche Verluste besser absorbieren zu können. Er darf im Krisenfall explizit aufgezehrt werden. Dadurch soll die Entstehung einer Kreditklemme vermieden werden.
Aus Sicht der Bundesbank gibt es aber aktuell keinen Anlass, diesen Kapitalpuffer wieder abzubauen. Erst bei signifikanten Verlusten im Finanzsystem oder übermäßigen Einschränkungen der Kreditvergabe sei daran zu denken. „Makroprudenzielle Politik ist keine Konjunkturpolitik,“ sagte Vizepräsidentin Claudia M. Buch bei der Vorstellung des Berichts. Für Anpassungen des antizyklischen Kapitalpuffers sei der Finanzzyklus, nicht der Konjunkturzyklus maßgeblich.
Finanzzyklen und Konjunkturzyklen sind nicht voneinander zu trennen, auch wenn es zeitliche Abweichungen geben mag. Im Zuge möglicher weiterer Zinsschritte der Europäischen Zentralbank und der regulatorischen Anforderungen sollte die Bundesbank die Situation gut beobachten, ob nicht doch in den nächsten Monaten eine Kreditklemme auftritt. Der massive Anstieg bei kurzfristigen Krediten im September und Oktober ist eher als Warnsignal denn als Entwarnung zu verstehen.
Der jährliche Finanzstabilitätsbericht der Deutschen Bundesbank erscheint seit 2005. Als Lehre aus der globalen Finanzkrise von 2007/08 haben diese Berichte massiv an Bedeutung gewonnen.

Steuermaßnahmen: Überarbeitung des europäischen Verhaltenskodex

Der Rat Wirtschaft und Finanzen hat am 8. November einen überarbeiteten Verhaltenskodex angenommen. In dem Kodex verpflichten sich die EU-Mitgliedstaaten, bestehende steuerliche Maßnahmen, die tatsächlich oder potenziell einem "schädlichen" Steuerwettbewerb Vorschub leisten, abzuschaffen.
Die Mitgliedsstaaten werden auch künftig von der Einführung derartiger Maßnahmen absehen. Da der Fokus der Prüfung sich weitet, zeichnet sich eine Ausweitung der steuerlichen Berichtspflichten für Unternehmen ab.
"Schädliche" Maßnahmen bewirken laut Rat, dass Einkünfte in keinem der beteiligten Staaten besteuert werden oder Steuervergünstigungen mehrfach in Anspruch genommen werden können. Mit dem überarbeiteten Verhaltenskodex wird insbesondere das Konzept der "steuerlichen Besonderheiten mit allgemeiner Geltung" eingeführt. Auch das Verfahren für die Beurteilung dieser Besonderheiten wird dann dort geregelt. Bislang wurden lediglich steuerliche Sonderregelungen oder Ausnahmen vom allgemeinen Steuersystem geprüft. Zukünftig werden auch allgemeine steuerliche Merkmale in den Fokus genommen.
Der neue Kodex gilt ab dem 1. Januar 2024. Er erstreckt sich auf alle steuerlichen Besonderheiten mit allgemeiner Geltung, die ab dem 1. Januar 2023 eingeführt werden.
Endredaktion: Viola Friedrichs