Steuerinfo April 2024
- Erste Hinweise zum Jahressteuergesetz 2024
- Neue Verwaltungsanweisungen zu Betriebsstätten und zum Ort der Geschäftsleitung
- Anforderungen an ein elektronisches Fahrtenbuch
- Weitere Anpassungen des AEAO an das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz und das Kreditzweitmarktförderungsgesetz
- Aufzeichnung und Aufbewahrung von Geschäftsvorfällen und anderen steuerlich relevanten Daten bei Taxi- und Mietwagenunternehmen
- EU-Vorschriften zur Beilegung grenzüberschreitender Steuerstreitigkeiten
- Zukunft der Kapitalmarktunion
Erste Hinweise zum Jahressteuergesetz 2024
Wie auch in den letzten Jahren soll auch im Jahr 2024 ein Jahressteuergesetz verabschiedet werden. Dieses dient in erster Linie dazu, das Steuerrecht an aktuelle Rechtsentwicklungen, wie zum Beispiel höchstrichterliche Rechtsprechung, anzupassen.
Eine solche Reaktion auf höchstrichterliche Rechtsprechung ist die geplante Einfügung Nummer 4 in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG. Zukünftig soll hiermit eine buchwertneutrale Übertragung zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften möglich sein. Eine solche hatte das BVerfG in seiner Entscheidung vom 28. November 2023 (BvL 8/13) gefordert.
Ab 2025 soll die Regelung für Kleinunternehmer in § 19 UStG neu konzipiert werden. Nach Vorgaben des EU-Rechts muss die Kleinunternehmerregelung auch für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmen anwendbar sein. Darüber hinaus soll die Kleinunternehmergrenze von 22.000 Euro auf 25.000 Euro Vorjahresumsatz angehoben werden. Für das laufende Jahr wird der Schwellenwert von 50.000 Euro auf 100.000 Euro erhöht. Allerdings muss dieser Betrag genau im Auge behalten werden, da mit dem Überschreiten sofort die Umsatzsteuerpflicht eintritt.
In Umsetzung der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 10. Februar 2022, C-9/20, Grundstücksgemeinschaft Kollaustr. 136) soll ab 2026 aus Rechnungen von Unternehmen, die ihre Leistungen nach vereinnahmten Entgelten versteuern (Ist-Versteuerung nach § 20 UStG), der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger an dessen Bezahlung der Rechnung geknüpft werden. Hintergrund ist die Aussage des EuGH, dass der Vorsteuerabzug an die Entstehung der Umsatzsteuer anknüpft; die Umsatzsteuer entsteht bei Ist-Versteuerern jedoch erst mit Zahlungseingang. Somit knüpft der EuGH zeitlich den Vorsteuerabzug an die Zahlung.
Im Zuge dessen sollen Unternehmen, die nach vereinnahmten Entgelten versteuern, dies auch in ihren Ausgangsrechnungen dokumentieren (“Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten“, § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 UStG-E).
Beim Leistungsbezug von sollversteuernden Unternehmen verbleibt es beim Vorsteuerabzug zum Zeitpunkt, wenn die Rechnung vorliegt und die Leistung erbracht wurde.
Aus dieser Umstellung wird ein einmaliges Mehraufkommen aus der Umsatzsteuer im Jahr 2026 in Höhe von 700 Millionen Euro erwartet.
Neue Verwaltungsanweisungen zu Betriebsstätten und zum Ort der Geschäftsleitung
Mit Schreiben vom 5. Februar 2024 konkretisiert das BMF die Auffassung der Finanzverwaltung zu einer Vielzahl an Einzelpunkten, welche bereits mit sofortiger Wirkung von den Finanzbehörden anzuwenden ist.
Neben weiteren Änderungen zum Beispiel zur
- Ablaufhemmung (AEAO zu § 171),
- gesonderten Feststellung durch Teilabschlussbescheid (AEAO zu § 180),
- Zahlungsverjährung (AEAO zu § 229, § 230),
- Auskunftsrechten des Insolvenzverwalters (AEAO zu § 251)
geht das BMF insbesondere auf die Bestimmungen zum Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) und die Voraussetzungen der Begründung einer Betriebsstätte (§ 12 AO) ein.
Gemäß § 10 AO ist Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Diese ist insbesondere für die Bestimmung der Steuerpflicht (siehe unter anderem § 1 Abs. 1 KStG) relevant. Bei der Erläuterung rekurriert das BMF auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Einschaltung einer Managementgesellschaft und führt aus, dass dieses der Ort ist, an dem der für die Geschäftsleitung maßgebliche Wille gebildet wird und die für die Geschäftsführung notwendigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden.
Dabei sei auf sogenannte “Tagesgeschäfte“ abzustellen, welche der gewöhnliche Betrieb des Unternehmens mit sich bringt und welche zur gewöhnlichen Verwaltung gehören. Nicht relevant seien hingegen solche Entscheidungen, welche die Grundlagen des Unternehmens und zum Beispiel die Festlegung der “Grundsätze der Unternehmenspolitik“ betreffen.
Zwar werde die Oberleitung als Ausübung von Leitungsfunktionen üblicherweise in geeigneten Räumlichkeiten ausgeübt, jedoch sei (in Abgrenzung zu § 12 AO – Anm. des Autors) eine feste und eigene Geschäftseinrichtung nicht erforderlich. Geschäftsleitende Handlungen (im Sinne des Tagesgeschäfts) können daher auch zum Beispiel in der Wohnung des Geschäftsführers oder in Räumlichkeiten einer eingeschalteten Managementgesellschaft vorgenommen werden. Erfolgen diese an verschiedenen Orten, ist deren Bedeutung für das Unternehmen zu gewichten und im Anschluss der Hauptort zu bestimmen.
Gemäß § 12 S. 1 AO setzt die Betriebstätte eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, welche a) von einer gewissen Dauer ist, b) der Tätigkeit des Unternehmens dient und c) über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat. Mit Blick auf die örtliche Verknüpfung führt das BMF in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des BFH aus, dass bewegliche Geschäftseinrichtungen mit vorübergehend festem Standort (zum Beispiel Wochenmarktstände – in Abgrenzung zu Weihnachtsmarktständen) hierunter fallen können.
Hinsichtlich des Tatbestandsmerkmales “Verfügungsmacht“ konstatiert das BMF einerseits, dass hierzu grundsätzlich eine gesicherte Rechtsposition des Unternehmers erforderlich sei, die nicht ohne Weiteres entzogen oder verändert werden kann und von einer bloßen Berechtigung der Nutzung oder einer rein tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit abgegrenzt werden müsse. Andererseits könne jedoch eine “allgemeine rechtliche Absicherung” oder eine ständige Nutzungsbefugnis tatsächlicher Art ausreichen, wenn die Verfügungsmacht nicht bestritten werde.
Eine für die Annahme einer Betriebstätte hinreichende Nutzungsbefugnis brauche sich nicht auf einen bestimmten Raum oder eine bestimmte Fläche zu beziehen, sondern könne auch dann vorliegen, wenn der Unternehmer jeweils irgendeinen geeigneten Raum eines Gebäudes oder die wechselnde Teilfläche eines Grundstücks ständig nutzen darf. Unschädlich sei es überdies, wenn der Grundeigentümer befugt sei, dem Unternehmer einen anderen Raum oder eine andere Teilfläche zuzuweisen.
Das BMF führt aus, dass weder mit Blick auf § 12 AO noch hinsichtlich der Betriebsstättenregelungen in den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen (regelmäßig Art. 5) die Tätigkeit eines Arbeitnehmers im häuslichen Homeoffice eine Betriebsstätte des Arbeitgebers begründe.
Dies gelte auch bei:
- Übernahme der Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung durch den Arbeitgeber;
- Abschluss eines Mietvertrages über häusliche Räume des Arbeitnehmers zwischen Arbeitgeber (Mieter) und Arbeitnehmer (Vermieter), außer der Arbeitgeber ist im Einzelfall tatsächlich befugt, die Räume anderweitig zu nutzen (etwa durch ein Recht zum Entsenden anderer Arbeitnehmer in die Räume oder ein Recht zum Betreten der Räume außerhalb von Prüfungen zur Arbeitssicherheit);
- Fällen, in denen dem Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird,
da der Arbeitgeber in diesen Fällen typischerweise nicht über eine ausreichende Verfügungsmacht über die häuslichen Räumlichkeiten des Arbeitnehmers verfüge. Anderes kann jedoch gelten, wenn ein Arbeitnehmer Leitungsfunktionen ausübt und diese Verfügungsmacht des Unternehmens vermitteln.
Das Schreiben kann unter folgendem Link (Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AEAO) (bundesfinanzministerium.de) auf der Website des BMF abgerufen werden.
Unternehmen stehen insbesondere seit der Corona-Krise vor der Herausforderung, neue Formen des „remote working“ in die betrieblichen Arbeitsabläufe zu integrieren und dabei zugleich den verschiedenen rechtlichen Anforderungen gerecht zu werden. Über die lohnsteuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung des Arbeitslohnes hinaus werden eine Vielzahl an unternehmenssteuerrechtlichen Fragestellungen aufgeworfen: Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang auf die weitreichenden Konsequenzen einer möglichen Betriebsstättenbegründung des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat, wie zum Beispiel Registrierungs- und Dokumentationspflichten, die Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung, das Erfordernis der Gewinnabgrenzung und -zuordnung nach Verrechnungspreisgrundsätzen (AOA) oder das Risiko einer Funktionsverlagerung.
Anforderungen an ein elektronisches Fahrtenbuch
Der Bundesfinanzhof hat seine Rechtsprechung bestätigt, dass ein elektronisches Fahrtenbuch nur dann anerkannt werden kann, wenn nachträgliche Veränderungen an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder zumindest in der Datei selbst dokumentiert und offengelegt werden. Die Klägerin nutzte für digitale Eintragungen von Fahrten ein Computerprogramm, bei welchem die Feststellung etwaiger nachträglicher Änderungen nur durch weitere Abfragen möglich war, die allein durch den Systemadministrator durchgeführt werden konnten.
Der Bundesfinanzhof führte hierzu aus, dass die Anforderungen an ein Fahrtenbuch auf Papier und an ein elektronisches Fahrtenbuch zwar grundsätzlich nicht identisch sein können:
Die nur für ein Fahrtenbuch in Papierform geltende Vorgabe, es müsse eine “buch“-förmige äußere Gestalt haben, findet für ein elektronisches Fahrtenbuch ihre Entsprechung darin, dass nachträglich vorgenommene Änderungen – so sie nicht von vornherein technisch ausgeschlossen sind – in der durch das Computerprogramm generierten Datei selbst dokumentiert und offengelegt werden müssen. Müssen erst weitere Listen angefordert oder Abfragen bei Dritten (zum Beispiel einem Systemadministrator) durchgeführt werden, um festzustellen zu können, dass es sich bei dem in elektronischer Form geführten Fahrtenbuch um ein in sich geschlossenes Verzeichnis und damit um ein Fahrten-”Buch“ handelt, stellt eine solche Datei keine geeignete Aufzeichnungsmethode dar.
Der BFH hat bislang leider nicht festgelegt und weist hierauf sogar in seiner Entscheidung hin, wie die Dokumentation und Offenlegung und damit die “Erkennbarkeit“ nachträglicher Veränderungen bei der Führung eines elektronischen Fahrtenbuchs technisch im Einzelnen zu erfolgen hat.
Wird ein Fahrtenbuch als nicht ordnungsgemäß anerkannt, ermittelt die Finanzverwaltung den geldwerten Vorteil aus der Privatnutzung eines Firmenfahrzeugs grundsätzlich nach der 1 Prozent-/0,03 Prozent-Bruttolistenpreisregelung.
Weitere Anpassungen des AEAO an das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz und das Kreditzweitmarktförderungsgesetz
Im Anschluss an das BMF-Schreiben vom 29. Dezember 2023 (BStBl I 2024 S. 12) hat sich weiterer Anpassungsbedarf im Anwendungserlass zur Abgabenordnung an das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz und das Kreditzweitmarktförderungsgesetz ergeben.
Das BMF-Schreiben finden Sie auf der Webseite des BMF.
Aufzeichnung und Aufbewahrung von Geschäftsvorfällen und anderen steuerlich relevanten Daten bei Taxi- und Mietwagenunternehmen
Mit dem BMF-Schreiben "Aufzeichnung und Aufbewahrung von Geschäftsvorfällen und anderen steuerlich relevanten Daten bei Taxi- und Mietwagenunternehmen" werden die wesentlichen Anforderungen und bestehenden branchenüblichen Mindestaufzeichnungen für Taxi- und Mietwagenunternehmen und die in diesen Unternehmen insbesondere eingesetzten Taxameter und Wegstreckenzähler zusammengefasst.
Das BMF-Schreiben können Sie direkt von der Webseite des BMF abrufen.
EU-Vorschriften zur Beilegung grenzüberschreitender Steuerstreitigkeiten
Am 12. März 2024 hat die EU-Kommission eine öffentliche Konsultation zur Richtlinie (EU) 2017/1852 über Verfahren zur Beilegung von Steuerstreitigkeiten (Dispute Resolution Mechanism oder DRM) in der Europäischen Union gestartet.
Die Richtlinie musste bis zum 30. Juni 2019 in nationales Recht umgesetzt und soll bis zum 30. Juni auf ihre Wirkung überprüft werden. Diese Überprüfung soll ermitteln, inwieweit die Richtlinienvorschriften zur Beilegung grenzüberschreitender Steuerstreitigkeiten beitragen und Doppelbesteuerungsfragen lösen oder reduzieren können.
Konkret erwartet die Kommission Aussagen zu der Frage, ob der DRM die Verfahren zur Beilegung von Doppelbesteuerungsfällen in der EU im Vergleich zu den bereits bestehenden Mechanismen wie Mandatory Agreement Procedure/ MAP, Schiedsübereinkommen und nationale Entlastungsverfahren verbessert hat. Besonders geht es ihr um Feedback zu Artikel 3, der Beschwerdestufe und Artikel 4, der Verständigungsstufe der Streitbeilegungsrichtlinie. Da es sich um die erste Überprüfung des DRM handelt, wird sich die Befragung auf Umsetzungsaspekte konzentrieren. Nachdem sich die Mitgliedstaaten Ende 2022 bereits zu den Artikeln 3 und 4 geäußert haben, geht es nun vor allem darum, wie die ersten beiden Phasen beim Steuerzahler ankommen.
Die Konsultation geht bis zum 10. Mai 2024.
Zukunft der Kapitalmarktunion
Auf ihrem Treffen am Montag, den 11. März, haben die europäischen Finanzminister eine Erklärung über die Zukunft der Kapitalmarktunion (Capital Markets Union oder CMU) mit Handlungsanweisungen an die EU-Kommission für die nächste Amtsperiode formuliert.
Diese Erklärung enthält 13 Maßnahmen, die sich in drei Bereiche unterteilen: Stärkung der Finanzarchitektur zur Beseitigung von Hindernissen für die europäische Integration; Erleichterung des Zugangs von (Klein-) Unternehmen zu den Kapitalmärkten und Anreize für eine stärkere Beteiligung von Kleinanlegern.
Im steuerlichen Bereich sprechen sich die europäischen Finanzminister für Maßnahmen aus, die die unterschiedliche Behandlung von Fremd- und Eigenkapitalfinanzierungen abbauen. Allerdings machen sie zugleich deutlich, dass der Abbau der heutigen Verzerrungen auf nationaler Ebene erfolgen solle. Die Kommission könne einzelstaatliche Maßnahmen in diesem Bereich durch eigene Analysen und Ratschläge unterstützen. Diese Aussage macht die Verabschiedung des von den Kommissaren im Jahr 2022 vorgelegten DEBRA-Vorschlages (Debt-Equity Bias Reduction Allowance) äußerst unwahrscheinlich. Der Vorschlag war mit Blick auf weitere Vorschläge im Unternehmensteuerbereich, insbesondere dem BEFIT-Rahmen, zurückgestellt worden.
Des Weiteren sollten die Mitgliedstaaten Möglichkeiten prüfen, wie ihre jeweiligen Einkommensteuersysteme Investitionen in die Kapitalmärkte erleichtern könnten, zum Beispiel durch Neuregelungen im Bereich Kapitalgewinne und -verluste oder steuerliche Anreize für Investitionen in langfristige Anlageprodukte durch Privatkunden. Das ist quasi ein Prüfauftrag an sich selbst.