Steuerinfo April 2023
- Zwei neue Entscheidungen des BFH zur Organschaft im Umsatzsteuerrecht
- Studie des DMZ e.V. zur Einfuhrumsatzsteuer
- Nachweis kürzerer Nutzungsdauer bei Immobilien
- Referentenentwurf des BMF zum Zukunftsfinanzierungsgesetz
- Bundesverfassungsgerichtsvorlage zur Verfassungswidrigkeit der Rückwirkung von Neuregelungen zum Unterschiedsbetrag bei der Tonnagesteuer
- Urteil des Finanzgerichts Hamburg zum gewerblichen Grundstückshandel
- Mehrwertsteuer: Klarstellendes Urteil für Plattformbetreiber
- Umsatzsteuer-Umrechnungskurse
- Einführung der globalen Mindeststeuer zum 1. Januar 2024
- UN-Resolution zu Steuern
- Veranstaltungshinweis: „Umsatzsteuer im grenzüberschreitenden E-Commerce“
Zwei neue Entscheidungen des BFH zur Organschaft im Umsatzsteuerrecht
Erfordert die so genannte finanzielle Eingliederung die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft? Sind so genannte Innenumsätze zwischen den Mitgliedern einer umsatzsteuerlichen Organschaft steuerpflichtig? Die Vorlage an den EuGH zu den Innenumsätzen könnte zur Gretchenfrage für die Unternehmen werden.
Die umsatzsteuerliche Organschaft war in den letzten Jahren immer wieder Gegenstand gerichtlicher Verfahren, was deren rechtskonforme Anwendung für alle Beteiligten nicht immer vereinfacht hat. Auf zwei Vorlagen des Bundesfinanzhofs (BFH) hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) Anfang Dezember 2022 in wegweisenden Entscheidungen reagiert. Der XI. Senat hat auf dieser Basis seine Rechtsprechung zur finanziellen Eingliederung in Bezug auf das Kriterium der Willensdurchsetzung geändert. Für den V. Senat ergeben sich neue Fragen zur Behandlung von Innenumsätzen. Die Entscheidung des EuGH werden die Unternehmen mit großer Spannung erwarten, da sie über die Zukunft der Organschaft entscheiden dürfte.
Zur Frage, wer Steuerpflichtiger der Organschaft ist, hatte der EuGH Anfang Dezember 2022 entschieden, dass grundsätzlich zwar die Mehrwertsteuergruppe (in Deutschland: Organschaft) der Steuerpflichtige ist. Gleichwohl könne auch ein Mitglied dieser Gruppe – nämlich wie in Deutschland vorgesehen ihr Organträger – zum einzigen Steuerpflichtigen für Mehrwertsteuerzwecke bestimmt werden. Geknüpft ist diese Ausnahme daran, dass der Organträger in der Lage sein muss, seinen Willen bei den anderen Mitgliedern dieser Gruppe durchzusetzen. Zudem darf daraus keine Gefahr von Steuerverlusten resultieren (Urteile C-141/20 und C-269/20 vom 1. Dezember 2022).
Der XI. Senat des BFH sieht im Entscheidungsfall beide Kriterien als erfüllt an. Eine Gefahr für das Steueraufkommen sei nicht gegeben, da die Organgesellschaft nach § 73 Abgabenordnung (AO) für die Umsatzsteuer des Organträgers hafte.
Hinsichtlich der Willensdurchsetzung ändert der BFH seine Rechtsprechung. Er sieht die finanzielle Eingliederung auch dann als gegeben an, wenn dem Gesellschafter zwar nur 50 Prozent der Stimmrechte zustehen. Allerdings sei die Willensdurchsetzung bei der Organgesellschaft dadurch gewährleistet, dass er eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt. Die schwächere finanzielle Eingliederung werde durch eine besonders stark ausgeprägte organisatorische Eingliederung in Form der Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen ausgeglichen. Der Organträger könne seinen Willen in der laufenden Geschäftsführung durchsetzen und eine abweichende Willensbildung durch die 50 Prozent Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung verhindern (Rz. 37 des Urteils). Schwestergesellschaften können weiterhin allein keine Organschaft bilden (Rz. 38 des Urteils).
Nachdem der EuGH Anfang Dezember 2022 die Selbständigkeit der Mitglieder einer Mehrwertsteuergruppe / Organschaft hervorgehoben hat, steht die Frage nach der Steuerbarkeit der Umsätze zwischen den Gruppenmitgliedern (so genannte Innenumsätze) im Raum. Mit der aktuellen Vorlage des V. Senats des BFH soll dies nunmehr geklärt werden. Dabei unterscheidet der BFH,
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ob entgegen der bisherigen BHF-Rechtsprechung sämtliche entgeltlichen Leistungen zwischen Organgesellschaft und Organträger steuerbar sind (siehe Vorlagefrage 1) und
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ob dies zumindest dann der Fall ist, wenn es sich um Umsätze an einen Leistungsempfänger handelt, der nicht oder nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, da dann die Gefahr von Steuerverlusten bestehe (siehe Vorlagefrage 2).
Die Gefahr von Steuerverlusten besteht nach Ansicht des Senats, wenn der die Leistung von der Organgesellschaft beziehende Organträger – wie im Vorlagefall – nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist, da er steuerfreie Krankenhausleistungen erbringt. Im Fall der Steuerbarkeit der Innenumsätze werde die Umsatzsteuer für die Leistungen der Organgesellschaft beim Organträger definitiv, während sie bei der Nichtsteuerbarkeit der Umsätze gar nicht erst entstehe. Insoweit könne auch die Haftungsregelung des § 73 AO entsprechende Steuerverluste nicht vermeiden.
Seine Zweifel an der Nichtsteuerbarkeit stützt der V. Senat unter anderem auf die EuGH-Entscheidungen vom 1. Dezember 2022 sowie die dazu ergangenen Schlussanträge der Generalanwältin Medina.
Die Entscheidung des EuGH zum neuerlichen Vorlageverfahren wird die Zukunft der umsatzsteuerlichen Organschaft bestimmen. Sollten Innenumsätze steuerbar sein, wird sie für das Gros der Unternehmen ihren Hauptnutzen – keine umsatzsteuerlich korrekten Rechnungen stellen zu müssen – verlieren. Die vielzitierten Besteuerungsvorteile nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigter Leistungsempfänger besteht für die meisten Organschafts-Konstellationen gerade nicht. Ein Antragsverfahren wird auch für diese Unternehmensgruppen noch wichtiger.
Studie des DMZ e.V. zur Einfuhrumsatzsteuer
In einer Studie, die durch das Deutsche Maritime Zentrum vergeben wurde, wurden die unterschiedlichen Erhebungsverfahren der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) in einigen EU-Mitgliedstaaten untersucht. Ergebnis der Studie ist unter anderem, dass das aktuell in Deutschland praktizierte Erhebungsverfahren insbesondere gegenüber jenen Mitgliedstaaten einen Wettbewerbsnachteil bedeute, die ein sog. Verrechnungsmodell eingeführt haben. Ein solches Modell erlaubt es, die Einfuhrumsatzsteuer im Rahmen der Umsatzsteuer-Voranmeldung zu verrechnen. Dieses führt zur Schonung von Liquidität von Unternehmen. Deutschland hat ein solches Verfahren – anders als praktisch alle anderen EU-Mitgliedstaaten – noch nicht eingeführt. Aus diesem Grund setzt sich die Handelskammer Hamburg gemeinsam mit der übrigen IHK-Organisation seit Jahren für eine Reform des Erhebungsverfahrens der Einfuhrumsatzsteuer ein.
Weitere Informationen erhalten Sie unter: Evaluierung des Erhebungsverfahrens zur Einfuhrumsatzsteuer
Nachweis kürzerer Nutzungsdauer bei Immobilien
Ursprünglich hatte der BFH geurteilt, dass jede geeignete Möglichkeit des Nachweises einer kürzeren als die gesetzlich vorgegebene Nutzungsdauer zulässig sei. Dies schränkt das BMF nun ein wenig ein.
Dem BMF-Schreiben ging ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. Juli 2021 (Az. IX R 25/19, BFH/NV 2022,108) voraus, in dem der BFH klarstellte, dass sich Steuerpflichtige zum Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer als der bei Gebäuden gesetzlich unterstellten (§ 7 Abs. 4 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG)) jeder Darlegungsmethode bedienen können, die im Einzelfall geeignet erscheint. Es müssten nur Rückschlüsse auf die maßgeblichen Determinanten (zum Beispiel technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung, rechtliche Nutzungsbeschränkungen) möglich sein.
Seitens der Finanzverwaltung wurde diese Nachweismöglichkeit als teilweise zu weitgehend erachtet. Dem Vernehmen nach wurde befürchtet, dass die gesetzlich normierte Ausnahme des Nachweises einer kürzeren Nutzungsdauer zum Regelfall werden könne. Dementsprechend schlug das BMF im Referentenentwurf zum Jahressteuergesetz 2022 noch eine Streichung dieser Nachweismöglichkeit, einen Wegfall von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG, vor. Aufgrund deutlicher Kritik aus wurde diese Streichung letztlich nicht vorgenommen. Das BMF „antwortet“ nunmehr mit einem BMF-Schreiben auf das oben genannte BFH-Urteil.
In dem BMF-Schreiben wird noch einmal der Grundsatz der Abschreibung von Gebäuden nach typisiert festen Abschreibungssätzen dargestellt. Je nach Gebäudebaujahr und -nutzung beträgt der Abschreibungssatz 2/2,5/3 oder 4 Prozent jährlich.
Die gesetzlich vorgeschriebene Möglichkeit für den Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer und damit die Inanspruchnahme von höheren Abschreibungssätzen wird in dem Schreiben ausführlich dargestellt. Das BMF weist darauf hin, dass in diesen Fällen der Steuerpflichtige in der Nachweispflicht beziehungsweise der Pflicht zur Glaubhaftmachung steht.
Hinsichtlich des Umstandes der Abbruchabsicht genügt nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht die bloße Nennung einer solchen Absicht. Vielmehr müssen Vorbereitungen zum Abbruch des Gebäudes schon angelaufen sein, beziehungsweise der Steuerpflichtige sich verbindlich zum Abbruch des Gebäudes verpflichtet haben.
Für den Fall, dass besondere Betriebsgebäude oder bestimmte Gebäudeteile vorliegen, die selbstständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind (zum Beispiel Hallen in Leichtbauweise, Ställe beziehungsweise Schuppen) kann gegebenenfalls auf die allgemeinen amtlichen AfA-Tabellen zurückgegriffen werden. Dies kann auch für Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen, Gaststätteneinbauten und ähnliches gelten.
Bei Gebäuden kann im Übrigen in begründeten Ausnahmefällen eine kürzere Nutzungsdauer anzunehmen sein. Als Kriterien benennt das Bundesministerium der Finanzen, wie auch schon der Bundesfinanzhof, den technischen Verschleiß, die wirtschaftliche Entwertung sowie rechtliche Gegebenheiten, welche die Nutzungsdauer eines Gegenstandes begrenzen können. Ausgangspunkt für die Beurteilung des technischen Verschleißes ist die Tragstruktur des Bauwerks (Dachkonstruktion, tragende Innen- und Außenwände, Geschossdecken und Fundament). Für die Annahme einer kürzeren technischen Nutzungsdauer müssen Schäden der tragenden Teile die Nutzungsfähigkeit des Gebäudes in seiner Gesamtheit beeinträchtigen.
Eine wirtschaftliche Entwertung kann dann vorliegen, wenn das Gebäude vor Ablauf der technischen Nutzungsdauer objektiv wirtschaftlich verbraucht ist, das heißt, wenn die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen, anderweitige Nutzung oder Verwertung endgültig entfallen ist.
Als Nachweismöglichkeiten stellt die Finanzverwaltung auf ein Bausubstanzgutachten durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken ab. Die Übernahme einer kürzeren Restnutzungsdauer aus einem Verkehrswertgutachten sei kein geeigneter Nachweis im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG.
Referentenentwurf des BMF zum Zukunftsfinanzierungsgesetz
Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz soll der private Vermögensaufbau unterstützt und mehr privates Kapital für Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz und Digitalisierung mobilisiert werden. Eckpunkte dazu hatten das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und das Bundesministerium der Justiz (BMJ) gemeinsam vorgelegt. Nun hat das BMF das Vorhaben mit dem Referentenentwurf für das Gesetz zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (Zukunftsfinanzierungsgesetz – ZuFinG) auf den Weg gebracht.
Aus steuerlicher Sicht enthält der Gesetzentwurf im Wesentlichen Änderungen bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung:
So soll durch Änderungen in § 3 Nr. 39 EStG die Mitarbeiterkapitalbeteiligung ausgebaut werden. Der steuerliche Freibetrag in § 3 Nr. 39 EStG soll mit Wirkung ab 2024 von 1.440 Euro auf 5.000 Euro angehoben werden (§ 3 Nr. 39 Satz 1 EStG-E). Der Freibetrag soll zukünftig jedoch an die Zusätzlichkeitsvoraussetzung („zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“) geknüpft werden (§ 3 Nr. 39 Satz 2 EStG-E). Nach Auffassung des BMF unerwünschte Gestaltungen wie Entgeltumwandlungen sollen so vermieden werden.
Mit § 20 Abs. 4b EStG-E soll eine Haltefrist eingeführt werden, damit die steuerlich begünstigten Mitarbeiterkapitalbeteiligungen nicht ohne Verlust der Steuerfreiheit unmittelbar nach der Überlassung veräußert werden können. Demnach gehören die steuerfreien geldwerten Vorteile nicht zu den Anschaffungskosten bei der Ermittlung des Gewinns bei den Kapitaleinkünften, wenn die Vermögensbeteiligung innerhalb von drei Jahren veräußert oder unentgeltlich übertragen wurde. Im Ergebnis wird dann Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent nicht nur auf einen etwaigen Veräußerungsgewinn, sondern auch auf den bisher steuerfrei belassenen Lohnanteil erhoben. Die Regelungen des § 20 Abs. 4b EStG sollen auch für Fälle gelten, in denen der Arbeitnehmer zu 1 Prozent oder mehr am Unternehmen des Arbeitgebers beteiligt ist (§ 17 Abs. 2a Satz 6 EStG).
Die Regelungen zur aufgeschobenen Besteuerung in § 19 a EStG sollen deutlich erweitert werden. Künftig soll nicht mehr auf den einfachen, sondern auf den doppelten KMU-Schwellenwert abzustellen sein. Die Unternehmen müssen danach weniger als 500 Mitarbeiter beschäftigen und dürfen einen Jahresumsatz von höchstens 100 Millionen Euro oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 86 Millionen Euro erzielen (§ 19a EStG Abs. 3 EStG-E).
Der Zeitraum für die unschädliche KMU-Schwellenwert-Überschreitung soll von zwei auf sieben Jahre ausgedehnt werden. § 19a EStG kann demnach zukünftig angewendet werden, wenn die oben genannten Schwellenwerte im Zeitpunkt der Übertragung der Vermögensbeteiligung oder in einem der sechs vorangegangenen Kalenderjahre nicht überschritten wurden. Der maßgebliche Gründungszeitpunkt des Unternehmens soll zukünftig bis zu 20 Jahre (bislang 12 Jahre) vor dem Beteiligungszeitpunkt liegen dürfen (§19a Abs. 3 EStG-E).
§ 19a EStG soll auf Fälle erweitert werden, in denen die Gesellschaftsanteile nicht vom Arbeitgeber selbst, sondern von Konzerngesellschaften gewährt werden. Als Unternehmen des Arbeitgebers sollen dementsprechend zukünftig auch Unternehmen im Sinne des § 18 AktG gelten (§ 19a Abs. 1 Satz 3 EStG-E).
Die finale Besteuerung des geldwerten Vorteils soll zukünftig nicht nach zwölf Jahren, sondern erst nach 20 Jahren erfolgen. Die Verschiebung des Besteuerungszeitpunkts soll auch für Vermögensbeteiligungen gelten, die vor 2024 übertragen werden beziehungsweise wurden (§ 19a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG-E).
Über einen neuen Absatz 4a in § 19a EStG-E soll die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung mit 25 Prozent geschaffen werden. Schuldner dieser pauschalen Lohnsteuer ist der Arbeitgeber. Eine Abwälzung auf den Arbeitnehmer soll bei entsprechenden vertraglichen Vereinbarungen möglich sein.
Zur weiteren Entschärfung der sogenannten „dry-income“-Problematik soll eine neue optionale Haftungsregelung (§ 19a Abs. 4b neu EStG-E) eingeführt werden. Diese tritt auf, weil die Übertragung einer Beteiligung zu steuerpflichtigem Arbeitslohn (Sachbezug) bei den Arbeitnehmern führt, ohne dass ihnen liquide Mittel zugeflossen sind. Durch die Neuregelung findet für die Tatbestände „Ablauf von 20 Jahren“ und „Beendigung des Dienstverhältnisses“ (§ 19a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 EStG-E) keine Besteuerung mehr statt, wenn der Arbeitgeber auf freiwilliger Basis unwiderruflich erklärt, dass er die Haftung für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer übernimmt. In diesen Fällen löst somit erst der spätere Tatbestand „Verkauf“ eine Besteuerung aus (§ 19a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG-E). Die Erklärung des Arbeitgebers soll mit der Lohnsteuer-Anmeldung erfolgen.
Bundesverfassungsgerichtsvorlage zur Verfassungswidrigkeit der Rückwirkung von Neuregelungen zum Unterschiedsbetrag bei der Tonnagesteuer
Mit Beschluss vom 24. November 2022 (Aktenzeichen 6 K 68/21) hat der 6. Senat des Finanzgerichts Hamburg das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen, um die Verfassungsmäßigkeit von § 52 Abs. 10 S. 4 EStG überprüfen zu lassen. Das Finanzgericht Hamburg ist der Ansicht, dass diese Regelung eine unzulässige echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) von § 5a Abs. 4 S. 5, 6 und 7 EStG sei. Diese Regelung gehe zu Lasten der Steuerpflichtigen und habe keine Rechtfertigung. Hintergrund dieses Beschlusses ist eine Klage gegen einen Feststellungsbescheid des Finanzamtes wegen eines Unterschiedsbetrags, der wegen eines Rückwechsels einer Schiffsgesellschaft von der Gewinnermittlung nach der Tonnage (§ 5a EStG) zur normalen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensausgleich (§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 EStG) geltend gemacht wurde.
Den Volltext des Beschlusses finden Sie unter: www.landesrecht-hamburg.de
Urteil des Finanzgerichts Hamburg zum gewerblichen Grundstückshandel
(16.01.2023- 5 K 89/22)
Der 5. Senat des Finanzgerichts Hamburg hat entschieden, dass ein gewerblicher Grundstücksmangel mangels nachhaltiger Tätigkeit nicht vorliegt, wenn nur ein Objekt (im Fall ein Einzelhandels-Kaufhaus) erworben, saniert und später veräußert wird. Der Umfang darf nicht über das hinaus gehen, was beim Bau eines jeden Gebäudes erforderlich ist.
In der Entscheidung geht es um eine (erweiterte) Kürzung nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Der Antrag auf diese Kürzung kann bis zur Rechtskraft des Gewerbesteuermessbetragsbescheid beantragt werden.
Den Volltext der Entscheidung finden Sie unter: www.landesrecht-hamburg.de
Mehrwertsteuer: Klarstellendes Urteil für Plattformbetreiber
Im Ausgangsverfahren vor einem Gericht des Vereinigten Königreichs ging es um die Frage, ob der Betreiber eines sozialen Netzwerks (Fenis International), der Kunden und Service-Anbieter auf seiner Plattform (OnlyFans) für Geschäftsabschlüsse zusammenbringt, der Finanzverwaltung die 20-prozentige Mehrwertsteuer lediglich auf seine Kommission (ebenfalls 20 Prozent) schulde oder auf den gesamten Rechnungsbetrag. Der britische Fiskus hatte die Durchführungsverordnung des Rates der EU (1042/2013), die die MwSt-Systemrichtlinie konkretisiert, so ausgelegt, dass die Fenis International die Steuer auf den Gesamtbetrag abführen müsse. Diese wehrte sich dagegen unter anderem mit dem Argument, dass der jeweilige Kunde selbständig handele und folglich Schuldner des Mehrwertsteuerbetrages sei. Falls der Rat der EU die Mehrwertsteuerpflicht zu ihren Ungunsten weit auslege, habe er bei der Schaffung der Norm seine Kompetenzen überschritten.
Dem ist der Europäische Gerichtshof nicht gefolgt. Mit dem Urteil vom 28. Februar 2023 wird klargestellt: Eine steuerbare Person, die - wie die Plattform im zu entscheidenden Fall – im Rahmen eines Dienstleistungsaustauschs im eigenem Namen (als „OnlyFans“), aber auf fremde Rechnung handelt, gilt als Erbringer der Dienstleistung i. S. der MwSt-Systemrichtlinie. Und die Durchführungsverordnung gestalte diese Pflicht insofern weiter aus, als sie vermute, derjenige, welcher diesen Austausch über seine Plattform vermittelt, handele im eigenen Namen, aber auf Rechnung des tatsächlichen Erbringers der Dienstleistung. Das gelte zumindest dann, wenn die Plattform weitere Leistungen erbringe, wie die Rechnungslegung gegenüber dem Kunden und/oder die Formulierung der Bedingungen, zu denen der Leistungsaustausch stattfindet.
Der Rat der EU habe beim Erlass der Durchführungsverordnung und bei der Aufstellung der gesetzlichen Vermutung seine Kompetenzen nicht überschritten.
Umsatzsteuer-Umrechnungskurse
Die Umsatzsteuer-Umrechnungskurse werden jeden Monat vom Bundesfinanzministerium veröffentlicht. Diese finden Sie unter: www.ihk.de/hamburg/
Einführung der globalen Mindeststeuer zum 1. Januar 2024
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat am 20. März 2023 den lang erwarteten Diskussionsentwurf zur nationalen Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung von großen Unternehmen veröffentlicht. Der Entwurf basiert auf den entsprechenden Ausarbeitungen des OECD/Inclusive Framework und den Vorgaben der EU-Richtlinie vom 14. Dezember 2022. Geplant ist, dass bereits im Juni 2023 das Gesetzgebungsverfahren mit der offiziellen Vorlage eines Referentenentwurfs eingeleitet wird.
Mit dem weltweit unter über 140 Staaten abgestimmten Vorhaben wird ein zusätzliches, neues Besteuerungssystem für große Unternehmensgruppen geschaffen, welches als GloBE (Global Anti-Base Erosion Rules) bekannt ist. Ziel ist es, eine Mindeststeuerbelastung von 15 Prozent für große Unternehmensgruppen herzustellen. Hierzu werden Unternehmenseinheiten, die in ausländischen Staaten einer Steuerbelastung unterhalb von 15 Prozent unterliegen, zum Beispiel im Sitzstaat der Konzernmutter einer zusätzlichen Besteuerung unterworfen.
Der nunmehr vorgelegte Diskussionsentwurf für ein „Gesetz für die Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union“ (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MinBestRL-UmsG) enthält in Artikel 1 die hierzu erforderlichen Regelungen zur Einführung der globalen Mindeststeuer in Deutschland. Das neue Steuersystem wird nicht in das bestehende Unternehmenssteuerrecht (EStG/KStG) eingefügt, vielmehr wird mit dem „Gesetz zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für Unternehmensgruppen (Mindeststeuergesetz - MinStG)“ ein eigenständiges Besteuerungssystem geschaffen.
Die Umsetzung der GloBE in Deutschland stellt die betroffenen Unternehmen vor große Probleme, da sie bis zum 1. Januar 2024 die komplexen Prozesse zur Datenerfassung, -aufbereitung und Erklärung konzernweit implementieren müssen. Dieses ist jedoch angesichts der Komplexität der Regelungsmaterie und der Notwendigkeit, neue IT-Strukturen zu entwickeln, kaum möglich. Gleiches gilt für die Finanzverwaltungen, die das neue Steuerverfahren administrieren müssen.
Das neue Besteuerungssystem sieht zudem eine Vielzahl an neuen Begrifflichkeiten und Regelungsinstrumenten vor. Genannt seien hier nur die „Primärergänzungssteuer“, die „Sekundärergänzungssteuer“ oder die „nationale Ergänzungssteuer“. Es ist daher von besonderer Bedeutung, diese neuen Regelungen passgenau in das bestehende deutsche Unternehmensteuerrecht einzufügen, welches ohnehin schon äußerst komplex ist – man denke nur an die Hinzurechnungsbesteuerung, Lizenzschranke, Zinsschrank etc.
Um Unternehmen bei der Implementierung der notwendigen Maßnahmen zu unterstützen und Lösungen für eine passgenaue Eingliederung des neuen Besteuerungsregimes in das deutsche Steuerrecht zu diskutieren, wird die IHK-Organisation am 16. Juni 2023 in Berlin eine Fachtagung zu den konkreten Detailfragen veranstalten. Das Programm der Fachtagung sowie ein Online-Anmeldeformular werden in Kürze auf der Website (www.dihk.de) abrufbar sein. Eine Anmeldung ist erforderlich.
UN-Resolution zu Steuern
Die EU-Kommission hat sich an der Konsultation der Vereinten Nationen über Steuerfragen beteiligt. Sie hat sich überwiegend kritisch geäußert sowie vor doppelten Bemühungen und Standards auf internationaler Ebene gewarnt.
Die EU-Stellungnahme ist ein Beitrag zur öffentlichen Befragung der UN-Generalversammlung mit dem Titel "Promotion of inclusive and effective international tax cooperation at the United Nations". Zwar erkennt die EU die Rolle der Vereinten Nationen für die Beförderung der internationalen steuerlichen Zusammenarbeit an. Sie weist aber zugleich darauf hin, dass die OECD, in der die hochentwickelten Wirtschaftsnationen zusammengeschlossen sind, bei der Steuerkooperation bereits wesentliche Standards, zum Beispiel durch die Erschaffung ihrer Zwei-Säulen-Lösung, gesetzt haben. Diese Reformvorhaben verdienten Unterstützung auch durch Organe der UN. Eine Doppelung von Reformversuchen und von nicht-aufeinander abgestimmten Verpflichtungen sollte vermieden werden. Im Gegensatz zu Kritikern, die eine Nichtberücksichtigung der Interessen weniger entwickelter Länder im Reformprozess bemängeln, sieht die EU diese Staaten als wirksam beteiligt an. Das Problem von doppelten Steuer-Standards und nicht aufeinander abgestimmten Regeln ist, dass sie die Kosten für Unternehmen in die Höhe treiben.
Vor wenigen Monaten hat der Ausschuss der UN-Generalversammlung den Weg für eine Reform der globalen Steuerpolitik geebnet. Die von ihm vorbereitete Resolution soll die internationale Steuerarchitektur weiterentwickeln. Vor knapp achtzig Jahren wurden die Vereinten Nationen in der Nachfolge des Völkerbundes gegründet. Allerdings gründeten die wirtschaftlich am weitesten entwickelten Staaten zwanzig Jahre später die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und bestimmten sie zum Standardsetzer – auch in Fragen des Steuerrechts. In der Folge haben sich Bemühungen seit den 1990er Jahren, ein wirklich globales Steuergremium bei den Vereinten Nationen einzusetzen, nicht durchsetzen können. Gleiches könnte mit dem aktuellen Versuch geschehen, eine UN-Steuerkonvention auszuhandeln.
Veranstaltungshinweis: „Umsatzsteuer im grenzüberschreitenden E-Commerce“
Am 24. Mai 2023 von 10 bis 11:30 Uhr findet ein kostenloses Webinar der Handelskammer Hamburg zum Thema „Umsatzsteuer im grenzüberschreitenden E-Commerce“ statt. Das Webinar gibt einen Überblick über die grundlegenden Vorschriften und klassischen Problemkreise sowohl beim elektronischen Warenhandel als auch bei elektronisch erbrachten Dienstleistungen. Dabei finden die Vorschriften des “Mehrwertsteuer-Digitalpakets” für Onlinehändler und Online-Marktplätze besondere Beachtung. Auch umsatzsteuerrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit den neuen Meldepflichten für digitale Plattformen (DAC7) sowie Transaktionen im Metaverse werden beleuchtet. Erläuterungen zum Richtlinienentwurf “VAT in the Digital Age” (ViDA) runden das Thema ab.
Anmeldung unter: www.ihk.de/hamburg/system/vst/1198812?id=387665&terminId=665911
Endredaktion: Viola Friedrichs