Einkommensteuer

Steuerliche Begünstigung von Veräußerungsgewinnen

Steuerpflichtige Einkünfte umfassen nicht nur den Gewinn aus der laufenden Geschäftstätigkeit, sondern auch die Gewinne aus dem Verkauf des Unternehmens oder von Anteilen eines Gesellschafters an einem Unternehmen (§ 16 des Einkommensteuergesetzes - EStG). Der Gewinn aus der Veräußerung eines Unternehmens im Ganzen unterliegt nicht der Umsatzsteuer (vgl. § 1 Abs. 1a Umsatzsteuergesetz, UStG). Eine Gewerbesteuerpflicht ist im Einzelnen zu prüfen.
Dieses Merkblatt befasst sich schwerpunktmäßig mit der einkommenssteuerlichen Behandlung von Veräußerungsgewinnen. Es befasst sich nicht mit dem Verkauf von Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn eine natürliche Person als Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar mit weniger als 1 % beteiligt war. Siehe hierzu das Dokument „Abgeltungssteuer.

1. Überblick: Veräußerungsgewinn eines Gewerbebetriebes

Der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Gewerbebetriebes ist nach § 16 EStG einkommensteuerpflichtig. Dazu gehören Veräußerungen
  • eines ganzen Gewerbebetriebes,
  • eines Teilbetriebes,
  • einer im Betriebsvermögen gehaltenen 100 prozentigen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft,
  • eines Mitunternehmeranteils oder
  • des gesamten Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien.
Ein Sonderfall der Geschäftsaufgabe ist die Verpachtung des Betriebes. Diese kann gemäß § 16 Abs. 3b EStG ebenfalls wie eine Veräußerung behandelt werden. Dabei liegt eine Geschäftsaufgabe auch dann vor, wenn nur ein Teil des Betriebes tatsächlich veräußert, ein anderer Teil dem Erwerber jedoch nur vermietet oder verpachtet wird. (siehe dazu Nr. 3.1 dieses Merkblattes sowie das BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2012).
Der Gesetzgeber hat diese Veräußerungsgewinne einkommensteuerrechtlich privilegiert. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer werden laufende und außerordentliche (nicht regelmäßig erzielbare) Einkünfte eines Veranlagungszeitraumes grundsätzlich zusammengerechnet. Die laufenden Einkünfte werden somit von der durch die außerordentlichen Einkünfte ausgelösten Progressionswirkung erfasst und in der Gesamtwirkung entsprechend höher besteuert. Um eine derartige höhere Besteuerung ohne eine nachhaltige Erhöhung der Leistungsfähigkeit zu glätten, hat der Gesetzgeber Veräußerungsgewinne (als außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 34 Abs. 2, Nr. 1 EStG) einkommensteuerrechtlich privilegiert. Der Veräußerungsgewinn wird fiktiv auf fünf Jahre verteilt und die individuelle Einkommensteuer wird dann von dieser niedrigeren Basis berechnet (Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG). Weiterhin werden unter bestimmten Voraussetzungen ein Freibetrag (§ 16 Abs. 4 EStG) und ein ermäßigter Steuersatz (§ 34 Abs. 3 EStG) gewährt. 

2. Voraussetzungen der steuerlichen Begünstigung

Sowohl die Einkünfte aus Veräußerung, als auch die Einkünfte aus Aufgabe eines Gewerbebetriebes sind grundsätzlich einkommensteuerpflichtige Gewinne. Die Aufgabe des Gewerbebetriebes wird in § 16 Abs. 3 EStG der Veräußerung eines Gewerbebetriebes oder von Anteilen an Unternehmen gleichgestellt. Bei dem Betriebsverkauf werden stille Reserven aufgedeckt, indem die wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen Dritten gegen Entgelt übertragen werden. Zum gleichen Ergebnis kommt man, wenn die Betriebsgrundlagen in das Privatvermögen des Unternehmers überführt werden und die gewerbliche Tätigkeit eingestellt wird.
Der Veräußerungsgewinn kann um den Betrag einer schon im Vorfeld bestehenden oder anlässlich der Betriebsaufgabe gebildeten Rücklage im Sinne des § 6b EStG gemindert werden. Diese Rücklagen können vom Unternehmen für bestimmte Wirtschaftsgüter (Grund und Boden, Gebäude oder Binnenschiffe) im Wirtschaftsjahr der Veräußerung gebildet werden. Die Veräußerung eines Wirtschaftsgutes des Betriebsvermögens führt zur Verwirklichung eines Gewinns oder eines Verlusts in Höhe des Unterschieds zwischen dem bisherigen Buchwert des Wirtschaftsgutes und seinem Erlös abzüglich der Veräußerungskosten. Die Begünstigung des § 6b EStG besteht darin, dass stille Reserven, die durch die Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter aufgedeckt werden, auf die Ansätze für bestimmte andere Wirtschaftsgüter übertragen werden dürfen. Der Veräußerungsgewinn darf im Wirtschaftsjahr der Veräußerung entweder von den Anschaffungskosten oder Herstellungskosten der anderen Wirtschaftsgüter abgezogen werden oder einer Rücklage zugeführt werden, die innerhalb bestimmter Fristen übertragen oder aufgelöst werden muss. Die Bildung der Rücklage nach § 6b EStG erfordert, dass innerhalb von vier Jahren nach Bildung der Rücklage ein anderes Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt wird. Die vierjährige Reinvestitionsfrist verlängert sich bei Gebäuden auf sechs Jahre, wenn mit ihrer Herstellung vor dem Schluss des vierten Wirtschaftsjahres nach der Rücklagenbildung begonnen worden ist.
Bei den einkommensteuerrechtlich begünstigten Veräußerungen ist zu unterscheiden zwischen:

2.1. Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebes

Zu den einkommensteuerpflichtigen Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören Gewinne, die bei der Veräußerung des ganzen Gewerbebetriebes erzielt werden (§ 16 Abs. 1, Nr. 1 EStG). Eine Betriebsveräußerung im Ganzen liegt vor, wenn das wirtschaftliche Eigentum an allen wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang (teil-) entgeltlich auf einen Erwerber übertragen wird, der dadurch die Möglichkeit der Betriebsfortführung hat, und damit die gewerbliche Betätigung des Veräußerers endet.
Wesentliche Betriebsgrundlagen sind die Wirtschaftsgüter, die zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sind und denen ein besonderes wirtschaftliches Gewicht für die Betriebsführung zukommt. Das gilt grundsätzlich für die Gegenstände des Anlagevermögens (insbesondere Betriebsgrundstücke oder immaterielle Wirtschaftsgüter wie z.B. gewerbliche Schutzrechte). Das Umlaufvermögen (z.B. Waren) bildet grundsätzlich keine wesentliche Grundlage des Betriebs.
Die einkommensteuerrechtliche Begünstigung greift nur, wenn die stillen Reserven innerhalb kurzer Zeit und damit in einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang aufgedeckt werden, eine stückweise Veräußerung nach und nach ist keine Betriebsveräußerung im Ganzen. Eine Betriebsveräußerung im Ganzen innerhalb kurzer Zeit liegt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs jedenfalls dann vor, wenn die Veräußerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen innerhalb von sechs Monaten geschieht. Ein Zeitraum von 14 Monaten kann im Einzelfall noch angemessen sein. Dagegen dürften Veräußerungsvorgänge über 36 Monate zu lang sein. Der Betrieb muss vom Erwerber fortgeführt werden können. Ob der Erwerber diesen dann tatsächlich fortführt oder stilllegt, ist unerheblich.

2.2. Veräußerung eines Teilbetriebes

Der Gesetzgeber stellt der Betriebsveräußerung im Ganzen den Verkauf eines Teilbetriebes gleich, wenn es sich um einen organisch geschlossenen Teil des Gesamtbetriebes handelt, der selbständig ausgestattet und für sich lebensfähig ist. Eine völlig selbständige Organisation mit eigener Buchführung ist nicht erforderlich. Auch muss der Unternehmer bei der Teilbetriebsveräußerung seine gewerbliche Tätigkeit nicht in vollem Umfang aufgeben, sondern nur soweit sie sich auf die veräußerten wesentlichen Betriebsgrundlagen bezieht. Wechselt der Unternehmer lediglich die Betriebsgrundlagen und führt den Teilbetrieb mit den gewechselten Grundlagen fort, handelt es sich aber nicht um einen privilegierten Verkauf nach § 16 EStG.

2.3. Veräußerung einer im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft

Als Teilbetrieb gilt gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auch die im Betriebsvermögen gehaltene 100-prozentige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, weil diese wirtschaftlich betrachtet einem Gesamtbetrieb entspricht.
Die Beteiligung des Steuerpflichtigen muss das gesamte Nennkapital (Grund- oder Stammkapital) erfassen, wobei die Anteile aber in verschiedenen Betriebsvermögen desselben Unternehmers liegen können (zum Beispiel zwei voneinander getrennte Einzelunternehmen). Auch bei der Auflösung und Liquidation einer Kapitalgesellschaft, die zum Untergang der 100-prozentigen Beteiligung führt, sind die Regelungen über Veräußerung bzw. Aufgabe von Betriebsvermögen für den Steuerpflichtigen anzuwenden.
Diese steuerliche Gleichstellung hat zur Folge, dass der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG auch auf die Veräußerung einer 100 %-Beteiligung angewandt wird. Voraussetzung für diesen Freibetrag ist, dass der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist. Dann wird der Veräußerungsgewinn auf Antrag zur Einkommensteuer nur herangezogen, soweit er 45.000 Euro übersteigt. Dieser Freibetrag ist dem Steuerpflichtigen nur einmal im Leben zu gewähren.
Gleichzeitig mit Inanspruchnahme des Freibetrages gilt seit das sogenannte Teileinkünfteverfahren. Dies bedeutet, dass 40 Prozent des Veräußerungsgewinns steuerfrei sind und die übrigen 60 Prozent in die Einkommensteuerbemessungsgrundlage  eingestellt und mit dem persönlichen Steuersatz besteuert werden. (vgl. § 34 Abs. 2, Nr. 1 in Verbindung mit § 3 Nr. 40 b EStG).
Die unter Punkt 5 dieses Merkblattes genannten steuerlichen Begünstigungen finden hier keine Anwendung.

2.4. Veräußerung eines Mitunternehmeranteils

Zu den einkommensteuerpflichtigen Einkünften, die privilegiert sind, gehören auch die Gewinne, die erzielt werden bei Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer des Betriebes anzusehen ist (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Der Mitunternehmer ist insoweit dem Einzelunternehmer gleichgestellt.
Erfasst ist die Veräußerung oder die Aufgabe des Anteils an einer Personengesellschaft (Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Gesellschaft bürgerlichen Rechts) mit sogenanntem Gesamthandsvermögen (das heißt, jedem steht das Vermögen als Ganzes zu, es kann aber nur gemeinsam über das gesamte Vermögen verfügt werden) oder einer Personengesellschaft mit Bruchteilseigentum (das heißt, jeder hat an dem Vermögen einen bestimmten Eigentumsanteil, über den er gesondert verfügen kann z.B. bei der Partnergesellschaft). Steuerlich erfasst sind auch Anteile an wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnissen wie z.B. der Erbengemeinschaft. Voraussetzung ist, dass die Gesellschaft einen Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 EStG betreibt.
Einkommenssteuerpflichtig privilegiert sind auch Gewinne, die bei Veräußerung des gesamten Anteils eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (§ 16 Abs. 1 Satz1 Nr. 3 EStG) erzielt werden.
Mitunternehmer im Sinne dieser Vorschrift ist, wer teilhat an unternehmerischen Entscheidungen (wobei die Ausübung von Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten ausreicht) und am unternehmerischen Erfolg oder Misserfolg des Gewerbebetriebes.

3. Sonderfälle

3.1. Verpachtung des Betriebes

Derjenige, der sich aus dem Geschäftsleben zurückziehen möchte, aber den Gewerbebetrieb nicht verkaufen möchte, hat die Möglichkeit, die wesentlichen Betriebsgrundlagen an einen Dritten zu verpachten. In diesem Fall besteht ein steuerliches Wahlrecht (Verpächterwahlrecht):
  • Er kann die Betriebsaufgabe in einer Frist von drei Monaten gegenüber dem Finanzamt erklären, so dass es sich bei dem Mietzins einkommensteuerrechtlich um Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung handelt. Seit dem 5.11.2011 gilt der Betrieb erst als aufgegeben, wenn der Steuerpflichtige dies dem zuständigen Finanzamt gemeldet hat oder dieses davon anderweitig Kenntnis erlangt hat. Erfolgt die Meldung des Steuerpflichtigen innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt der Betriebsaufgabe, wird sie rückwirkend für diesen Zeitraum anerkannt. Erfolgt die Meldung später, wird die Betriebsaufgabe erst ab dem Zeitpunkt der Meldung anerkannt (§ 16 Abs. 3b Satz 3 EStG).
  • Alternativ kann er diese Aufgabeerklärung nicht abgeben, mit der Folge, dass der bisherige Betrieb einkommensteuerrechtlich als fortbestehend gilt und es sich bei dem Mietzins um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handelt.
Der Aufgabezeitpunkt kann selbst bestimmt werden.
Erforderlich ist, dass der Verpächter bei Beendigung der Verpachtung selbst den Betrieb wieder fortsetzen könnte. Wird der verpachtete Betrieb vom Pächter nicht weitergeführt, so entfällt auch das Verpächterwahlrecht. In diesem Fall liegt zwangsweise eine Betriebsaufgabe vor. Da die Pachteinnahmen dann nicht mehr betrieblich veranlasst sind, werden sie als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung qualifiziert.
Der Verpachtung eines Betriebs im Ganzen steht die Verpachtung eines Teilbetriebs gleich.

3.2. Teilweise Veräußerung und Vermietung oder Verpachtung

Eine Geschäftsaufgabe liegt auch dann vor, wenn nur ein Teil des Betriebes tatsächlich veräußert, ein anderer Teil dem Erwerber jedoch nur vermietet oder verpachtet wird, mit der Folge, dass auch in diesem Falle die für die Geschäftsaufgabe geltenden Privilegierungen bei der Einkommensteuer gelten.
Voraussetzung einer solchen teilweisen Veräußerung und Vermietung oder Verpachtung ist jedoch, dass die übertragenen Sachen hinreichen, dass der Erwerber eine selbstständige, wirtschaftliche Tätigkeit dauerhaft fortführen kann. Die Dauer des Mietvertrages und die Möglichkeit einer kurzfristigen Kündigung sind indes unerheblich. In dem Fall wird für den daraus entstehenden Erlös auch keine Umsatzsteuer fällig. (Siehe dazu das BMF-Schreiben vom 24. Oktober 2012.)

3.3. Veräußerung gegen wiederkehrende Bezüge

Weiterhin besteht nach Auffassung der Finanzverwaltung ein Wahlrecht des Einkommensteuerpflichtigen, wenn als Gegenleistung für einen Betriebsverkauf nicht ein einmaliger Kaufpreis vereinbart wird, sondern die Zahlung einer wiederkehrenden Leistung wie z.B. eine Leibrente. Dann ergeben sich folgende Alternativen:
  • entweder kann der Gewinn sofort versteuert werden, wobei für den Veräußerungsgewinn der nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes abgezinste Wert (Barwert) der Leibrente die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung nach § 16 EStG bildet;
  • oder die Rentenzahlungen können als nachträgliche Betriebseinnahmen behandelt werden. Das bedeutet, dass ein steuerpflichtiger Gewinn erst in dem Jahr entsteht, in dem die Summe der zugeflossenen Leibrentenbeträge die Anschaffungskosten zuzüglich der Veräußerungskosten übersteigt.

3.4. Tätigwerden des Veräußerers für den Erwerber nach Betriebsveräußerung

Eine steuerbegünstigte Veräußerung kann auch dann vorliegen, wenn der Veräußerer als selbstständiger Unternehmer oder nichtselbstständiger Mitarbeiter nach der Veräußerung des Betriebes für den Erwerber tätig wird (BFH Urteil vom 17.07.2008, X R 40/07).

4. Ermittlung des Veräußerungsgewinns

Der Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens oder den Wert des Anteils am Betriebsvermögen (bei Mitunternehmern) übersteigt (§16 Absatz 2 EStG). Die Veräußerungskosten müssen in einem unmittelbaren sachlichen Zusammenhang mit dem Betriebsverkauf stehen (z.B. Notarkosten, Maklerprovisionen oder Verkehrssteuern).
Beispiel 1[1]
Veräußerungspreis
250.000 Euro
Veräußerungskosten
    2.500 Euro
Wert des Betriebsvermögens (Eigenkapital)
  72.500 Euro
Veräußerungsgewinn
175.000 Euro

5. Steuerliche Begünstigungen

5.1. Fünftelregelung (§ 34 Absatz 1, Satz 2 EStG)

Der Veräußerungsgewinn zählt zu den außerordentlichen (das heißt nicht regelmäßigen) Einkünften nach § 34 Absatz 2 Nr. 1 EStG. Der Gesetzgeber glättet den progressiven Steuertarif für diese Einkünfte durch die sogenannte Fünftelregelung. Dabei wird der Veräußerungsgewinn fiktiv auf 5 Jahre verteilt (das heißt, auf ein Fünftel des Gewinns wird der Steuerbetrag ermittelt und anschließend wird der so ermittelte Steuerbetrag mit fünf multipliziert). Bei der Steuerberechnung bei Vorliegen von außerordentlichen Einkünften im Sinne von § 34 Abs. 2 EStG wird stets geprüft, ob die normale Besteuerung oder die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG günstiger ist, somit wird die Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG ohne Antrag von Amts wegen gewährt.
Beispiel 2[1]
Der Gewerbetrieb wurde zum 31. Dezember 2019 verkauft und es wurde ein Veräußerungsgewinn von 12.782 Euro erzielt. Daneben wurde in diesem Jahr ein laufender Gewinn aus dem Gewerbebetrieb von 24.107 Euro erwirtschaftet; andere Einkünfte lagen für 2019 nicht vor.
Ergebnis:
Der Gesamtbetrag der Einkünfte lag im Jahr 2019 bei 36.889 Euro, auf die nach dem Einkommensteuertarif nach Grundtabelle (die fällige Einkommensteuer für Ledige berechnet) eine Steuer von – 7.498,- Euro anfallen würde.
Folgende Berechnung zeigt die Wirkung der Anwendung der Fünftelregelung: Die Einkommensteuer wird für die laufenden Einkünfte plus 1/5 des Veräußerungsgewinns ermittelt und hiervon wird der Einkommensteuerbetrag auf die laufenden Einkünfte abgezogen. Der so ermittelte Differenzbetrag wird mit fünf multipliziert und zu der Einkommensteuer auf die laufenden Einkünfte hinzugerechnet.
Abkürzungsverzeichnis:
aE= außerordentliche Einkünfte
vvE= verbleibende zu versteuernde Einkünfte
Formel: Steuerschuld= 5 x [ESt(vvE +(aE : 5)) – ESt(vvE)] + ESt(vvE)
Fünftelregelung:
5 x [ESt(24.107 + (12.782 : 5)) – ESt(24.107)] + ESt( 24.107)
= 5 x [ESt(24.107 + (2.556,40)) – ESt(24.107)] + ESt(24.107)
= 5 x [ESt(26.663,40) – ESt(24.107)] + ESt (24.107)
= 5 x [4.272 – (3.537)] + ESt( 24.107)
= 5 x [735]+(3.537)
= 3.675+(3.537)
= 7.212
Die außerordentlichen Einkünfte werden also mit 3.675 Euro besteuert. Es tritt die Steuer auf den laufenden Gewinn von 24.107 Euro in Höhe von 3.537 Euro hinzu, so dass sich nach der Fünftelregelung eine Steuer von 7.212 Euro ergibt. Dies bedeutet einen Steuervorteil von 286 Euro gegenüber der regelmäßigen auf den Gesamtbetrag entfallenden Einkommensteuer in Höhe von 7.498,- Euro.

5.2. Ermäßigter Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG

Für Gewinne aus Betriebsveräußerung und Betriebsaufgabe kann für die Besteuerung unter bestimmten Voraussetzungen alternativ zur sog. Fünftelregelung der ermäßigte Steuersatz beantragt werden. Der ermäßigte Steuersatz kann dabei auf außergewöhnliche Einkünfte angewendet werden, die den Betrag von insgesamt 5 Millionen Euro nicht übersteigen. Der ermäßigte Steuersatz beträgt ab Veranlagungszeitraum (VZ) 2004 56% des durchschnittlichen Steuersatzes auf das gesamte zu versteuernde Einkommen zuzüglich der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte, mindestens jedoch den jeweils geltenden Eingangssteuersatz, seit VZ 2009 in Höhe von 14%.
Voraussetzungen der Besteuerung des Veräußerungsgewinns mit dem ermäßigten Steuersatz, der nur einmal im Leben gewährt wird, sind:
  • Antrag beim Finanzamt (im Gegensatz zu der Fünftelregelung, welche von Amts wegen gewährt wird);
  • Vollendung des 55. Lebensjahres oder
  • im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernde Berufsunfähigkeit;
  • der Veräußerungsgewinn übersteigt den Betrag von 5 Millionen Euro nicht (der über 5 Millionen Euro hinausgehende Gewinn unterliegt dem vollen Steuersatz, soweit nicht anderweitige Steuerermäßigungen oder -befreiungen eingreifen.)
Besondere Hinweise:
Für die Vollendung der Altersgrenze von 55 Jahren (Voraussetzung für den Freibetrag gemäß § 16 Abs. 4 EStG und den ermäßigten Steuersatz gem. § 34 Abs. 3 EStG) ist nach dem BMF Schreiben vom 20.12.2005 (BStBl. 2006 I S. 7) Folgendes zu beachten: Vollendet der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr zwar nach Beendigung der Betriebsaufgabe oder -veräußerung, aber noch vor Ablauf des Veranlagungszeitraumes der Betriebsaufgabe, sind weder der Freibetrag noch die Tarifermäßigung zu gewähren. Vollendet der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr bei einer Betriebsaufgabe über mehrere Veranlagungszeiträume zwar vor Beendigung der Betriebsaufgabe, aber erst im zweiten Veranlagungsjahr, sind der (anteilige) Freibetrag und die Tarifermäßigung auch für den ersten Veranlagungszeitraum zu gewähren.
Der Steuerpflichtige hat eine Wahl zwischen der Fünftelregelung und dem ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt gewährt nur eine der beiden Vergünstigungen. Der ermäßigte Steuersatz führt dabei häufig zu einer niedrigeren Steuerlast als die Fünftelregelung. Lediglich bei einem sehr niedrigen laufenden Gewinn und/oder einem geringen Veräußerungsgewinn kann die Fünftelregelung günstiger sein. Weiterhin ist zu beachten, dass der ermäßigte Steuersatz zu einer Mindestbesteuerung in Höhe des Eingangssteuersatzes führt, bei der Fünftelregelung wird hingegen der Grundfreibetrag gewährt. Welche Regelung günstiger ist, sollte daher für jeden Einzelfall gesondert geprüft werden.
Wird in einem Veranlagungszeitraum mehr als ein Veräußerungsgewinn erzielt, kann die Vergünstigung auch nur für einen Veräußerungsgewinn beantragt werden. Für das um die außerordentlichen Einkünfte bereinigte Einkommen gelten die allgemeinen Tarifvorschriften.
Beispiel 2a[1]
Wie im vorangegangenen Beispiel beträgt der laufende Gewinn 24.107 Euro und der Veräußerungsgewinn 12.782 Euro. Hieraus ergibt sich ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 36.889 Euro.
Ergebnis:
Der Gesamtbetrag der Einkünfte von 36.889 Euro unterliegt nach der Grundtabelle 2019 einer tariflichen Einkommensteuer in Höhe von 7.498 Euro. Dies entspricht einem durchschnittlichen Steuersatz von 20,33 %. 56 % dieses Steuersatzes entspricht 11,38 %. Der ermäßigte Steuersatz ist niedriger als der Mindeststeuersatz in 2019 von 14% und wird somit auf diesen angehoben:
laufende Gewinn
24.107 Euro
Veräußerungsgewinn
12.782 Euro
Gesamtbetrag der Einkünfte
36.889 Euro
Veräußerungsgewinn von 12.782 Euro X 14%
1.789,48 Euro
 24.107 Euro nach Grundtabelle
3.537 Euro
Zu zahlende Einkommensteuer
5.326,48 Euro

Beispiel 3
Das zu versteuernde Einkommen beträgt 250.000 Euro, in dem ein Veräußerungsgewinn von 200.000 Euro enthalten ist.
Ergebnis:
Die tarifliche Einkommensteuer auf 250.000 Euro beläuft sich 2019 auf 96.219 Euro, entspricht damit einem durchschnittlichen Steuersatz von 38,48 %. 56% dieses Steuersatzes entspricht 21,59 %. Dieser ermäßigte Steuersatz übersteigt den Mindeststeuersatz von 14%, also kann der Veräußerungsgewinn auf Antrag mit 21,59 % versteuert werden.
laufender Gewinn
 50.000 Euro
Veräußerungsgewinn
200.000 Euro
zu versteuernde Einkommen
250.000 Euro
200.000 Euro X 21,69%
43.180 Euro
 50.000 Euro nach Grundtabelle
12.295 Euro
Einkommensteuer
55.475 Euro

5.3. Besonderheiten für Ausgleichszahlungen von Handelsvertretern

Ausgleichzahlungen an Handelsvertreter nach § 89b HGB (Handelsgesetzbuch), die bei Vertragsbeendigung gezahlt werden, gehören zu den Entschädigungen (§ 24 Nr. 1c EStG). Bei Aufgabe der Tätigkeit als Handelsvertreter oder bei Veräußerung des Unternehmens ist die Entstehung des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB als der letzte laufende Geschäftsvorfall des Gewerbebetriebs vor seiner Auflösung oder Veräußerung anzusehen. Dieser unterliegt der Gewerbesteuer. Ebenso, wenn der Handelsvertreter seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Für Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter gilt seit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 der ermäßigte Steuersatz gemäß § 34 Abs. 3 EStG nicht mehr. Ausgleichszahlungen sind als laufender Gewinn zu versteuern. Die Fünftelregelung des § 34 Abs. 1 EStG ist auf Ausgleichszahlungen an Handelsvertreter anwendbar.

5.4. Freibetrag (§ 16 Abs.4 EStG)

Hat der steuerpflichtige Veräußerer
  • das 55. Lebensjahr vollendet oder
  • ist er im sozialversicherungsrechtlichen Sinn dauernd berufsunfähig,
kann er auf Antrag beim Finanzamt auf den Veräußerungsgewinn
  • nur einmal in seinem Leben
  • einen Freibetrag in Höhe von 45.000 Euro erhalten.
Der Freibetrag ist auch dann voll "verbraucht", wenn der Veräußerungsgewinn im Einzelfall niedriger als der Freibetrag ist, dieser also nicht ausgeschöpft wird. Auch wenn der Steuerpflichtige mehrere selbstständige Gewerbebetriebe hat oder an mehreren Personengesellschaften als Mitunternehmer beteiligt ist, kann er den Freibetrag nur einmal beanspruchen. Andererseits kann bei Veräußerung (Aufgabe) des Gewerbebetriebes einer Personengesellschaft jeder Mitunternehmer für den auf ihn entfallenden Teil des Veräußerungsgewinns den vollen Freibetrag beanspruchen; dieser vervielfacht sich insoweit.
Eine Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zu  derjenigen von körperlich, geistig und seelisch Gesunden mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist.
Der Freibetrag reduziert sich aber um den Betrag, um den der Veräußerungsgewinn die Obergrenze von 136.000 Euro übersteigt. Liegt der Veräußerungsgewinn über 181.000 Euro, reduziert sich der Freibetrag demnach auf Null. Ist der Veräußerungsgewinn aber geringer als 136.000 Euro steht der volle Freibetrag zur Verfügung.
Erstreckt sich eine Betriebsaufgabe über zwei Kalenderjahre und fällt der Aufgabegewinn daher in zwei Veranlagungszeiträumen an, ist der Freibetrag insgesamt nur einmal zu gewähren. Er bezieht sich auf den gesamten Betriebsaufgabegewinn und ist im Verhältnis der Gewinne auf beide Veranlagungszeiträume zu verteilen. Die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 3 EStG kann für diese Gewinne auf Antrag in beiden Veranlagungszeiträumen gewährt werden. Der Höchstbetrag von 5 Millionen Euro ist dabei aber insgesamt nur einmal zu gewähren (BMF Schreiben vom 20. Dezember 2005 BStBl. 2006 I S. 7, BMF IV B 2 – S 2242 – 18/05)
Beispiel 4
Der Veräußerungsgewinn beträgt wie im oberen Beispiel 175.000 Euro.
Ergebnis:
Veräußerungsgewinn
175.000 Euro
Freibetrag
  45.000 Euro
Obergrenze
136.000 Euro
übersteigender Betrag
  39.000 Euro
gekürzter Freibetrag
    6.000 Euro
steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn
169.000 Euro
Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn beträgt nach Berücksichtigung des Freibetrags 169.000 Euro.
[1] Alle Beispiele illustrieren lediglich den Mechanismus der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen als außerordentliche Einkünfte; Sonderausgaben-Pauschalen, Altersentlastungsbeträge etc. bleiben unberücksichtigt.
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige IHK. Welche IHK für Ihr Unternehmen zuständig ist, können Sie einfach anhand des IHK-Finder ermitteln.
Trotz sorgfältiger Prüfung können wir für die Richtigkeit der Angaben keine Gewähr übernehmen. Bitte wenden Sie sich im Zweifelsfall an das für Sie zuständige Finanzamt.
 Stand: September 2020