Recht und Steuern

A1 Nr. 109

A1 Nr. 109
§§ 1031, 1033, 1041, 1066 ZPO, Art. II Abs. 1 + 2 UN-Übereinkommen vom 10.6.1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche (UNÜ) Verbandsschiedsgericht, Schiedsklausel in der Satzung, Unterwerfung. Einstweiliger Rechtsschutz
Auch nach neuem Schiedsverfahrensrecht (§§ 1033 i.V.m. 1041 ZPO) kann durch eine Schiedsabrede die Zuständigkeit des ordentlichen Gerichts für Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht ausgeschlossen werden.
Wer eine „Berufung” gegen eine Maßnahme eines Verbandes bei einer auf Grund dessen Satzung konstituierten „Appeals Commission” einlegt, unterwirft sich damit nicht ohne weiteres einer in der Verbandssatzung enthaltenen Schiedsklausel.
Auf Schiedsklauseln, die in Satzungen von Vereinen und anderen juristischen Personen des Privatrechts enthalten sind, sind die Regelungen des Schiedsverfahrens entsprechend anzuwenden. Den der Rechtssicherheit dienenden gesetzlichen Formanforderungen an eine Schiedsabrede wird durch die formgerechte Satzung in der Regel ausreichend Genüge getan.
Ob zwischen einem ausländischen Staatsbürger und einem in Deutschland ansässigen und im Vereinsregister eingetragenen Verband eine in dessen Satzung enthaltene Schiedsklausel wirksam ist, richtet sich in der Regel nach deutschem Recht, auch wenn das satzungsgemäße Schiedsgericht seinen Sitz im Ausland hat.
OLG München Urteil vom 26.10.2000 - U(K) 3208/00; Sport und Recht (SpuRt) 2001, 64 = NJW-RR 2001, 711 = RKS A 1 Nr. 109
Aus den Gründen:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig. Nach der bis zum 31.12.1997 geltenden Fassung der §§ 1025 ff. ZPO (im Folgenden: a.F.) konnte die Einrede des Schiedsvertrages im Verfahren der einstweiligen Verfügung der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nicht entgegengehalten werden (BGH NJW 1994, 136 f. = RKS A 1 Nr. 77; Wolf, DB 1999, 1101, 1103 m.w.N. in Fußn. 41). Da die behauptete Schiedsvereinbarung aus der Zeit nach dem 1.1. 1998 (Inkrafttreten des Ges. zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 22.12.1997 BGBl. I 3224) datiert, ist auf diese neue Fassung abzustellen (vgl. zum zeitlichen Anwendungsbereich BGH NJW 2000, 1713 = RKS A 1 Nr. 102); offen geblieben im BGH-Urt. v. 14.9.2000 - III ZR 33/00). Ob danach die Schiedseinrede im Verfahren der einstweiligen Verfügung durchgreifen kann, wird unterschiedlich beurteilt.
§ 1033 ZPO lässt seinem Wortlaut nach offen, ob die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zu Gunsten einer ausschließlichen Zuständigkeit eines Schiedsgerichtes abbedungen werden kann. Auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich hierfür nichts.
In der Literatur wird hierzu teilweise die Auffassung vertreten, § 1033 ZPO enthalte in Verbindung mit § 1041 lediglich eine Klarstellung, wonach einstweilige Maßnahmen auch beim Schiedsgericht beantragt werden könnten (Zöller-Geimer § 1033 Rd-Nr. 1; Vollkommer vor 916 Rd-Nr. 4; Thomas-Putzo § 1033 Rd-Nr. 4). Teilweise wird die Auf­fassung vertreten, auch nach der gesetzlichen Neuregelung könne die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für den einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf die Defizite des schiedsrichterlichen Verfahrens nicht ausgeschlossen werden (Wolf DB 1999, 1101, 1103; Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann § 1033 Rd-Nr. 2; Musielak/Voit § 1033 Rd-Nr. 3; Thümmel DZWiR 1997, 133, 135; vgl. auch Lachmann Handbuch der Schiedsgerichtspraxis 1998 Rd-Nr. 692, der die Zuständigkeit des Schiedsgerichts für wenig praktikabel hält; Kronke RIW 1998 S. 264 unter IV geht wohl ebenfalls davon aus, dass die parallele Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fortbesteht), während nach der Gegenansicht die Parteien in der Schiedsvereinbarung regeln können, dass allein das Schiedsgericht für den Erlass einstweiliger Maßnahmen zuständig sein soll (Schütze BB 1998, 1650; ders. Schieds­gericht und Schiedsverfahren, 2. Aufl. Rd-Nr. 235; so offensichtlich auch das OLG Frankfurt Urt. 18.5.2000 - 13 W 29/00 S. 9 f.)
Der Antragsgegner behauptet, das vereinbarte Schiedsgericht sei in der Lage, binnen 15 Tagen zu entscheiden. Bereits diese Frist kann aber im Hinblick auf den Umstand, dass von staatlichen Gerichten einstweilige Verfügungen, wie die tägliche Praxis lehrt, oftmals binnen weniger Stunden nach Antragstellung erlassen werden, einen effektiven Rechts­schutz in Eilfällen nicht gewährleisten. Zudem bleiben schiedsgerichtliche Eil­maß­nahmen im Hinblick auf die erforderliche Vollstreckbarerklärung hinter dem Rechts­schutz durch staatliche Gerichte zurück. Es sprechen daher gewichtige Argumente dafür, auch weiterhin die Einrede des Schiedsverfahrens für nicht durchgreifend zu erachten.
Dies kann aber letztlich dahingestellt bleiben, da weder das satzungsgemäße Schieds­gericht durch Unterwerfung anerkannt noch eine Schiedsabrede getroffen wurde.
In der Entscheidung 128,93 = NJW 1995, 583 hat der BGH bestätigt, dass sich auch Nichtmitglieder der Disziplinargewalt eines (Reitsport-)Verbandes unterstellen können, jedenfalls soweit sie seine Einrichtungen in Anspruch nehmen oder an dem in seinem Organisations- und Verantwortungsbereich nach seinen Regeln ausgeschriebenen Sportbetrieb teilnehmen wollen.
Welche Anforderungen im Hinblick auf § 1027 ZPO a.F. an die Unterwerfung unter eine Schiedsgerichtsklausel zu stellen sind, wird u.a. in der Entscheidung BGH NJW 2000, 1713 = RKS A 1 Nr. 102 behandelt. Zu der dem nunmehrigen § 1066 ZPO entsprechenden Regelung des § 1048 ZPO a.F. wurde ausgeführt, dass auf Schieds­klauseln, die in Satzungen von Vereinen und anderen juristischen Personen des Privatrechts enthalten sind, die Regelungen des Schiedsgerichtsverfahrens entsprechend anzuwenden sind. Dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit, dem im Bereich vertraglicher Schiedsabreden § 1027 a.F. ZPO Rechnung tragen solle, werde durch die satzungs­gemäße Form im Regelfall ausreichend Genüge getan. Sie gewährleiste im Allgemeinen, ebenso wie die Form des § 1027 ZPO a.F.die Nachprüfbarkeit des Gegenstandes der Schiedsgerichtsbarkeit, ihrer näheren Ausgestaltung, der Personen der Beteiligten und der Ernsthaftigkeit des Willens zur Unterwerfung unter die Entscheidung eines privaten Schieds­gerichts. In diesem Urteil vom 3.4.2000 wurde die nachträgliche Aufnahme einer Schiedsklausel in die Vereinssatzung im Verhältnis zu einem Mitglied, das der Satzungsänderung nicht zugestimmt hatte, für unbeachtlich angesehen, da es an einem bewussten und gewollten Verzicht auf die Entscheidung staatlicher Gerichte und auf den gesetzlichen Richter zu Gunsten eines privaten Schiedsgerichts fehlte (vgl. auch BayObLG Beschl.v.9.9.1999 - 4 Z SchH 3/99, BB 2000 Beilage 8 S. 16, 18 m.w.N.). Dabei wurde mit wesentlich darauf abgestellt, dass der Austritt aus dem Verein im Hinblick auf dessen Monopolcharakter für das Mitglied keine Alternative darstelle und somit dem Verbleib im Verein kein freiwilliger Verzicht auf die Anrufung der staatlichen Gerichte entnommen werden könne.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Antragsteller durch die Einlegung der verbands­internen Berufung zur „Appeals Commission” freiwilllig im vorgenannten Sinne auf die Anrufung der staatlichen Gerichte verzichtet hat (Anerkennung des verbandsinternen Regelwerks, § 1066 ZPO).
Im Verlaufe des verbandsinternen Berufungsverfahrens ist auch keine (konkludente) Schiedsabrede getroffen worden.
Ob zwischen der Parteien eine entsprechende vertragliche Schiedsvereinbarung zustande gekommen ist, richtet sich nach deutschem Recht (BGHZ 77, 32 = NJW1980, 2022 = HSG A 1 Nr. 31; Hausmann in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertrags­recht 5. Aufl. Rd-Nrn. 2302ff.; MünchKomm/Martiny BGB 3. Aufl. vor Art. 27 EGBGB Rd-Nrn. 83ff.) Die aus der Satzung sowie den Internal Regulations folgenden Rechtsbeziehungen unterliegen deutschem Recht (siehe Art. 2 Abs. 2 der Satzung des Antragsgegners, eines eingetragenen Vereins nach deutschem Recht mit Sitz in München). Darüber hinaus sind alle Handlungen, aus denen der Antragsgegner den Abschluss einer Schiedsvereinbarung bzw. die Unterwerfung unter die „Regulations governing Appeals” herleiten will, in Deutschland erfolgt. Bei dieser Sachlage gibt es keine hinreichende Grundlage dafür, die Frage nach dem Zustandekommen und der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung nach Schweizer Recht auf Grund des Sitzes des (behauptetermaßen) vereinbarten Schiedsgerichts in Lausanne zu beurteilen.
Im übrigen ergäbe sich bei Anwendung von Art. 178 Abs. 1 IPRG keine abweichende Beurteilung (siehe die inhaltlich übereinstimmende Regelung in § 1031 Abs. 1 ZPO).
Da der Ort des Schiedsverfahrens (§ 1043 Abs. 1 ZPO) nicht in Deutschland liegt, kommt § 1029 ZPO nicht zur Anwendung (§ 1025 Abs. 1 ZPO). Derartige ausländische Schieds­verfahren richten sich nach den Bestimmungen des New Yorker UN-Überein­kommens (UNÜ) über ausländische Schieds­sprüche, das seit dem 28.9.1961 für die Bundes­republik Deutschland und seit dem 30.8.1965 in der Schweiz Gültigkeit hat.