RECHT UND STEUERN

A 1 Nr. 223

A 1 Nr. 223 § 89 Abs. 3 HGB, § 1040 Abs.3 ZPO -  Keine Kompetenz-Kompetenz  des Schiedsgerichts. Streitigkeiten „aus oder im Zusammenhang“ mit dem zugrundeliegenden Vertrag nach dessen Verlängerung und Beendigung; Geltung § 89 Abs. 3 HGB analog für Vertragshändler.
1. Eine Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts besteht im deutschen Recht nicht.
2. Eine Schiedsklausel betreffend „alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang“ mit dem zugrundeliegenden Vertrag bedeutet nicht, dass das Schiedsgericht mit der Entscheidung zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses auch endgültig über die zeitliche Geltung der Schiedsabrede entscheiden konnte. Es kann aber entscheiden, ob eine Streitigkeit sich „aus oder im Zusammenhang mit dem zugrundeliegenden Vertrag“ ergibt, einschließlich der Frage, ob § 89 Abs. 3 HGB analog für einen Partner dieses Vertrages als Vertragshändler gilt.
3. Ist dies zu bejahen und setzen Vertreter/Vertragshändler und Unternehmer nach Ablauf  der Vertragszeit ihre Tätigkeit fort, so wird ohne besondere Einigung über sämtliche Bedingungen der Zusammenarbeit das bisherige Vertragsverhältnis einschließlich der Schiedsabrede fortgesetzt.
OLG München Beschl. v. 25.2.2013 – 34 Sch 12/12 IHR 2013, 176 = RKS A 1 Nr. 223
Aus dem Sachverhalt:
Die Antragstellerin (ASt.) begehrt die Aufhebung inländischer Schiedssprüche. Die Antragsgegnerin „FSC“ (AGg.), eine Herstellerin von Computerzubehör, und die ASt. schlossen am 18./27.10.2004 einen „Broadline-Distributionsvertrag“. Dieser hatte für die GUS (CIS) außer Aserbaidschan Geltung. Der Distributor (die ASt.) war danach berechtigt, gewisse Produkte im eigenen Namen zu vertreiben. Vereinbart waren die Anwendung deutschen Rechts und das DIS-Schiedsgericht „für alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag ergeben, einschließlich aller Fragen betreffend das Bestehen, die Gültigkeit oder Beendigung dieses Vertrages“.    
Aus den Gründen:
Der Antrag ist unbegründet. Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO sind nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
1. Die Schiedsklausel umfasst den gesamten dem Schiedsgericht unterbreiteten Streitstoff, so dass ein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht vorliegt. Allerdings kann das Schiedsgericht nicht endgültig über die eigene Zuständigkeit entscheiden /Zöller/Geimer § 1040 Rd-Nr. 1). Eine Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts besteht im deutschen Recht nicht (§ 1040 Abs. 3; BGH NJW 2005, 1125 = RKS A 1 Nr. 135). Damit bindet die Entscheidung des Schiedsgerichts, dass der Vertrag über den ursprünglich festgesetzten Zeitpunkt hinaus fortgesetzt wurde, das staatliche Gericht nicht dahin, dass die nachfolgenden Bestellungen unter die Schiedsklausel fallen.
2. Gemäß Nr.19.2 des Distributionsvertrages unterliegen der Schiedsabrede alle Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag ergeben, einschließlich aller Fragen betreffend das Bestehen, die Gültigkeit oder Beendigung dieses Vertrages. Das bedeutet zwar nicht, dass das Schiedsgericht mit der Entscheidung zum Zeitpunkt der Beendigung des Vertragsverhältnisses auch endgültig über die zeitliche Geltung der Schiedsvereinbarung entscheiden konnte. Indessen fallen die späteren Bestellungen noch unter die Schiedsklausel. Denn sie gehören zu den Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit dem vorliegenden Vertrag ergeben. Unstreitig hat die ASt. zur Durchführung des Vertrages ein Kennwort erhalten. Dieses System wurde – unter Benutzung des ausschließlich der ASt. zugeteilten Kennworts – auch nach dem Vertragsende weiter benutzt. Damit stehen die Bestellungen im anschließenden Zeitraum und damit aber auch Bestellungen, die in diesem Zeitraum ohne Benutzung des Kennworts getätigt wurden, noch im Zusammenhang mit dem Vertrag. Denn das Kennwort wurde im Rahmen des Vertrages zugeteilt.
Das Schiedsgericht ist aber auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Distributionsvertrag gemäß § 89 Abs. 3 HGB verlängert wurde. § 89 Abs. 3 HGB („Ein für eine bestimmte Zeit eingegangenes Vertragsverhältnis, das nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit von beiden Teilen fortgesetzt wird, gilt als auf unbestimmte Zeit verlängert“) gilt zwar dem Wortlaut nach nur für Handelsvertreter. Die Vorschrift wird aber analog auch auf Verträge mit Vertragshändlern angewendet. Voraussetzung hierfür ist, dass die ASt.  einerseits handelsvertretertypische Rechte und Pflichten übernommen hat und erfüllt, andererseits in die Verkaufsorganisation des Herstellers eingegliedert war. Beides trifft zu: Nach dem Vertrag vom 18.10./27.10.2004 war die ASt. Vertragshändlerin der AGg. (wird ausgeführt).
3. Gemäß § 89 Abs. 3 HGB gilt der Vertrag als auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn er nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit von beiden Teilen fortgesetzt wird. Dies gilt auch, wenn der Handelsvertreter (Vertragshändler) einfach seine Tätigkeit fortsetzt und der Unternehmer die von ihm beigebrachten Geschäfte ausführt. Eine erneute Einigung oder ein Fortdauern des Einigseins der Parteien über sämtliche Bedingungen ihrer Zusammenarbeit ist nicht erforderlich (vgl. etwa Thume in Röhricht/Graf von Westphalen HGB 3. Aufl. § 89a Rd-Nr. 27; Baumbach/Hopt HGB 35. Aufl. § 89 Rd-Nr. 21).
Für die AGg. mussten sich aber die Bestellungen unter Benutzung des unstreitig der ASt. exklusiv zugeteilten Passworts als Fortsetzung darstellen, was diese akzeptiert hat. Damit wurde, ohne dass es einer besonderen Einigung bedurfte, das Vertragsverhältnis – einschließlich der Schiedsklausel – fortgesetzt.
Anm. der Redaktion: Zur Frage der Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts siehe auch OLG München 10.9.2013 RKS A 1 Nr. 222
30.9.2013