Recht und Steuern

A3 Nr. 18

A3 Nr.18
§ 1041 ZPO a.F., §§ 4, 5, 9, 10, 29, 32, 33 Schiedsgerichtsordnung des Waren-Vereins der Hamburger Börse e.V. (SchGO W-V) Rechtliches Gehör. Oberschiedsgericht, Berufung: Benennung eines Ober­schieds­richters als Zulässigkeitsvoraussetzung
An die Gewährung rechtlichen Gehörs sind im schiedsgerichtlichen Verfahren die gleichen strengen Anforderungen wie vor einem staatlichen Gericht zu stellen und beide Parteien ausreichend zu hören.
Gemäß § 29 SchGO W-V muss die Berufungsschrift u.a. die Benennung eines vom Berufungskläger ernannten Oberschiedsrichters enthalten. Ein Beschluss des Ober­schieds­gerichts, der eine Berufung wegen fehlender Benennung des Ober­schieds­richters als unzulässig zurückweist, beruht insoweit nicht auf einem unzulässigen Verfahren. Das Gebot rechtlichen Gehörs erfordert nicht, den Berufungskläger zuvor auf diese Rechtsfolge ausdrücklich hinzuweisen.
LG Hamburg Urteil vom 9.6.1998 - 402 O 165/97; RKS A 3 Nr. 18
Aus den Gründen:
Da dieses Verfahren bei Inkrafttreten der Neufassung des zehnten Buches der ZPO bereits anhängig war, ist nach Art. 4 § 1 Abs. 3 des Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts (Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz - SchiedsverfG) vom 22.12.1997 (BGBl. I S. 3234) das bisher geltende Recht anzuwenden.
Das Oberschiedsgericht des Waren-Vereins der Hamburger Börse e.V. hat in nicht zu beanstandender Weise die Berufung der Beklagten gegen den Schiedsspruch des Schiedsgerichts verworfen. Aufhebungsgründe nach § 1041 sind nicht gegeben.
Der Beschluss des Oberschiedsgerichts beruht nicht auf einem unzulässigen Verfahren (§ 1041 Abs. 1 Zi. 1 ZPO a.F.). Ein Schiedsspruch beruht auf einem unzulässigen Verfahren, wenn das Schiedsgericht zu diesem Schiedsspruch nicht befugt war (Zöller ZPO 20. Aufl.. § 1041 Rd-Nr. 46; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 4. Aufl. Kap. 24 Rd-Nr. 8). Die Befugnisse des Schiedsgerichts ergeben sich in diesem Zusammenhang insbesondere aus den Vereinbarungen der Parteien und den Bestimmungen einer institutionellen Verfahrensordnung, der die Parteien sich unterworfen haben (Zöller aaO.). Vorliegend ergab sich die Befugnis des Ober­schieds­gerichts, die Berufung als un­zu­lässig zu verwerfen, aus § 29 Abs. 1 Satz 2 Zi. 3 SchGO W-V. Das Ober­schieds­gericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es nach dieser Vorschrift für die Einlegung einer zulässigen Berufung der Benennung eines Oberschiedsrichters bedarf; diese Vorschrift regelt u.a., dass die Berufungsschrift „die Benennung des von dem Berufungskläger gemäß §§ 4, 5 [SchGO W-V] ernannten Oberschiedsrichters” enthalten. Soweit die Berufungsschrift nicht dieser Form genügt, hat das Ober­schieds­gericht die Berufung nach § 29 Abs. 2 Satz 2 SchGO W-V als unzulässig zu verwerfen. Die Verweisung des § 29 Abs. 1 Satz 2 Zi. 3 auf die §§ 4, 5 SchGO W-V kann nicht dahin verstanden werden, dass die Benennung eines Oberschiedsrichters für die Einlegung einer wirksamen Berufung nicht zwingend erforderlich ist. Ausweislich der Überschrift der §§ 4, 5 SchGO W-V regeln diese Vorschriften die Besetzung des Schieds­gerichts (§ 4) bzw. des Ober­schieds­gerichts (§ 5). Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Berufung werden dort nicht festgelegt. Diese sind vielmehr ausschließlich Gegenstand der in § 29 SchGO W-V getroffenen Regelung. Jedenfalls kann die in § 4 Abs. 2 SchGO W-V getroffene Regelung im Abschnitt „Organisation”, für die § 5 Abs. 2 die entsprechende Geltung für das Ober­schieds­gericht anordnet, nicht die in § 29 SchGO W-V festgelegten besonderen Voraussetzungen für die Berufung vor dem Oberschiedsgericht derogieren. Darüber hinaus ist die nach § 4 Abs. 2 SchGO W-V im Falle der durch eine Partei versäumten Benennung eines Schiedsrichters angeordnete Benennung nach §§ 9, 10 SchGO W-V nur auf das Verfahren vor dem Schiedsgericht, nicht aber auf das vor dem Ober­schieds­gericht anwendbar. Dies folgt aus der klaren Trennung der Verfahrensregeln in der Schiedsgerichtsordnung für die beiden Instanzen, die unterschiedliche Regelungen im Zweiten Teil in dem Abschnitt I für das Verfahren vor dem Schiedsgericht und in dem Abschnitt II für das Verfahren vor dem Oberschiedsgericht trifft. Erstinstanzliche Verfahrens­regeln des Abschnitts I sind auf das Verfahren vor dem Ober­schieds­gericht nach § 33 SchGO W-V nur anwendbar, soweit sich aus dem Abschnitt II keine Abweichungen ergeben. Da sich aber § 29 SchGO W-V gerade eine abweichende Regelung für die Einlegung einer Berufung entnehmen lässt, ist es nach der Systematik der Schiedsgerichtsordnung nicht möglich, im Falle der versäumten Benennung eines Oberschiedsrichters durch den Berufungskläger diese nach Maßgabe der §§ 9, 10 SchGO W-V zu ersetzen. Auch § 32 SchGO W-V zeigt, dass im Falle der versäumten Benennung eines Oberschiedsrichters für das Verfahren vor dem Oberschiedsgericht spezielle Regeln gelten sollen. Im Falle der durch den Berufungsbeklagten versäumten Benennung eines Oberschiedsrichters ordnet § 32 die entsprechende Anwendung der §§ 9, 10 SchGO W-V an. Wenn aber selbst bei der versäumten Benennung durch den Berufungsbeklagten eine eigene Regelung, die die Geltung von Verfahrensbestimmungen des Abschnittes I anordnet, für notwendig erachtet wird, spricht dies dafür, dass die §§ 9, 10 SchGO W-V nicht ohne weiteres und ohne besondere Erwähnung in den die Berufung regelnden Bestimmungen mit identischen Rechtsfolgen im Berufungsrechtszug gelten sollen.
Insbesondere zeigt auch die in §§ 9, 10 SchGO W-V enthaltene Aufzählung der Fälle, in denen der Vorsitzende oder die Handelskammer Hamburg für eine säumige Partei einen Schiedsrichter oder einen Oberschiedsrichter ernennt, dass dies gerade nicht für die Einlegung der Berufung durch den Berufungskläger gelten soll. Während die §§ 9, 10 ausschließlich die Vorschrift des § 32 SchGO W-V erwähnen und so verhindert werden soll, dass der Berufungsbeklagte durch Nichtbenennung eines Oberschiedsrichters die Durchführung der Berufung unmöglich macht, ist § 29 SchGO W-V nicht erwähnt. Dies ist im Falle der Berufung durch den Berufungskläger auch nicht notwendig; denn er hat es nach § 29 SchGO W-V durch Einlegung einer wirksamen Berufung in der Hand, das Verfahren in Gang zu setzen.
Auch liegt ein Aufhebungsgrund nach § 1041 Abs. 1 Zi. 4 ZPO nicht vor. Der Antrags­gegnerin ist in dem Schieds­gerichts­verfahren das rechtliche Gehör nicht versagt worden. Zwar sind an die Gewährung rechtlichen Gehörs im schiedsgerichtlichen Verfahren die gleichen strengen Anforderungen wie vor einem staatlichen Gericht zu stellen und beide Teile ausreichend zu hören (Schwab/Walter aaO Kap. 15 Rd-Nr. 1). Das ist indes geschehen. Der von der Antragsgegnerin (Berufungsklägerin) angefochtene Schiedsspruch enthält einen ausdrücklichen Hinweis auf § 29 Abs. 1 Satz 2 SchGO W-V mit dem Zusatz, die Berufung „muss den in § 29 Abs. 1 Satz 2 SchGO W-V aufgeführten Erfordernissen entsprechen (aaO. S. 16). Eine besondere, darüber hinausgehende Belehrung der Antragsgegnerin (Berufungsklägerin) im Hinblick auf die in § 29 SchGO W-V geregelten zwingenden Zulässigkeitsvoraussetzungen bedurfte es nicht. Der ausdrückliche, unmissverständliche Hinweis im Schiedsspruch reicht aus.