Recht und Steuern

A3 Nr. 22

A 3 Nr. 22
Nr. 22 §§ 128 Abs. 1, 1027, 1047 ZPO - Mündlichkeit und rechtliches Gehör im Schiedsverfahren, Würdigung von Parteivorbringen und Zeugenaussagen, materiellrechtliche Prüfungskompetenz des Schiedsgerichts, Begründung des Schiedsspruchs
Der Grundsatz der Mündlichkeit gilt nicht im Schiedsverfahren. Gemäß § 1047 Abs. 1 ZPO bestimmen in erster Linie die Parteien, und mangels solcher Bestimmung das Schiedsgericht nach seinem Ermessen, ob mündlich verhandelt werden soll. Das Gebot rechtlichen Gehörs ist jedenfalls dann nicht verletzt, wenn das Schiedsgericht den Parteien seine Verfahrensweise klar und eindeutig angekündigt hat und diese von der Möglichkeit, gemäß § 1047 Abs. 1 S. 2 ZPO eine mündliche Verhandlung zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht haben.
Das Schiedsgericht ist nicht verpflichtet, den Parteien seine Rechtsansicht mitzuteilen und sie zur Äußerung hierzu aufzufordern.
Das Schiedsgericht muss die Erklärungen der Parteien und Zeugen würdigen, ist aber an deren rechtliche Wertungen nicht gebunden, sondern muss diese auf ihren Tatsachenkern zurückführen und die Rechtsfolgen hieraus selbst ziehen. Die rechtliche Beurteilung fällt in den Bereich der materiellrechtlichen Prüfungskompetenz des Schiedsgerichts und ist der Nachprüfung durch das staatliche Gericht entzogen.
Die Begründung des Schiedsspruchs muss gewissen Mindestanforderungen genügen und darf nicht offensichtlich widersinnig sein. Sie darf sich nicht auf inhaltsleere Wendungen beschränken und muss zu den wesentlichen Verteidigungsmitteln der Parteien Stellung nehmen.
Eine inhaltliche Kontrolle des Schiedsspruchs ist dem ordentlichen Gericht verwehrt.
Gegen die öffentliche Ordnung verstößt der Schiedsspruch nur, wenn er einen solchen Grad der Widersinnigkeit oder Unlogik aufweist, dass von einem Schiedsspruch materiell nicht mehr gesprochen werden kann.
OLG Frankfurt/M. Beschluss vom 25.9.2002 - 17 Sch 3/01; Internationales Handelsrecht (IHR) 2003 S. 93 = RKS A 3 Nr. 22
Aus den Gründen:
Es bestehen keine Aufhebungsgründe i.S.d. § 1059 Abs. 2, die gemäß § 1060 Abs. 2 S. 1 ZPO der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs entgegenstehen könnten. Die Ag. kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass ihr in dem Schiedsverfahren nicht hinreichend das rechtliche Gehör gewährt worden ist. Der Grundsatz der Mündlichkeit § 128 Abs. 1 ZPO gilt für das Schiedsverfahren gerade nicht (OLG Hamburg MDR 1956 S. 494).
Gemäß § 1047 Abs. 1 ZPO bestimmen in erster Linie die Parteien, ob überhaupt mündlich verhandelt werden soll oder ob das Verfahren schriftlich durchzuführen ist. Ausdrücklich haben die Parteien nichts bestimmt, sondern die Geltung der DIS-Schiedsordnung vereinbart. Zwar haben die Parteien nicht ausdrücklich gemäß § 14.1 DIS auf mündliche Verhandlung vor Erlass des Schiedsspruchs verzichtet. Alternativ ist nach der vorgenannten Regelung aber eine mündliche Verhandlung dann nicht notwendig, wenn sie nach dem Ermessen des Schiedsgerichts entbehrlich ist.
Von diesem Ermessen hat das Schiedsgericht für die Parteien erkennbar Gebrauch gemacht und bereits am Schluss der mündlichen Verhandlung am 14.9.2000 in einem in der Sitzungsniederschrift mitgeteilten Beschluss angekündigt, nach Vorlage des Ergänzungsgutachtens und Einräumung von Stellungnahmefristen für die Parteien einen Schiedsspruch zu erlassen. Mit Verfügung vom 4.5.2001 hat das Schiedsgericht den Parteien noch einmal mitgeteilt, dass es mit dem Eingang des der Schiedsbeklagten nachgelassenen Schriftsatzes das Verfahren als abgeschlossen ansieht.
Nachdem die Ag. dies zur Kenntnis genommen hat, hat sie schriftsätzlich Stellung auf das überarbeitete Gutachten genommen und auf diese Weise das rechtliche Gehör erhalten. Von ihrem Recht, eine mündliche Verhandlung ausdrücklich zu verlangen, hat sie gerade keinen Gebrauch gemacht. Einem solchen Verlangen hätte angesichts der Vereinbarung der DIS-Schiedsgerichtsordnung § 14.1 zwar entsprochen werden müssen, mangels Widerspruchs auf zwei Ankündigungen des Gerichtes, keine weitere mündliche Verhandlung durchführen zu wollen, und nachdem das Sachverständigengutachten im Termin am 14.9.2000 ausführlich mit den Parteien unter Erläuterung durch den Gutachter erörtert wurde, hat das Schiedsgericht von seinem Ermessen nicht in fehlerhafter Weise Gebrauch gemacht. Im Gegenteil kann in der Einreichung des nachgelassenen Schriftsatzes durch die Ag. nach zweimaligem Hinweis des Schiedsgerichts, auf weitere mündliche Verhandlung verzichten zu wollen, eine konkludente Einverständniserklärung mit dieser Verfahrensweise gesehen werden. Dies kann aber unentschieden bleiben, weil § 14.1 DIS wegen der Alternativität von einmal ausdrücklichem Verzicht der Parteien und zum anderen Ermessen des Schiedsgerichts gerade keine Parteivereinbarung enthält, dass jedenfalls mündlich zu verhandeln ist.
Im übrigen ist die Ag. mit dem Einwand, ihr sei das rechtliche Gehör nicht gewährt worden, ohnehin deshalb ausgeschlossen und kann diesen im Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht mehr geltend machen. Sie hatte nämlich sowohl auf den Beschluss des Schiedsgerichts vom 14.9.2000 wie auf die Verfügung vom 4.5.2001, durch die das Schiedsgericht seine weitere Verfahrensweise klar und eindeutig offengelegt hat, die Möglichkeit, einen Antrag auf Anberaumung der mündlichen Verhandlung zu stellen und so die mündliche Verhandlung zu erzwingen, § 1027 ZPO. Zwar enthält die Vorschrift keine allgemeine Präklusionsregelung, vielmehr ist nach Sinn und Zweck der getroffenen Regelung zu entscheiden, ob Präklusion eintritt (Zöller ZPO 22. Aufl. § 1027 Rd-Nr. 1). § 14.1 der zwischen den Parteien vereinbarten DIS-Schiedsgerichtsordnung sieht aber gerade die Möglichkeit vor, eine mündliche Verhandlung zu beantragen. Nachdem die Ag. sich hier widerspruchslos durch Einreichung des nachgelassenen Schriftsatzes auf das vom Schiedsgericht vorgeschlagene Verfahren, auf Anberaumung einer weiteren mündlichen Verhandlung zu verzichten, eingelassen hat, ist sie mit der Einwendung einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch diese Verfahrensweise präkludiert.
Ein Verfahrensfehler liegt auch insoweit nicht vor, als die Ag. geltend macht, ihre Einwendungen gegen die Berechnung des Gutachters in den Schriftsätzen vom 12.3. und 30.4.2001 seien vom Schiedsgericht nicht berücksichtigt worden, und in einer abschließenden mündlichen Verhandlung hätte sie auch zum Ergebnis der Zeugenvernehmung Stellung nehmen können. Nachdem der Ag. nicht nur durch den Beschluss vom 14.9.2000, sondern erneut durch die Verfügung vom 4.5.2001 mitgeteilt wurde, dass das Schiedsgericht mit dem Eingang des der Ag. nachgelassenen Schriftsatzes das Verfahren als abgeschlossen ansieht und davon ausgeht, dass beiden Parteien umfassend rechtliches Gehör gewährt worden ist, war es der Ag. unbenommen, zum Ergebnis der Beweisaufnahme insgesamt Stellung zu nehmen. Eine derartige Stellungnahme ist grundsätzlich - sogar ohne Schriftsatznachlass - jederzeit als Anregung für das erkennende Gericht möglich, wie die Beweise zu würdigen sind. Es stellt keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar, wenn das Schiedsgericht nicht ausdrücklich auf erhobene Einwendungen der Parteien gegen die Berechnung des Gutachters eingeht. Das Schiedsgericht hat sich mit dem Sachverständigengutachten ausführlich auseinandergesetzt und aufgenommen, dass der Schiedsspruch u.a. auch auf den Schriftsätzen der Bekl. vom 12.3., 30.4. und 21.5.2001 beruht. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtberücksichtigung der Stellungnahmen der Bekl. lässt sich gerade nicht feststellen.
Schließlich liegt auch keine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin, dass das Schiedsgericht weder in der mündlichen Verhandlung erörterte noch einen schriftlichen Hinweis erteilte, dass auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung statt von bereicherungsrechtlichen Grundsätzen von einem vertraglichen Rückzahlungsanspruch ausgegangen werde. Das Schiedsgericht ist im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht gehalten, den Parteien seine Rechtsansicht mitzuteilen und sie zur Äußerung hierzu aufzufordern (vgl. BGH NJW 1990, 3210, 3211 = RKS A 4 a Nr. 30; BGH 8.10.1959 BGHZ 31, 43, 46). Die Beurteilung der Rechtsfolgen der auf der Grundlage einer umfangreichen Beweisaufnahme vorgenommenen Auslegung des von den Parteien in Art. 16 des Subunternehmervertrages (SUV) geregelten Fabrikationsrisikos fällt zudem in den Bereich der materiellrechtlichen Prüfungskompetenz des Schiedsgerichts und ist der Nachprüfung durch das staatliche Gericht deshalb entzogen.
Auch der Rüge der Ag., die Urteilsbegründung sei so widersprüchlich und widersinnig, dass es an einer Begründung des Schiedsspruchs fehle, bleibt der Erfolg versagt. Zwar ist die fehlende Begründung eines Schiedsspruchs ein Verfahrensmangel i.S.d. § 1059 Abs. 3 d ZPO, der den Aufhebungsantrag begründet, und steht dies der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs entgegen. Dabei dürfen an die in § 1054 Abs. 2 ZPO normierte Begründungspflicht nicht die für Urteile staatlicher Gerichte geltenden Maßstäbe angelegt werden, sie muss nur gewissen Mindestanforderungen entsprechen und darf nicht offenbar widersinnig sein. Die Begründung darf sich nicht auf inhaltsleere Wendungen beschränken und muss zu den wesentlichen Verteidigungsmitteln der Parteien Stellung nehmen (BGHZ 96, S. 47ff. = NJW 1986 S. 1436 = RKS A 3 Nr. 14 und Zöller aaO. § 1054 Rd-Nr. 8).
Die Urteilsbegründung des Schiedsspruchs entspricht diesen Anforderungen. Das Schiedsgericht hat auf der Grundlage der Würdigung der Beweisaufnahme die Überzeugung gewonnen und dies in den Urteilsgründen niedergelegt, dass die Parteien damals übereinstimmend davon ausgingen, die nicht verbrauchte Anzahlung sei rückzuerstatten und die vertragliche Rückzahlungspflicht entspreche auch dem Willen der Parteien. Das Gericht ist dabei auf die einzelnen Zeugenaussagen eingegangen und ist mit nachvollziehbarer Begründung zu dem Ergebnis gelangt, die Parteien hätten in Art. 16 Abs. 1 S. 1 SUV eine vertragliche Abrechnungs- und Rückzahlungspflicht vereinbart. Soweit die Ag. rügt, die Niederschrift der Zeugenaussagen B. und F. ergäbe gerade nicht, dass die Kl. einen vertraglichen Rückzahlungsanspruch angenommen habe, vielmehr habe der Zeuge B. ausdrücklich von einer Rückzahlungspflicht nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung gesprochen, wovon auch die Kl. in ihrem schriftsätzlichen Sachvortrag durchgängig ausgegangen sei, begründet dies gerade nicht den Vorwurf einer widersprüchlichen und widersinnigen Urteilsbegründung. Das Schiedsgericht ist an die Bewertung der Rechtsfolgen durch die Parteien und die Zeugen nicht gebunden, sondern hat derartige Wertungen auf ihren Tatsachenkern zurückzuführen und die Rechtsfolgen hieraus selbst zu ziehen. Gerade das hat das Schiedsgericht im Schiedsspruch getan und festgehalten, dass die Zeugen F. und B. übereinstimmend aussagten, dass nach ihrem Verständnis alle Anzahlungen zurückgezahlt werden sollten, die nicht durch die Kosten des Subunternehmers gedeckt waren. Das Gericht war gerade nicht gehalten, sich mit den rechtlichen Bewertungen dieses Sachverhalts durch die Zeugen sowie den rechtlichen Wertungen der Parteien auseinander zusetzen. Auch soweit die Ag. der Auffassung ist, die Verlagerung des Fabrikationsrisikos auf die Subunternehmer stehe mit einer vertraglichen Abrechnungspflicht in Widerspruch, enthält die Urteilsbegründung, die auf das entsprechende Vorbringen der Schiedsbekl. ausdrücklich Bezug nimmt, keine Widersprüchlichkeiten, die dazu führen könnten, eine fehlende Urteilsbegründung anzunehmen. Das Schiedsgericht hat vielmehr, aus welchen Gründen es die Verlagerung des Fabrikationsrisikos auf die Bekl. mit einer Rückzahlungspflicht für nicht verbrauchte Anzahlungen als vereinbar ansieht, im einzelnen niedergelegt. Das Verfahren des Schiedsgerichts, auf dem die Tatsachenfeststellung beruht, ist mit Mängeln nicht behaftet. Die Würdigung fällt in den Bereich der materiellrechtlichen Prüfungskompetenz des Schiedsgerichts und ist damit der Nachprüfung durch das staatliche Gericht nur soweit zugänglich, als darin ein Verstoß gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts - den ordre public - vorliegt.
Das gleiche gilt , soweit die Ag. weitere vermeintliche Widersprüche zwischen der Begründung des Schiedsurteils und dem Vortrag der Parteien aufzeigt, die sich überwiegend mit dem in den Schriftsätzen niedergelegten Verständnis der Parteien über die Rechtsfolge des Verständnisses der Ast. beziehen, in Art. 16 SUV sei ein Anspruch der Kl. auf Zurückerhalt nicht verbrauchter Anzahlungen vereinbart. Soweit die Ag. meint, entgegen dem übereinstimmenden Parteivorbringen, nach dem das Fabrikationsrisiko vollständig auf die Subunternehmer verlagert werden sollte, habe das Schiedsgericht angenommen, das Risiko habe nicht vollständig verlagert werden sollen, welche Aussage der Urteilsbegründung dann noch in sich widersinnig sei, weil dann in der Folge angenommen wurde, das Risiko habe die Bekl. erst ab dem Zeitpunkt treffen sollen, in dem die Durchführung des Außenvertrags aus politischen Gründen unmöglich würde, und für die bis zu diesem Zeitpunkt erbrachten Leistungen habe sich die Bekl. aufgrund des bis zum Eintritt des Fabrikationsrisikos fortbestehenden Vertrages durch die Anzahlung schadlos halten können, gilt das bereits Ausgeführte in gleicher Weise. Das Schiedsgericht hat umfassend begründet, daß ein solches übereinstimmendes Verständnis der Regelung des Art. 16 SUV, das Fabrikationsrisiko solle auf die Bekl. verlagert werden, zwar zunächst bestanden habe, dies dann im weiteren Verlauf aber nicht mehr derart uneingeschränkt der Fall war.
Der Schiedsspruch verstößt auch nicht gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts - den ordre public - (§ 1059 Abs. 2 Zi. 2 b ZPO). Er verletzt kein zwingendes Recht. Gegen die öffentliche Ordnung verstößt der Schiedsspruch nur, wenn er einen solchen Grad der Widersinnigkeit oder Unlogik aufweist, dass von einem Schiedsspruch materiell nicht mehr gesprochen werden kann. Dagegen ist dem Senat eine inhaltliche Kontrolle des Schiedsspruchs verwehrt. Nach dem bereits Dargestellten kann davon keine Rede sein. Die im Schiedsspruch vorgenommene Auswertung des Sachverhaltes wie die Würdigung des Beweisergebnisses und der daraus herzuleitenden Rechtsfolgen halten dem eingeschränkten Prüfungsmaßstab des Vollstreckbarerklärungsverfahrens stand. Die Annahme des Schiedsgerichts, die Parteien hätten in Art. 16 SUV eine vertragliche Rückzahlungspflicht vereinbart, welche die Schiedsbekl. verpflichte, ihre Leistungen abzurechnen und den Überschuss an die Schiedskl. zurückzuzahlen, hält sich im Rahmen zulässiger, der Nachprüfung durch den Senat entzogener Urteilsfindung.