Recht und Steuern

A3 Nr. 38

A 3 Nr. 38 
§§1032 Abs. 2, 1040 Abs. 1 ZPO Verfahren vor dem Schiedsgericht: Antrag auf gerichtliche Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit nach Konstituierung des Schiedsgerichts, bei Anhängigkeit einer Klage vor dem staatlichen Gericht 
1.Der Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des vereinbarten  schiedsrichterlichen Verfahrens ist unzulässig, wenn das Schiedsgericht bereits konstituiert ist, das Verfahren unabhängig von dem Antrag eingeleitet und fortgeführt werden kann und das Schiedsgericht gem. § 1040 Abs. 1 ZPO selbst befugt ist, über seine Zuständigkeit zu entscheiden.
2.Jedenfalls fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn bereits ein Klageverfahren vor dem Landgericht anhängig ist.
3.Die Einrede des Schiedsvertrages ist an keine Form gebunden. Es genügt, dass der Wille hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird, die Sachentscheidung solle nicht von dem angerufenen staatlichen Gericht,  sondern von einem Schiedsgericht getroffen werden.
OLG München Beschl.v. 22.6.2011 – 14 SchH 03/11 SchiedsVZ 2011, 340 = RKS A 3 Nr. 38
Aus dem Sachverhalt:
Am 4.3.2011 hat die Gesellschafterversammlung der Antragsgegnerin zu 5 – einer GmbH – die Einrichtung eines Beirates beschlossen, über dessen Befugnisse und erforderliche           Beschlussmehrheiten  Meinungsverschiedenheiten bestehen. Unter dem 5.3.2011 hat die Antragsgegnerin zu 1, die mit die mit den Antragsgegnern zu 2 – 4 gemeinsam 24,59 % der GmbH-Anteile besitzt, Klage zum Landgericht erhoben mit dem Antrag, den Beschluss der Gesellschafterversammlung für nichtig zu erklären, hilfsweise, festzustellen, dass der Beirat für bestimmte Maßnahmen und Geschäfte, z.B. Feststellung des Jahresabschlusses und Genehmigung des Jahresberichts, Aufstellung und Änderung der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung, Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern,  nicht zuständig ist. Unter dem 28.3.2011 hat die Antragstellerin, die 75,41 % der GmbH-Anteile besitzt, ein Schiedsverfahren gegen die Antragsgegner eingeleitet mit dem Antrag, die Zuständigkeit des Beirats für die bestimmten Maßnahmen und Geschäfte festzustellen. Das Schiedsgericht ist inzwischen konstituiert.
§ 8 der GmbH-Satzung bestimmt:
Über alle Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern oder zwischen der Gesellschaft und Gesellschaftern, welche diesen Gesellschaftsvertrag, das Gesellschaftsverhältnis oder die Gesellschaft betreffen, mit Ausnahme von Beschlussmängelstreitigkeiten, entscheidet, soweit dem nicht zwingendes Recht entgegensteht, unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges ein Schiedsgericht. Dies gilt auch für Streitigkeiten über die Wirksamkeit, Durchführung und Beendigung des Gesellschaftsvertrages, einzelner Vertragsbestimmungen oder etwaiger Nachträge.
Nahezu wortgleich lautet § 1 des dazugehörigen Schiedsvertrages in § 1 (Zuständigkeit des Schiedsgerichts).
Ebenfalls unter dem 28.3.2011 hat die Antragstellerin beim OLG Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens gem. § 1032 Abs. 2 ZPO gestellt und weiter beantragt festzustellen, dass der  Beirat für die Maßnahmen und Geschäfte zuständig ist.
Aus den Gründen:
1.Der Antrag ist unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Kammergerichts (Beschl.v. 13.9.2010, 20 SchH 3/09 zitiert bei Kröll SchiedsVZ 2011, 131, 133) ergäbe sich dies bereits aus dem Umstand, dass das Schiedsgericht mittlerweile konstituiert ist, das schiedsrichterliche Verfahren unabhängig von dem gegenständlichen Antrag eingeleitet und fortgeführt werden könne und dieses gem. § 1040 Abs. 1 ZPO selbst befugt sei, über seine Zuständigkeit zu entscheiden. Ob dem zu folgen ist (zweifelnd Kröll aaO.), kann der Senat offen lassen. Denn jedenfalls fehlt dem Antrag hier deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil bereits ein Klageverfahren vor dem Landgericht anhängig ist.         
2.Die ZPO eröffnet den Parteien drei verschiedene Wege, um die Frage zu klären, ob für die Entscheidung einer Streitfrage anstelle staatlicher Gerichte ein Schiedsgericht zuständig ist. Zum einen kann der Beklagte vor dem staatlichen Gericht nach § 1032 Abs. 1 ZPO die Schiedseinrede erheben, zum zweiten kann ein Antrag an das OLG auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens nach § 1032 Abs. 2,   § 1062 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gestellt werden, und zum dritten besteht die Möglichkeit, die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts im schiedsrichterlichen Verfahren nach § 1040 Abs. 1 S. 1 ZPO geltend zu machen (Senat vom 10.1.2007  34 SchH 14/06 = OLG Report 2006, 188 = RKS A 1 Nr. 155; BayObLG 7.10.2002  4 Z SchH 8/02 = SchiedsVZ 2003, 188 = RKS A 1 Nr. 120; MünchKomm/Münch ZPO 3.Aufl. 1032 Rd-Nr. 3). Das Gesetz enthält zwar Regelungen über das Verhältnis des schiedsrichterlichen Verfahrens gegenüber dem Verfahren vor den staatlichen Gerichten; eine Bestimmung über das Rangverhältnis von § 1032 Abs. 1 ZPO und § 1032 Abs. 2 ZPO untereinander fehlt jedoch. Es besteht jedenfalls kein sachliches Bedürfnis für die Durchführung eines gesonderten Feststellungsverfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO, wenn zwischen den Verfahrensbeteiligten zum Zeitpunkt der Antragstellung nach § 1032 Abs. 2 ZPO bereits ein Hauptsacheverfahren vor einem staatlichen Gericht anhängig  und die Schiedseinrede erhoben ist (Senat vom 10.1.2007, BayObLG 7.10.2002 = RKS A 1 Nr. 120; OLG Koblenz SchiedsVZ 2008, 262 = RKS A 1 Nr. 166; Hk-ZPO/Saenger 4. Aufl. § 1032 Rd-Nr. 15; Reichold  in Thomas/Putzo ZPO 32. Aufl. Rd-Nr. 5; Zöller/Geimer ZPO 28. Aufl. § 1032 Rd-Nr. 23; Schroeter SchiedsVZ  2008, 288/291; a.A. MünchKomm/Münch ZPO 3. Aufl. § 1032 Rd-Nr. 22),  da dann bereits eine andere Möglichkeit zur Klärung der Zuständigkeitsfrage zur Verfügung steht (Busse SchiedsVZ 2003, 189). Entgegen der Ansicht der Antragstellerin hat sie kein Wahlrecht, in welchem Verfahren sie die Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens klären lassen will; denn sonst würde man zugleich die Wahlmöglichkeit des Schiedsgegners, der diese bereits durch die Erhebung der Klage vor dem staatlichen Gericht ausgeübt hat, vernichten. Ein Anspruch desjenigen, der im Anschluss daran gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen will, nunmehr seinerseits wieder die Wahl zwischen verschiedenen Verfahren treffen zu können, gibt keinen Sinn. Regelmäßig wird das staatliche Gericht –auf Einrede – eine Entscheidung über die streitige Schiedsklausel zu treffen haben, indem es entweder  die Klage als unzulässig abweist oder in der Sache selbst entscheidet, und damit die Unsicherheit zwischen den Parteien über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung beseitigt (vgl. auch Musielak/Voit ZPO 8. Aufl. § 1032 Rd-Nr. 12 m.w.N.). Überzeugende Gründe, weswegen sich  ein weiteres Gericht parallel dazu mit der gleichen Fragestellung befassen solle, sind nicht ersichtlich. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Antragstellerin im staatlichen Verfahren bereits die Schiedseinrede erhoben hat oder nur ankündigt, diese noch erheben zu wollen (vgl. Busse, SchiedsVZ 2003, 189/190). Jedenfalls ist in beiden Fällen das Hauptsachegericht zu  einer Entscheidung berufen. Wird die Schiedseinrede erhoben, so hat das Hauptsachegericht  über die Zulässigkeit des bei ihm anhängig gemachten Verfahrens zu entscheiden. Erhebt die Antragstellerin als dortige Beklagte die  Schiedsabrede jedoch nicht, so kann das Hauptsachegericht in der Sache selbst entscheiden. Für eine gesonderte Feststellung, ob ein Schiedsverfahren dann, wenn die Schiedseinrede erhoben worden wäre, zulässig gewesen wäre, fehlt jedes Rechtsschutzbedürfnis. Darüber hinaus darf  es nicht im Belieben einer Partei stehen, mit Hilfe eines Antrags nach § 1031 Abs. 2 ZPO sowie der Verzögerung der Schiedseinrede eine ihr unliebsame Entscheidung des Prozessgerichts zu vermeiden und statt dessen – ggf.auch  in  einem fortgeschrittenen Stadium des Hauptsacheverfahrens – ein weiteres Gericht mit der strittigen Schiedsklausel zu befassen in der Erwartung, dieses Gericht werde sich von ihren Argumenten eher überzeugen lassen. Zudem würde die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen gefördert, wenn die Verfahren nach § 1032 Abs. 1 und § 1032 Abs. 2 ZPO selbständig nebeneinander betrieben werden könnten. § 148 ZPO bietet keinen ausreichenden Schutz, um einem Nebeneinander mehrerer Verfahren und der Gefahr daraus resultierender widersprüchlicher Entscheidungen wirkungsvoll zu begegnen (BayObLG SchiedsVZ 2003, 188f. = RKS A  1 Nr. 120).
Auch der Grundsatz der Prozessökonomie spricht für die Sichtweise des Senats. Die Prozessökonomie beurteilt sich nicht danach, wie das Gericht der Hauptsache über die strittige Schiedsklausel entscheiden wird und inwieweit die Parteien diesbezüglich Rechtsmittel ankündigen. Ebensowenig ist darauf abzustellen, wie das nach § 1032 Abs. 2 ZPO angerufene Gericht die Wirksamkeit der Schiedsklausel materiell-rechtlich beurteilen würde. Entscheidend ist vielmehr, dass bereits ein (staatliches) Gericht mit der Frage befasst ist und hinreichender Rechtsschutz und Rechtssicherheit für die Parteien in diesemVerfahren gewährleistet sind.
3.Die Einrede des Schiedsvertrages ist an keine Form gebunden. Es genügt, dass der Wille hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird, die Sachentscheidung solle nicht von dem angerufenen staatlichen Gericht,  sondern von einem Schiedsgericht getroffen werden (BGH NJW-RR 2009, 790 Rd-Nr.30f  = RKS A 1 Nr. 177 und A 4 b Nr. 48; MünchKomm/Münch  ZPO 3. Aufl.  § 1032 Rd-Nr. 6).