Recht und Steuern

A 3 Nr. 45

A 3 Nr. 45 - § 1025 Abs.1 und 3, § 1062 Abs.1 und 5 ZPO i.V.m. § 7 GZVJu
Bestellung eines zweiten, beisitzenden Schiedsrichters durch das OLG.
Eine Schiedsvereinbarung kann auch durch die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in das Vertragsverhältnis geschlossen werden.
Beschluss OLG München, AZ 34 SchH 3/16 vom 23.06.2017

Aus den Gründen
I.
Die Antragstellerin, eine Gesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG mit Sitz in Bayern/ Bundesrepublik Deutschland, ist durch formwechselnde Umwandlung aus einer (deutschen) Aktiengesellschaft (AG) hervorgegangen. Noch in ihrer früheren Rechtsform als AG schloss sie am 21.12.2011 einen Vertrag (Purchase Contract) mit der Antragsgegnerin, einer public corporation („xxx“) nach dem indonesischen Law on State-Owned Enterprises Nr. XX/XXXX i. V. m. Regierungsverordnungen Nr. XXX/XXXX und Nr. XX/XXXX mit Sitz in der Republik Indonesien. Der Vertrag verweist unter der Überschrift „Attachments“ auf ein Angebot der Antragstellerin vom selben Tag als „binding part of this contract“. Die dem Angebot beigefügten „general terms and conditions for delivieries, work and service“ enthalten unter Ziff. X. (Additional clauses) neben der Vereinbarung deutschen Rechts unter Ausschluss der United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods (CISG) unter anderem folgende Bestimmung:
5. Jurisdiction is for any of the contractual dispute, which arise directly or indirectly, the location of the Seller. The Seller also reserve the right to submit all disputes to an other jurisdiction or to an arbitration court.
(übersetzt: Gerichtsstand ist für alle Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Vertrag am Geschäftssitz der Verkäuferin. Die Verkäuferin behält sich außerdem das Recht vor, alle Streitigkeiten vor ein anderes Gericht oder ein Schiedsgericht zu bringen.)
Die Antragstellerin beabsichtigt, wegen einer nach ihrer Behauptung offenen Restforderung Schiedsklage gegen die Antragsgegnerin zu erheben. Sie hat mit Schreiben vom 28.12.2015 die Antragsgegnerin hierüber informiert, zugleich einen Schiedsrichter benannt und die Antragsgegnerin unter Fristsetzung aufgefordert, ihrerseits ebenfalls einen Schiedsrichter zu benennen. Dem ist die Antragsgegnerin weder innerhalb der gesetzten Frist noch danach nachgekommen.
Die Antragstellerin hat deshalb beim Oberlandesgericht die Bestellung eines Schiedsrichters für die Antragsgegnerin beantragt.
Die Antragsgegnerin hatte im Bestellungsverfahren Gelegenheit zur Äußerung, auch zum Vorschlag des Senats über die Person eines geeigneten Schiedsrichters. Sie hat hiervon nur insofern Gebrauch gemacht, als sie ihren guten Willen zu einer einvernehmlichen Lösung des Problems überbringen ließ.
II.
Dem zulässigen Bestellungsantrag ist stattzugeben.
1. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München folgt aus § 1025 Abs. 1 und Abs. 3, § 1062 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012 (GVBl. S. 295), da die Antragstellerin ihren Geschäftssitz in Bayern hat.
2. Als ausländisches Staatsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit genießt die Antragsgegnerin keine Immunität (Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. „Der internationale Zivilprozess“ Rn. 60).
3. Gegen die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung in Form einer Allgemeinen Geschäftsbedingung, die der Verwenderin das einseitige Wahlrecht zwischen staatlicher Gerichtsbarkeit und Schiedsgerichtsbarkeit einräumt, bestehen nach summarischer Bewertung keine durchgreifenden Bedenken.
a) Weil der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag dem Formerfordernis des § 1031 Abs. 1 ZPO entspricht und seinerseits gemäß § 1031 Abs. 3 ZPO auf das die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltende Angebot verweist, entspricht die Schiedsklausel (§ 1029 Abs. 2 ZPO) unter Zugrundelegung deutschen Rechts der zu ihrer Gültigkeit erforderlichen Form. Die Einhaltung dieser Form reicht wegen des in Art. VII Abs. 1 des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 (UNÜ; BGBl II 1961, 121) verankerten Günstigkeitsprinzips unabhängig davon aus, ob das Schiedsverfahren an einem Schiedsort innerhalb oder außerhalb Deutschlands in einem Vertragsstaat des Übereinkommens (etwa Indonesien) durchgeführt wird (BGH SchiedsVZ 2010, 332/333; Zöller/Geimer § 1031 Rn. 24 und 25 sowie Anh § 1061 Rn. 1 zu Art. II UNÜ).
b) Im geschäftlichen Verkehr zwischen Unternehmern (§ 14 BGB) kann eine Schiedsvereinbarung auch durch die Einbeziehung Allgemeiner Geschäftsbedingungen in das Vertragsverhältnis geschlossen werden (§ 310 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 1031 Abs. 1 und 3 ZPO). Eine in der Verhandlungssprache (hier: englisch) gehaltene Schiedsklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen stellt für sich genommen im kaufmännischen Geschäftsverkehr keine überraschende Klausel (§ 305c Abs. 1 BGB) dar (BGH vom 26.6.1986, III ZR 200/85, juris). Ein spezieller Hinweis auf die in den Bedingungen enthaltene Klausel ist für deren wirksame Einbeziehung nicht notwendig (Zöller/Geimer ZPO 31. Aufl. § 1031 Rn. 9 m. w. Nachw.). Die Frage, ob § 305c Abs. 1 BGB im Geltungsbereich des UNÜ Anwendung fände (vgl. Staudinger/Hausmann BGB Bearb. 2016 „Verfahrensrecht für internationale Verträge...; Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen“ Rn. 461, 464), kann daher dahinstehen.
c) Die von den Vertragsparteien für den Hauptvertrag getroffene Rechtswahl dürfte nach dem Parteiwillen regelmäßig auch für die Frage der Gültigkeit einer im Vertrag enthaltenen Schiedsklausel bedeutsam sein (OLG Jena vom 13.1.2011, 1 Sch 1/08, juris; siehe auch Staudinger/Hausmann a. a. O. Rn. 466). Sie beurteilt sich unter dieser Prämisse nach § 310 Abs. 1 Satz 2, § 307 Abs. 1 und 2 BGB.
Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen niedergelegte Schiedsvereinbarung stellt im kaufmännischen Geschäftsverkehr für sich genommen keine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne von § 307 BGB dar (BGH NJW 2005, 1125/1126; Palandt/Grüneberg BGB 76. Auflage § 307 Rn. 129; Zöller/Geimer § 1031 Rn. 32). Dies gilt auch dann, wenn sie - wie hier - dem Verwender dadurch einen Vorteil gegenüber dem Vertragspartner einräumt, dass allein dem Verwender ein Wahlrecht zwischen Schiedsklage und Klage vor dem ordentlichen Gericht eingeräumt wird (BGHZ 115, 324/325). Die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts kann für die Parteien bei Einhaltung der in § 1025 Abs. 2 ZPO gezogenen Grenzen unterschiedlich geregelt werden.
Eine solche Klausel kann zwar wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB ungültig sein, wenn sie nach ihrem Inhalt die Gefahr begründet, dass der Verwender durch Ausnutzen der ihm eingeräumten Befugnis den Inhalt der Entscheidung dadurch beeinflusst, dass er die rechtliche Kontrolle seiner den Geschäftspartner unangemessen benachteiligender Geschäftsbedingungen den staatlichen Gerichten entzieht (BGHZ 115, 324/325, 328). Für eine unangemessene Benachteiligung der Antragsgegnerin durch die übrigen Allgemeinen Bedingungen ist hier jedoch nach summarischer Beurteilung nichts ersichtlich.
Umstände des Einzelfalls, die zu einer abweichenden Wertung führen könnten, sind nicht vorgetragen und nicht ersichtlich. Einer abschließenden Entscheidung darüber, ob die Schiedsvereinbarung gültig ist, bedarf es im Bestellungsverfahren nicht.
4. Mangels abweichender Vereinbarung richten sich die Anzahl der Schiedsrichter nach § 1034 Abs. 1 Satz 2 ZPO und das Verfahren zur Schiedsrichterbestellung nach § 1035 Abs. 3 Sätze 2 und 3 ZPO. Hat eine Partei den Schiedsrichter nicht innerhalb eines Monats nach Empfang einer entsprechenden Aufforderung der anderen Partei bestellt, so ist der Schiedsrichter auf Antrag der anderen Partei vom Gericht zu bestellen (§ 1035 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Antragstellerin hat im Aufforderungsschreiben vom 28.12.2015 sowohl die Rechtsstreitigkeit bezeichnet als auch den eigenen Schiedsrichter benannt.
5. Gemäß § 1035 Abs. 5 ZPO bestellt der Senat die im Tenor bezeichnete Person zum Schiedsrichter. Der Senat wählt als zweiten Schiedsrichter einen praxiserfahrenen Rechtsanwalt mit Spezialisierung auf nationale und internationale Schiedsverfahren sowie komplexe Gerichtsverfahren aus. Dieser ist zur Übernahme des Schiedsrichteramts bereit. Umstände, die gegen seine Person sprächen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.