Recht und Steuern

A 3 Nr. 41

A 3 Nr. 41 - §§ 1042 Abs. 4, 1049 Abs. 1, 2, 1059 ZPO – Verfahrensleitende Verfügungen des Schiedsgerichts als Grundlage einer Parteivereinbarung über das Schiedsverfahren
Treffen die Parteien eines Schiedsverfahrens innerhalb der zwingenden gesetzlichen Regelungen eine Vereinbarung über das einzuhaltende Verfahren, gehen solche Vereinbarungen schiedsrichterlichen Verfahrensanordnungen vor. Die Absicht des Schiedsgerichts, Verfahrensregelungen in Abstimmung mit den Parteien festzulegen, hindert die Parteien nicht, die Vorschläge des Schiedsgerichts zum Inhalt einer bindenden Parteivereinbarung zu machen.
Der Umstand, dass die Vereinbarung in ihrer äußeren Form einer verfahrensleitenden Verfügung des Schiedsgerichts entspricht, die sich insoweit nicht von der Vielzahl der übrigen Verfahrensanordnungen des Schiedsgerichts unterscheidet, steht der Annahme einer Parteivereinbarung nicht entgegen. Wenn das Schiedsgericht zu Beginn des Verfahrens oder eines Verfahrensabschnitts den Parteien eröffnet, dem Verfahren die DIS-Schiedsordnung und ergänzend die Regeln der ZPO zugrunde legen zu wollen, zugleich aber seine Bereitschaft erklärt, abweichende Vereinbarungen der Parteien dokumentieren zu wollen, kann der Art und Weise der nachfolgenden Dokumentation der Verfahrensregelung keine Bedeutung für die Frage beigemessen werden, ob es sich um eine Parteivereinbarung oder um eine Verfügung des Schiedsgerichts handelt.
OLG Frankfurt a.M. Beschl.v. 17.2.2011 - 26 Sch 13/10 SchiedsVZ 2013, 49, 55 = RKS A3 Nr. 41
Aus den Gründen:
Grundsätzlich ist den Parteien eines Schiedsverfahrens die Möglichkeit eröffnet, innerhalb der zwingenden gesetzlichen Regelungen das zu beachtende Verfahren durch Vereinbarungen frei zu bestimmen. Solche Vereinbarungen können bereits in der Schiedsvereinbarung getroffen werden, aber auch zu einem beliebig späteren Zeitpunkt des Verfahrens. Einer besonderen Form bedürfen sie regelmäßig nicht, so dass auch eine konkludente Absprache möglich ist (MüKo/Münch ZPO 3. Aufl. § 1042 Rz. 77). Den Parteien ist es auch unbenommen, pauschal die Verfahrensordnung eines institutionellen Schiedsgerichts zu vereinbaren (hier: DIS-Schiedsordnung), sie können aber auch in diesem Fall jederzeit noch hiervon abweichende Vereinbarungen treffen; solche Vereinbarungen gehen schiedsrichterlichen Verfahrensanordnungen immer vor (§§ 24.1, 27.1,2 DIS-Schiedsordnung bzw. §§ 1042 Abs. 4, 1049 Abs. 1, 2 ZPO). So liegt der Fall auch hier….
Der Vorsitzende des Schiedsgerichts hatte zu Beginn einer Telefonkonferenz unstreitig geäußert, die Beweisaufnahme streng nach den vorgeschriebenen DIS-Regeln bzw. der ZPO durchführen zu wollen, sofern die Parteien keine abweichenden Regelungen vereinbaren würden; soweit die Parteien aber entsprechende Vereinbarungen treffen wollten, würde das Schiedsgericht diese selbstverständlich dokumentieren. Wenn das Schiedsgericht vor diesem Hintergrund den Parteien sodann mit Schreiben vom 23.10.2006 einen Entwurf einer „Procedural Rule“ mit der Bitte um Zustimmung übersandte und die Parteien in dem sich daran anschließenden Schriftverkehr eigene Vorschläge bzw. Änderungswünsche vorgebracht haben, aber auch zu den Vorstellungen der jeweils anderen Partei Stellung genommen haben, ihnen zugestimmt, sie abgelehnt bzw. nicht widersprochen haben, das Schiedsgericht diesen Änderungswünschen, soweit sie von den Parteien wechselseitig akzeptiert wurden, in der Schlussfassung der „Procedural Order“ am 8.11.2006 unter Ziffer III Rechnung getragen hat und zudem die maßgebliche Regelung in Ziffer III der „Procedural Order“ mit der Überschrift einleitete (in deutscher Übersetzung). „Das Schiedsgericht hält des Weiteren die Vereinbarung der Parteien zum Inhalt der weiteren Schriftsätze fest“, konnte dies aus der Sicht der Antragstellerin nur als die vom Schiedsgericht dokumentierte Übereinkunft der Parteien bezüglich des zu beachtenden Verfahrens verstanden werden….
In einer solchen Konstellation durfte ein objektiver Empfänger in der Lage der Antragstellerin nach Treu und Glauben davon ausgehen, dass auch die Antragsgegnerin eine solche Einigung wollte und dies durch die jeweiligen Stellungnahmen und die letztendlich erteilte Zustimmung zum Ausdruck gebracht hat. ... Da ein Erklärungsbewusstsein kein notwendiger Bestandteil einer Willenserklärung ist, kann schlüssiges Verhalten auch dann als Willenserklärung gewertet werden, wenn die Handelnde an die Möglichkeit einer solchen Wertung nicht gedacht hat. Voraussetzung ist nur, dass der Handelnde bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden durfte und der andere Teil es tatsächlich auch so verstanden hat (Palandt/Ellenberger § 133 Rz. 11) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Indem die Antragsgegnerin zu den Vorschlägen des Schiedsgerichts und insbesondere den Änderungswünschen der Antragstellerin Stellung genommen hat und dem als Dokumentation einer Parteivereinbarung überschriebenen Entwurf der vom Schiedsgericht verfassten „Procedural Order“ ausdrücklich zustimmte, hätte sie bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt ohne Weiteres den rechtsgeschäftlichen Erklärungswert ihres Verhaltens erkennen können.
Allein der Umstand, dass die Vereinbarung in ihrer äußeren Form einer verfahrensleitenden Verfügung des Schiedsgerichts entspricht, die sich insoweit nicht von der Vielzahl der übrigen, eindeutig dem Schiedsgericht zuzuordnenden Verfahrensanordnungen unterscheidet, steht der Annahme einer Parteivereinbarung nicht entgegen. Den Parteien ist es unbenommen, jederzeit von zunächst zugrunde gelegten institutionellen Verfahrensordnungen abweichende Vereinbarungen zu treffen; diese können auch einzelne Verfahrensfragen betreffen und gehen auch insoweit schiedsrichterlichen Verfahrensanordnungen immer vor. Wenn das Schiedsgericht vor diesem Hintergrund zu Beginn der „Quantum Phase“ (betr. Höhe des geltend gemachten Schadens) den Parteien eröffnete, dem weiteren Verfahren zu Höhe des Anspruchs die DIS-Schiedsordnung und ergänzend die Regeln der ZPO zugrunde legen zu wollen, kann der Art und Weise der nachfolgenden Dokumentation der Verfahrensregeln keine Bedeutung für die Frage beigemessen werden, ob es sich um eine Parteivereinbarung oder eine Verfügung des Schiedsgerichts handelt. … Auf die Sichtweise des Schiedsgerichts kommt es ohnehin nicht an. Entscheidend ist, dass ein übereinstimmender Parteiwille festzustellen ist, den das Schiedsgericht zwingend beachten muss.
Des weiteren stellen sich auch die Terms of Reference als eine für das Verfahren bindende Parteivereinbarung dar. … Die Antragstellerin hat hinreichend dargelegt, dass das schiedsrichterliche Verfahren diesen Vereinbarungen nicht entsprochen hat (wird ausgeführt).
3.4.2013