Recht und Steuern

A3 Nr. 21

A3 Nr.21
§§ 1032, 1034 f., 1046 Abs. 2, 1062, 1066 ZPO- Wesensmerkmale eines „echten” Schiedsgerichts. Schiedskommission einer politischen Partei
Ob die Schiedskommission einer politischen Partei ein Schiedsgericht i.S.d. Zehnten Buches der ZPO und der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 1066, 1062 ZPO zulässig ist, hängt davon ab, ob Organisationsstatut und Schiedsordnung das Verfahren entsprechend den §§ 1025 ff. ZPO ausgestaltet haben, insbesondere,
  • ob der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gemäß § 1032 ZPO ausgeschlossen ist,
  • ob die Kommission ein parteiinternes oder ein externes, unabhängiges Organ ist,
  • wie sie besetzt wird und welchen Einfluß die Streitparteien auf die Besetzung haben, und
  • ob die der Kommission ermöglichten Entscheidungen inhaltlich einer Vollstreckung durch staatliche Instanzen zugänglich sind.
Wenn dementsprechend die Kommission kein Schiedsgericht und der Antrag auf gerichtliche Entscheidung unzulässig ist, so ist damit der Rechtsschutz nicht eingeschränkt: Nach ständiger BGH-Rechtsprechung unterliegen vereinsrechtliche Disziplinarmaßnahmen - auch solche politischer Parteien - im Rahmen der Vereinsautonomie der Kontrolle durch die staatlichen Gerichte. Diese ist nicht - wie in § 1059 ZPO für die Aufhebung eines Schiedsspruchs vorgesehen - auf einzelne schwerwiegende Mängel beschränkt.
OLG Düsseldorf Beschluß v. 19.8.2002 - 6 Sch 8/02; NJW-RR 2003, 142 = RKS A 3 Nr. 21
Aus dem Sachverhalt:
Der Antragsgegner (Landesverband einer Partei) ordnete mit Beschluß vom 15.4.2002 gegen den Antragsteller im Wege der Sofortmaßnahme das Ruhen aller Mitgliedschaftsrechte für drei Monate an wegen des Verdachts, daß der Ast. an der Stückelung von Parteispenden mitgewirkt und dadurch der Partei unter Verstoß gegen das Parteiengesetz Mittel aus der staatlichen Parteifinanzierung verschafft habe. Die Schiedskommission hat am 6.6. beschlossen, die Sofortmaßnahme aufrecht zu erhalten. Mit Beschluß vom 29.6. wies die Kommission Befangenheitsanträge gegen den Vorsitzenden und die Beisitzer als rechtsmißbräuchlich bzw. unbegründet zurück und lehnte den Antrag ab, Rechtsanwalt R. als Beistand zuzulassen.
Aus den Gründen:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 1062, 1066 ist nicht zulässig. Das Verfahren nach dem 10.Buch ZPO wäre nur statthaft, wenn die Schiedskommission ein echtes Schiedsgericht i.S.d. §§ 1066, 1025 ff. ZPO wäre. Die auf Grund des Organisationsstatuts und der Schiedsordnung der X-Partei eingerichtete Kommission ist aber ausschließlich ein besonderes Parteiorgan, dem nach § 15 I lit. a der Schiedsordnung i.V.m. § 35 II des Organisationsstatuts der Partei die Befugnis obliegt, auf bestimmte Organisationsmaßnahmen zu erkennen. Hierbei handelt es sich nicht um Entscheidungen einer externen Schiedsgerichtsbarkeit, sondern um parteiinterne Maßnahmen.
Wesentlich für ein echtes Schiedsgericht ist der Ausschluß des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten (§ 1032 ZPO). Eine ausdrückliche Bestimmung, daß die Schiedskommission an Stelle des staatlichen Gerichts entscheidet, enthält die Schiedsordnung aber nicht. Auch im Übrigen läßt die Schiedsordnung keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür erkennen, daß der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ausgeschlossen sein soll. Im Gegenteil: Der Inhalt der von der Schiedskommission im Parteiordnungsverfahren zu treffenden möglichen Entscheidungen und die personelle Besetzung der Kommission weisen darauf hin, daß es sich bei ihr nicht um ein echtes Schiedsgericht handelt (vgl. hierzu BGH NJW 1995, 583 [587]): Im Parteiordnungsverfahren kann die Kommission gem. Schiedsordnung und Organsationsstatut nur auf die Erteilung einer Rüge, die zeitweilige Aberkennung des Rechts auf Bekleidung einzelner oder aller Funktionen und das zeitweilige Ruhen einzelner oder aller Rechte aus der Parteimitgliedschaft sowie auf den Ausschluß aus der Partei erkennen. Diese Entscheidungen sind mangels eines vollstreckungsfähigen Inhalts aber nicht zur Vollstreckung durch staatliche Instanzen gem. §§ 1055, 1060 ZPO bestimmt. Ferner konnte der Ast. nicht einmal Einfluß auf die Auswahl der Mitglieder der Schiedskommission nehmen. Diese werden nämlich gem. § 34 V des Organisationsstatuts von Parteitagen auf die Dauer von zwei Jahren gewählt.
Abgesehen davon ist auch das Verfahren vor der Schiedskommission nicht den Vorschriften des 10. Buches der ZPO entsprechend ausgestaltet. Der Sachverhalt liegt insoweit im Wesentlichen nicht anders als in der Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. vom 29.7.1970 (NJW 1970, 2250), und eine Änderung der Rechtslage ist seither nicht erfolgt, auch nicht auf Grund der Neufassung des 10. Buches der ZPO durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungs-Gesetz vom 22.12.1997. Insbesondere stimmt § 1066 ZPO wörtlich überein mit der Vorgängerregelung § 1048 ZPO a.F.
Die Unzulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 1066, 1062 ZPO bedeutet keine Einschränkung des Rechtsschutzes. Im Gegenteil: Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH unterliegen vereinsrechtliche Disziplinarmaßnahmen - auch solche politischer Parteien - der Kontrolle durch die staatlichen Gerichte (BGH NJW 1994, 2610). Diese Kontrolle beschränkt sich, auch wenn in Anerkennung der Vereinsautonomie bestimmte Grenzen einzuhalten sind, nicht auf einzelne schwerwiegende Mängel, wie dies in § 1059 ZPO für die Aufhebung eines Schiedsspruchs vorgesehen ist.
Hinweis: Das OLG Düsseldorf stützt seine Definition der Wesensmerkmale eines „echten” Schiedsgerichts weitgehend auf die oben zitierten Entscheidungen: OLG Frankfurt a.M. NJW 1970 S. 2250 ff. betrifft „Schiedsgerichte” gem. § 14 Parteiengesetz, BGH NJW 1995, 583 ff. [567] solche von Sportverbänden; zu letzteren siehe auch OLG München 26.10.2000 RKS A 1 Nr. 109, OLG Frankfurt a.M. 5.4.2001 RKS A 1 Nr. 111.