Recht und Steuern

A3 Nr. 20

A3 Nr. 20
§§ 128, 1027, § 1047 ZPO - Eingeschränktes Mündlichkeitsprinzip im Schiedsverfahren. Schriftliches Verfahren. Rechtliches Gehör. Unverzügliche Rüge
Der für das Verfahren vor den staatlichen Gerichten geltende Grundsatz der Mündlichkeit gilt nur eingeschränkt für das Schiedsverfahren: Mündliche Verhandlung ist anzuordnen, wenn die Parteien sie vereinbart oder beantragt haben; Unterlassung macht das Verfahren fehlerhaft. Der Fehler ist unverzüglich schriftlich zu rügen, sobald erkennbar wird, daß das Schiedsgericht beabsichtigt, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.
Die Unterlassung einer mündlichen Verhandlung verletzt nicht ohne weiteres den Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Die Parteien haben keinen Anspruch auf rechtliches Gehör in einer bestimmten Form; i.d.R. genügt die Gewährung einer angemessenen Frist zur schriftlichen Stellungnahme.
OLG Naumburg Beschl.v. 21.2.2002 - 10 Sch 8/01; NJW-RR 2003 S. 71 = RKS A 3 Nr. 20
Aus dem Sachverhalt:
In der Schiedsklageschrift hatte der Antragsteller die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Schiedsrichter hat statt dessen mit Schreiben vom 7.5.2001 dem Antragsgegner eine Frist zur schriftlichen Klagebeantwortung gesetzt: „Unter Verweisung auf § 1047 I ZPO i.V.m. § 146 I ZPO entscheide ich, daß das Verfahren auf der Grundlage von Schriftstücken und anderen Unterlagen durchzuführen ist, sowie eine Frist von drei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens zur schriftlichen Klagebeantwortung gesetzt wird.” Der Ag. ließ diese Frist ungenutzt verstreichen. Der Schiedsrichter verurteilte ihn mit Schiedsspruch vom 28.8.2001 antragsgemäß zur Zahlung. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
Der für das Verfahren vor den staatlichen Gerichten in § 128 Abs. 1 ZPO niedergelegte Grundsatz der Mündlichkeit gilt im Schiedsverfahren nicht in gleicher Weise. Mündliche Verhandlung ist jedoch anzuordnen, wenn die Parteien sie vereinbart oder beantragt haben. Unterbleibt sie entgegen der Parteivereinbarung, so liegt dem Schiedsspruch grundsätzlich ein unzulässiges Verfahren zu Grunde (BGH NJW 1994, 2155 = RKS A 3 Nr. 17 [zur Rechtslage nach altem Recht]). Im vorliegenden Fall hätte der Schiedsrichter daher gem. § 1047 Abs. 1 S. 2 Halbs. 2 ZPO eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Insoweit war das schiedsrichterliche Verfahren fehlerhaft.
Der Ag. ist jedoch mit der Rüge dieses Verfahrensfehlers gem. § 1027 S. 1 ZPO ausgeschlossen. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterliegt im Schiedsverfahren grundsätzlich der Disposition der Parteien und damit dem Anwendungsbereich des § 1027 S. 1 ZPO. Wie § 1047 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 ZPO zeigt, können die Parteien die Abhaltung oder Nichtabhaltung einer mündlichen Verhandlung vereinbaren.
In der Nichtabhaltung liegt auch kein Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs, die die Anwendung des § 1027 ZPO ausschließen könnte. Wie bereits ausgeführt, ist im Schiedsverfahren der Grundsatz der Mündlichkeit gelockert. Die Parteien haben daher keinen Anspruch darauf, daß ihnen das rechtliche Gehör in einer bestimmten Form, nämlich durch eine mündliche Verhandlung, eingeräumt wird. Der Schiedsrichter hatte dem Ag. eine Frist von drei Wochen zur Stellungnahme eingeräumt. Dadurch ist das rechtliche Gehör gewahrt. Der Ag. hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, obwohl er ohne weiteres die Möglichkeit dazu gehabt hätte. Er konnte sich nicht darauf verlassen, daß eine unterlassene Stellungnahme das Verfahren blockieren werde. Wie im gerichtlichen Verfahren wäre eine mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorzubereiten gewesen. Der Schiedsrichter hatte aber gerade für die schriftliche Stellungnahme eine Frist gesetzt. Auch sofern er die Schiedsklageschrift für unschlüssig ansah, hätte er seine Einwände schriftlich vortragen müssen. Er hatte keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Schiedsrichter seine Aufassung teilte.
Der Ag. hat den Verfahrensmangel nicht unverzüglich i.S.d. § 1027 S. 1 ZPO gerügt. Unverzüglich i.S. dieser Vorschrift bedeutet, daß die Rüge entweder in der nächsten mündlichen Verhandlung oder, wenn eine solche nicht festgesetzt ist, in einem sofortigen Schriftsatz erhoben werden muß (Zöller/Geimer ZPO 22. Aufl. § 1027 Rd-Nr. 2). Im vorliegenden Fall hätte der Ag. daher den Verstoß sofort nach Erhalt der Verfügung vom 7.5. rügen müssen. Aus dieser geht eindeutig hervor, daß der Schiedsrichter beabsichtigte, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Der Schiedsrichter verwandte wörtlich die Formulierung, die § 1047 Abs. 1 S. 1 ZPO für den Fall vorsieht, daß keine mündliche Verhandlung abgehalten werden soll: „ ....das Verfahren auf der Grundlage von Schriftstücken und anderen Unterlagen durchzuführen...”. Außerdem heißt es dort, daß der Schiedsrichter sich für diese Art der Verfahrensdurchführung entschieden habe. Darin liegt zugleich die Ablehnung der in § 1047 Abs. 1 S. 1 ZPO genannten Alternative, nämlich der mündlichen Verhandlung. Angesichts dieses eindeutigen Wortlauts konnte sich der Ag., der als Rechtsanwalt über die notwendige Fachkenntnisse verfügt, nicht darauf verlassen, daß dennoch eine mündliche Verhandlung stattfinden werde.