Recht und Steuern

A 4a Nr. 150

A 4 a Nr. 150 § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO – „Offensichtliche“  Unvereinbarkeit der Anerkennung oder Vollstreckung eines Schiedsspruchs mit dem Ordre Public. Entstehungsgeschichte und ratio legis dieses Kriteriums
Die Anerkennung oder Vollstreckung eines Schiedsspruchs verstößt nur dann gegen die öffentliche Ordnung (ordre public), wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts „offensichtlich“ unvereinbar ist. Der ordre public erfasst elementare Grundlagen der Rechtsordnung und eklatante Vorstöße gegen die materielle Gerechtigkeit, wobei nicht jeder Widerspruch -- selbst zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts – genügt. Es ist der erklärte Wille des Gesetzgebers, die Schiedsgerichtsbarkeit als „Alternative zur staatlichen Justiz“ und „eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Prinzip gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit“ zu stärken.  
BGH Beschl.v. 28.1.2014 – III ZB 40/13 WM 2014, 1151 = RKS A 4 a Nr. 150
Aus den Gründen:
Die Annahme des OLG Celle, dass ein Widerspruch gegen den ordre public nur bei „offensichtlicher“ Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts vorliege und der Einwand einer Verletzung nur in „extremen Ausnahmefällen“ greife, ist zutreffend und entspricht der Senatsrechtsprechung. Die abweichende Auffassung ist  auf ältere, noch zu § 1041 Abs. 1 Nr. 2 ZPO i.d.F. v. 12.9.1950 (BGBl. S. 533) ergangene   BGH-Entscheidungen von 1958 bis 1983 gestützt. Danach konnte die Aufhebung beantragt werden, „wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstoßen würde“. Eine entsprechende Regelung enthielt § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bezüglich der Versagung der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs. Insoweit wurde in diesen Entscheidungen die Frage einer „offensichtlichen“ Unvereinbarkeit nicht problematisiert , vielmehr heißt es im Urt.v. 25.10.1966 (BGHZ 46,365, 370): „Ob die der Entscheidung des Schiedsgerichts zugrundeliegende Rechtsauffassung … auch von anderen geteilt wird und deshalb zumindest ‚vertretbar‘ erscheint, ist unerheblich.“ Geprüft wurde nur, was zu den „guten Sitten“ bzw. zur „öffentlichen Ordnung“ gehört. 
Das Kriterium der Offensichtlichkeit wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.7.1986 (BGBl. I S. 1142) in § 1041Abs. 1 Nr. 2 und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in das Schiedsrecht eingeführt. Parallel wurde der ordre-public-Vorbehalt in Art. 6 EGBGB betr. Anwendung von Rechtsnormen eines anderen Staates  und in § 328 Abs. 2 Nr. 4 ZPO betr. Anerkennung ausländischer Urteile entsprechend umformuliert (vgl. BGH 12.7.1990 WM 1990, 1766 = NJW 1990, 3210, 3211 = RKS A 4 a Nr. 30).  Hintergrund ist letztlich das Verbot der révision au fond, also das Verbot, ein ausländisches Urteil oder einen Schiedsspruch auf seine materielle Richtigkeit zu überprüfen (EuGH 28.3.2000  NJW 2000, 1853 Rdn.37 und 11.5.2000 NJW 2000, 2185 Rdn. 30).  Dieses Verständnis der Norm ergibt sich auch aus dem Schiedsverfahrensrechts-Neuregelungsgesetz vom 22.12.1997 (BGBl. I S. 3224), auch wenn in dessen Text das Kriterium der Offensichtlichkeit nicht mehr ausdrücklich ausgesprochen ist (BT-Drucksache 13/5274 S. 59).
Ein anderes Verständnis der Norm würde auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, die Schiedsgerichtsbarkeit als „Alternative zur staatlichen Justiz“ und „eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Prinzip gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit“ zu stärken (aaO. 1, 34 – siehe BGH Beschl.v. 30. 10.2008 = WM 2009, 573, 574 = RKS A 4 a Nr. 110).
Ergänzend ist anzumerken, dass das Kriterium der Offensichtlichkeit inzwischen in den neueren europäischen Regelungen zum ordre-public-Vorbehalt im Familien-und Erbrecht verwandt wird (wird ausgeführt).
27.6.2014