Recht und Steuern

A4a Nr. 110

A 4 a Nr. 110
Aufhebung eines auf § 41 der –Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel– gestützten Schiedsspruchs wegen Verstoßes gegen den ordre public (§§103 f., 119 InsO)?
Auch nach Inkrafttreten des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes vom 22.12.1997 (BGBl. I 3224) setzt die Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen Verstoßes gegen den inländischen ordre public voraus, dass die Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, d.h. wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grudlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht; der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen.Nicht jeder Widerspruch eines Schiedsspruchs zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts stellt danach einen Verstoß gegen den ordre public dar; vielmehr muss die Entscheidung gegen eine nicht abdingbare Norm verstoßen, die Ausdruck einer für die Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers ist. Ein auf § 41 der Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel gestützter Schiedsspruch verstößt nicht deswegen gegen den ordre public (hier: §§ 103, 104, 119 InsO).
BGH Beschl.v.30.10.2008 - III ZB 17/08; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2009, 66 = MDR 2009,162(L) = RKS A 4 a Nr. 110
Aus den Gründen:
Der angefochtene Schiedsspruch beruhte auf einem Vertrag, dem die Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel (EB) zu Grunde lagen. Der im Juli 2003 gekaufte Mais sollte im Mai/Juni 2004 abgenommen werden. § 41 EB lautet wie folgt:
„1. Stellt eine Partei ihre Zahlungen ein oder liegen Tatsachen vor, die einer Zahlungseinstellung gleichzuachten sind, so erlöschen die Ansprüche auf Erfüllung des Vertrags, soweit dieser beiderseits noch unerfüllt ist. An die Stelle der Erfüllungsansprüche tritt mit der Zahlungseinstellung oder dem Vorliegen einer ihr gleichzuachtenden Tatsache der Anspruch auf Zahlung der sich zwischen Kontraktpreis und Tagespreis ergebenden Preisdifferenz, die gegenseitig zu verrechnen ist.
2. Die Feststellung des Tagespreises hat unter Beachtung der Vorschriften des § 19 Abs. 4 zu erfolgen. Als Stichtag gilt der folgende Geschäftstag nach dem Bekanntwerden der Zahlungseinstellung oder einer ihr gleichzuachtenden Tatsache. Die Kosten der Preisfeststellung gehen zu Lasten der Partei, die in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist.”
Über das Vermögen der Käuferin wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Antragsgegner wurde zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser lehnte die Erfüllung des Vertrags ab und beantragte für die offene Liefermenge eine Preisfeststellung zum Stichtag 4.2.2004. Der hiermit beauftragte Makler stellte einen Preis von 167,30 Euro pro 1000 kg fest. Der AGg. verlangte daraufhin von der ASt./Verkäuferin auf Grund von § 41 EB die Differenz zwischen dem kaufvertraglich vereinbarten und dem festgestellten Preis. Die ASt. weigerte sich und wurde vom Schiedsgericht, bestätigt vom Oberschiedsgericht, antragsgemäß verurteilt.
Die Rechtsbeschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung des Schiedsspruchs ist zwar statthaft (§ 1065 Abs. 1 i.V.m. § 1062 Abs. 1 Nr. 4 und § 1059 ZPO), jedoch im übrigen unzulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO). Insbesondere ist eine Entscheidung des BGH nicht zu der von der ASt. aufgeworfenen Frage erforderlich, ob der in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO geregelte inländische ordre public alle zwingenden Normen des deutschen Rechts erfasst. Klärungsbedarf besteht hierzu nicht. Nach der Rechtsprechung des Senats zu § 1041 Abs. 1 Nr. 2 a.F. (Urt. vom 12.7.1990 - III ZR 174/89 - NJW 1990, 3210, 3211 = RKS A 4 a Nr. 30) setzt die Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen Verstoßes gegen den inländischen ordre public in allenfalls geringfügiger Abweichung von dem noch großzügigeren internationalen ordre public vgl.z.B. Senatsbeschl. v.23.2.2006 III ZB 59/05 NJW 2007, 772, 774 Rd-Nr. 28 m.w.N. = RKS A 4 b Nr. 37; MünchKommZPO/Münch 3.Aufl.1059 Rd-Nr. 43) voraus, dass die Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, d.h. wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht; der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen. Hieran hat sich nach der praktisch einhelligen, zutreffenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und in der Literatur durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz vom 22.12.1997 (BGBl. I 3224), mit dem der inländische ordre public in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b neu geregelt wurde, inhaltlich nichts geändert (vgl. z.B. OLG Saarbrücken OLGR 2007, 426, 427; OLG Frankfurt/M SchiedsVz 2006, 219, 223 = RKS A 2 Nr. 41, A 4 b Nr. 39; OLG Dresden SchiedsVz 2005, 210, 211 = RKS A 4 a Nr. 74; OLG Karlsruhe OLGR 2002, 94, 95; Hk-ZPO/Saenger 2. Aufl. § 1059 Rd-Nr. 30; Kröll NJW 2007, 743, 748; Münch a.a.O. § 1059 Rd-Nr. 41; Musielak/Voit ZPO 6. Aufl.§ 1059 Rd-Nr. 29; Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 24 Rd-Nr. 37f; Stein/Jonas/Schlosser ZPO 22. Aufl. § 1059 Rd-Nr. 24 i.V.m. Anhang § 1061 Rd-Nr. 135; Zöller/Geimer ZPO 26. Aufl. § 1059 Rd-Nrn. 55f; so auch zum „insolvenzrechtlichen” ordre public: BGH Beschl.v.18.9.2001 - IX ZB 51/00 - NJW 2002, 960, 961). Nicht jeder Widerspruch der Entscheidung des Schiedsgerichts zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts stellt danach einen Verstoß gegen den ordre public dar (so ausdrücklich OLG Saarbrücken a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O., Hk-Saenger a.a.O.; Münch a.a.O. Rd-Nr. 41, 43; Voit a.a.O.; Schwab/Walter a.a.O. Rd-Nr. 38; mittelbar auch OLG Frankfurt/M. a.a.O.; Geimer a.a.O. Rd-Nr. 65). Vielmehr muss es sich um eine nicht abdingbare Norm handeln. die Ausdruck einer für die Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers ist.
Dass der angefochtene Schiedsspruch mit derartigen Bestimmungen in Widerspruch steht, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Rechtsbeschwerde, auch hinsichtlich der von ihr in Bezug genommenen Vorschriften, selbst nicht geltend gemacht.
Von einer weiteren Begründung wird gem. § 577 Abs. 6 S. 3 ZPO abgesehen.