Recht und Steuern

A 4a Nr. 149

A 4 a Nr. 149 §1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO  - Ablehnung der Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs nur bei Verstoß gegen ordre public
1. Die Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs verstößt nur in extremen Ausnahmefällen, d.h. dann gegen die öffentliche Ordnung (den ordre public), wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts „offensichtlich“ unvereinbar ist.
2. Der ordre public erfasst elementare Grundlagen der Rechtsordnung. Eklatante Verstöße gegen die materielle Gerechtigkeit und ein Widerspruch selbst zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts genügen nicht.
BGH Beschl.v. 28.1.2014 – III ZB 40/13 ZIP 2014 S. 595 RKS A 4 a Nr. 149
Aus den Gründen:
1. Nach den älteren, noch zu § 1041 Abs. 1 Nr. 2 i.d.F. vom 12.9.1950 (BGBl. 533) ergangenen Entscheidungen (… u.a. BGH 25.10.1966 KZR 7/65  BGHZ 46, 365, 367 f. = RKS A 4 a Nr. 6) konnte die Aufhebung beantragt werden, „wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung verstoßen würde“. Eine entsprechende Regelung enthielt § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bezüglich der Versagung der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs. Insoweit wurde in diesen Entscheidungen die Frage einer „offensichtlichen“ Unvereinbarkeit nicht problematisiert; vielmehr hieß es im Urteil vom 25.10.1966 (BGHZ 46, 365, 370 = HSG/RKS A 4 a Nr. 6): „Ob die der Entscheidung des Schiedsgerichts zugrundeliegende Rechtsauffassung … auch von anderen geteilt wird und deshalb zumindest ‚vertretbar‘ erscheint, ist unerheblich“. Geprüft wurde nur, was zu den „guten Sitten“ bzw. zur „öffentlichen Ordnung“ gehört.
Durch das Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts vom 25.7.1986 (BGBl. I 1142) wurden dann allerdings u.a. § 1041 Abs. 1 Nr. 2 und § 1044 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dahin geändert, dass die Aufhebung eines (inländischen) Schiedsspruchs bzw. die Versagung der Vollstreckbarerklärung eines (ausländischen) Schiedsspruchs nur auszusprechen ist, „wenn die Anerkennung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist“. Parallel zur Änderung im Schiedsrecht wurde der ordre-public-Vorbehalt in Art. 6 EGBGB zur Anwendung von Rechtsnormen eines anderen Staates und in § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO zur Anerkennung ausländischer Urteile entsprechend umformuliert. Nach der Gesetzesbegründung sollte durch die Vorbehaltsklausel der „Kernbestand“ der inländischen Rechtsordnung  geschützt werden, wobei in Anlehnung an die neuere völkervertragliche Praxis, insbesondere an Art. 16 des EG-Schuldvertragsübereinkommens vom 19.6.1980, der Vorbehalt des ordre public durch den Zusatz „offensichtlich unvereinbar“ bewusst eng und damit einschränkend formuliert wurde (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 222/83 S. 42f., 88f., 92).
Dementsprechend hat der Senat in seiner Rechtsprechung (vgl. nur Urt.v.12.7.1990 – III ZR 174/89 NJW 1990,3210, 3211 = RKS A 4 a Nr. 30) darauf abgestellt, ob der Schiedsspruch „offensichtlich“  eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder ob er „offensichtlich“ zu den deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht.  Hierbei hat der Senat betont, dass eine bloße Verletzung des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts, nach dem das Schiedsgericht entscheiden sollte, für einen solchen Verstoß nicht ausreicht. Der Schiedsspruch ist nicht in allen Einzelheiten auf seine materiell-rechtliche Richtigkeit zu überprüfen, sondern lediglich darauf, ob er die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzt bzw. ein eklatanter Verstoß gegen die materielle Gerechtigkeit vorliegt.
Hintergrund des „Offensichtlichkeitskriteriums“ ist dabei letztlich das Verbot der révision au fond, d.h. das Verbot, eine ausländische Entscheidung oder einen Schiedsspruch auf seine materielle Richtigkeit zu überprüfen. Der EuGH (vgl. Urt.v. 28.3.2000 ZIP 2000, 859 mit Anm. Geimer S. 863 = NJW 2000, 1853 Rz. 37, dazu EWiR 2000, 441 [Hau] und Urt.v. 11.5.2000 NJW 2000, 2185 Rz. 30, dazu EWiR 2000, 627 [Geimer]; jeweils zum entsprechenden ordre-public-Vorbehalt nach Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ, der  -- anders als jetzt Art. 34 Nr. 1 EuGVVO -- das Wort „offensichtlich“  nicht enthielt) hat diesen Zusammenhang wie folgt umschrieben: „Damit das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibt, muss es sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln.“  
Im Zuge des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes vom 22.12.1997 (BGBL. I 3224) ist dann allerdings der inländische Ordre public in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 b ZPO neu gefasst worden. Die Bestimmung lautet nunmehr, dass ein Schiedsspruch aufgehoben werden kann, wenn das Gericht feststellt, dass „ die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, dass der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht“. Das Kriterium der Offenkundigkeit ist im Text nicht mehr ausdrücklich angesprochen. Aus der Entstehungsgeschichte (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 13/5274 S.59) ergibt sich allerdings nichts dafür, dass der Gesetzgeber – zudem nur für das Schiedsverfahren und nicht im Anwendungsbereich der unverändert gebliebenen Art. 6 EGBGB, § 328 Abs. 1 Nr. 4 ZPO – insoweit an der bisherigen Rechtslage etwas ändern wollte. Vielmehr hatte die Änderung sprachliche Gründe (BT-Drucks. 13/5274 S. 59); eine Inhaltskontrolle des Schiedsspruchs sollte jedoch wie nach bisherigem Recht weiter ausgeschlossen bleiben (BT-Drucks, 13/5274 S. 58f.). Ein anderes Verständnis der Norm würde auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, durch das Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetz die Schiedsgerichtsbarkeit als „Alternative zur staatlichen Justiz“ bzw. „als eine der staatlichen Gerichtsbarkeit im Prinzip gleichwertige Rechtsschutzmöglichkeit“ zu stärken (BT-Drucks. 13/5274 S. 1, 34).
2. Vor diesem Hintergrund hat der Senat (vgl. Beschl.v. 30.10.2008 – III ZB 17/08 WM 2009, 573, 574 = RKS A 4 a Nr. 110) ausdrücklich festgestellt, dass auch nach Inkrafttreten des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes die Aufhebung eines Schiedsspruchs voraussetzt, dass die Entscheidung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, der Schiedsspruch in diesem Sinn die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzt, wobei nicht jeder Widerspruch der Entscheidung selbst zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts einen Verstoß gegen den ordre public darstellt.
Hieran hält der Senat weiter fest. Insoweit ist ergänzend auch anzumerken, dass das Offensichtlichkeitskriterium inzwischen durchgängig in den neueren europäischen Regelungen zum ordre-public-Vorbehalt verwandt wird (vgl. neben Art. 34 Nr. 1 EuGVVO nur Art. 22 a, Art. 23 a EuEheVO, Art. 24 a  EuUnterhVO, Art. 40 a EuErbRVO zur Anerkennung von Entscheidungen sowie Art. 21 Rom I-VO, Art. 26 Rom II-VO, Art. 12 Rom III-VO, Art. 13 HUntProt, Art. 35 EuErbVO zur Anwendung ausländischen Rechts; s auch § 109 Abs. 1 Nr. 4 FamFG).        
2.4.2014