RECHT UND STEUERN

A 4a Nr. 144

4 a Nr. 144 Art. V Abs. 2 b UNÜ, § 1044 Abs. 2 Nr. 1 a.F., § 1061 ZPO i.V.m. Art. V Abs. 1 a UNÜ -Verstöße des ausländischen Schiedsgerichts gegen inländischen ordre public; sittenwidriger Kaufvertrag,  Fehlen wirksamer Schiedsabrede; Prüfungsumfang, Verbot der révision au fond
1. Im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren erstreckt sich die  Über-prüfung eines ausländischen Schiedsspruchs auch auf Verstöße gegen den inländischen ordre public und auf das Fehlen oder die Unwirksamkeit der Schiedsabrede.
2. Nach neuem Schiedsverfahrensrecht steht dem Einwand, das ausländische Schiedsgericht sei mangels wirksamer Schiedsvereinbarung unzuständig gewesen, nicht entgegen, dass der Schiedsbeklagte versäumt hat, dies im Schiedsverfahren zu rügen oder gegen den Schiedsspruch im Ausland ein befristetes Rechtsmittel einzulegen.
3. Dies gilt nicht, wenn der Antragsgegner den Verstoß gegen den ordre public und die Rüge der Unwirksamkeit auf eine materiell-rechtliche Einwendung stützt, deren Tatsachengrundlage ihm im Schiedsverfahren bereits bekannt war und nicht erst nach dem Erlass des ausländischen Schiedsspruchs entstanden ist.
4. Bei einer Kontrolle, ob das ausländische Gericht oder Schiedsgericht bei der Tatsachenfeststellung oder bei der Rechtsanwendung gegen den inländischen ordre public verstoßen hat, muss das staatliche Gericht  das Verbot der révision au fond  beachten.
5. Die Inhaltskontrolle von Kaufverträgen unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit mit den guten Sitten ist im CISG (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods) nicht vereinheitlicht.
6. Die Beweiswürdigung kann nicht im gleichen Umfang überprüft werden wie dies beispielsweise deutsche Berufungsgerichte in Zivilsachen tun, die nur in den von § 529 ZPO gezogenen Schranken an die Tatsachenfeststellungen der ersten Instanz gebunden sind. Das Gericht, das über den Antrag nach § 1061 ZPO i.V.m. dem UNÜ entscheidet, ist kein dem ausländischen (Schieds-)Gericht übergeordnetes Instanzgericht. Die Beweiswürdigung kann allenfalls insoweit überprüft werden, wie sie im Revisionsverfahren der Richtigkeitskontrolle unterliegt.  
OLG Saarbrücken Beschl.v. 30.5.2011 – 4 Sch 3/10 IHR 2013, 21= RKS A 4 a Nr. 144
Aus dem Sachverhalt:
Der Antragsgegner rügt einen Verstoß gegen den inländischen ordre public: Der vereinbarte Kaufpreis von 1,3 Mio Euro sei wegen (bereits im Schiedsverfahren) behaupteter Mängel des verkauften Hengstes bei Gefahrübergang weit übersetzt gewesen. Es habe ein besonders grobes Mißverhältnis zum Verkehrswert von allenfalls 100.000 Euro  vorgelegen. Der Kaufvertrag sei daher gemäß des wegen der in Deutschland erfolgten Übergabe maßgeblichen § 138 Abs. 1 BGB insgesamt nichtig. Nach deutscher Spruchpraxis bestehe bei einer den Wert der Gegenleistung um 100 % übersteigenden Leistung eine tatsächliche Vermutung für ein Handeln des Verkäufers aus verwerflicher Gesinnung.     
Aus den Gründen:
1. Die Überprüfung eines ausländischen Schiedsspruchs (ICC-Verfahren Schiedsort Stockholm) erstreckt sich im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren gem. Art. V Abs. 2 b UNÜ auch auf Verstöße gegen den inländischen ordre public und auf das Fehlen oder die Unwirksamkeit einer Schiedsgerichtsvereinbarung.
2. Der Einwand, eine wirksame Schiedsvereinbarung liege nicht vor, ist dem Antragsgegner nicht schon deshalb verwehrt, weil er die behauptete Unwirksamkeit im ausländischen Schiedsverfahren nicht beanstandet hat. Nach neuerer BGH-Rechtsprechung (Beschl. v. 16.12.2010 – III ZB 100/09 = NJW 2011, 1290, 2092 =  IHR 2011, 265 = RKS A 4 a Nr. 129) muss das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung nicht schon im ausländischen Schiedsverfahren gerügt werden. Der BGH geht davon aus, dass nach Inkrafttreten des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes vom 22.12.1997 (BGBl. I 3224), durch das u.a. § 1044 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a.F. aufgehoben worden ist, dem Einwand, das ausländische Schiedsgericht sei mangels wirksamer Schiedsvereinbarung unzuständig gewesen, nicht entgegensteht, dass der Schiedsbeklagte es versäumt hat, dies im Schiedsverfahren zu rügen oder im Ausland ein befristetes Rechtsmittel einzulegen (BGH aaO.). Auch ein substantiiert dargelegter Verstoß gegen den deutschen ordre public wäre ein beachtlicher Einwand (Zöller/Geimer ZPO 27.Aufl. Rd-Nrn. 30, 31 zu § 1061).
3. Der Streitfall weist jedoch die Besonderheit auf, dass der Antragsgegner den Verstoß gegen den ordre public und die geltend gemachte Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung auf eine materiell-rechtliche Einwendung stützt, deren Tatsachengrundlage ihm im Schiedsverfahren bereits bekannt war  und die nicht erst nach dem Erlass des ausländischen Schiedsspruchs entstanden ist. Der Antragsgegner wusste um die behaupteten Mängel des verkauften Hengstes, mit denen er nun die grobe Wertdiskrepanz begründet, die zur Unwirksamkeit des Kaufvertrages als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB führen und die zugleich das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung zur Folge haben soll.
Nach ständiger BGH-Rechtsprechung (NJW-RR 1997, 1289 = RKS A 4 a Nr. 40; NJW 1990, 3210, 3211 = RKS A 4 a Nr. 30; BGHZ 34, 274, 277 ff). sind im Vollstreckbarerklärungs-verfahren neben gesetzlichen Aufhebungsgründen zwar auch sachliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch festgestellten Anspruch zulässig. Allerdings müssen in entsprechender Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO die Gründe, auf denen die Einwendung beruht, grundsätzlich nach dem Schiedsverfahren entstanden sein (BGH Beschl.v. 30.9.2010 – III ZB 57/10 RKS A 4 a Nr. 128).
Hiervon ausgehend ist der Antragsgegner mit dem vor Erlass des Schiedsspruchs entstandenen materiell-rechtlichen Einwand eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts, dessen tatsächliche Grundlagen ihm im Schiedsgerichtsverfahren  bekannt waren, in entsprechender Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen und deshalb daran gehindert, im Verfahren nach § 1061 ZPO i.V.m. dem UNÜ den (angeblichen) Verstoß gegen den ordre public und das Fehlen einer wirksamen Schiedsvereinbarung auf die vor Erlaß des Schiedsspruchs entstandene materiell-rechtliche Einwendung zu stützen, die er wegen vorhandener Tatsachenkenntnis schon in dem Schiedsgerichtsverfahren hätte erheben können. Die Ordre-public-Prüfung dient nicht dazu, eine nachlässige oder unzweckmäßige Rechtswahrnehmung im Ausland zu korrigieren (Geimer, Intenationales Zivilprozeßrecht, 6. Aufl. Rd-Nr. 3926a i.V.m. Rd-Nr. 2991).
Selbst wenn man materiellrechtliche Einwendungen, die einen Verstoß gegen den inländischen ordre public und die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung zur Folge haben könnten, entgegen der hier vertretenen Rechtsauffassung nicht entsprechend § 767 Abs. 2 ZPO als präkludiert ansehen wollte, würde das der Rechtsverteidigung des Antragsgegners nicht zum Erfolg verhelfen.
4. Bei der Beantwortung der Frage, ob ein für vollstreckbar zu erklärender ausländischer Schiedsspruch gegen den inländischen ordre public verstößt, ist das Verbot der révision au fond zu beachten. Hiernach findet weder eine umfassende Kontrolle der Tatsachenfeststellungen statt noch ist eine unrichtige Rechtsanwendung für sich allein ein Grund, dem ausländischen Schiedsspruch oder Urteil die Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung zu verweigern. Fehlentscheidungen sind bei Schiedssprüchen ebenso hinzunehmen wie bei Urteilen staatlicher Gerichte (Zöller/Geimer Rd-Nr. 40 zu § 1061 ZPO).  
Die Unwirksamkeit des Kaufvertrages ist nicht mit einem groben Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gegenleistung zu begründen, das auf  dem Käufer/Antragsgegner bekannten Mängeln der Kaufsache bei Übergabe beruhen soll, über die das Schiedsgericht Beweis erhoben hat. Der ordre public greift nur in krassen Fällen zur Wahrung grundlegender und unverzichtbarer Werte der deutschen Rechtsordnung ein, bei Fallgestaltungen also, wo die Anerkennung oder Vollstreckung ausländischer Entscheidungen gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstoßen und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Anerkennungs- und Vollstreckungsstaates stehen würde (EuGH NJW 2000, 1853, 1854).
Was zum ordre public des Anerkennungsstaates zählt, legt das nationale Recht fest (MünchKomm/Gottwald ZPO 3. Aufl. Art 36 IZPR Rd-Nr. 5). Ein Verstoß gegen den ordre public kommt wie dargelegt  nur ausnahmsweise in Betracht, wobei die Voraussetzungen im nationalen Recht international auszulegen sind (BGH NJW 1990, 2201, 2203 = RKS A 4 a Nr. 29). Der Schuldner trägt die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen den ordre public (BGH NJW 1993, 3269, 3270).
Ein Verstoß gegen den ordre public (§ 1061 ZPO i.V.m. Art. 5 Abs. 2 b UNÜ) kann sich sowohl in verfahrensrechtlicher wie materiell-rechtlicher Hinsicht ergeben.
Ebenso wie bei der Anerkennung ausländischer Urteile staatlicher Gerichte erzwingt der ordre public eine Kontrolle des ausländischen Schiedsverfahrens. Nur besonders schwere  Verfah-rensmängel verletzen verfahrensrechtlich den deutschen ordre public. Dass das dem auslän-dischen Schiedsspruch zugrunde liegende Verfahren –  das Schiedsgericht hat die beiderseits angebotenen Beweise über die streitigen Mängel im Zeitpunkt der Übergabe erhoben – insgesamt nicht mehr als ein geordnetes, rechtsstaatliches Verfahren angesehen werden kann (BGH NJW 1990, 2201, 2203 = RKS A 4 a Nr. 29) ist weder dargetan noch ersichtlich. Der Antragsgegner beruft sich allein auf einen Verstoß gegen den materiellen ordre public.
Dieser liegt nur vor, wenn der Inhalt der ausländischen Entscheidung den Grundwertungen der deutschen Rechtsordnung völlig zuwider läuft, dh. unabhängig davon, ob das ausländische Gesetz auf den gleichen Prinzipien wie die inländische Regelung beruht, wenn das konkrete Ergebnis einer Anerkennung und Vollstreckung des zuerkannten Anspruchs unter Berücksichtigung des Grades der Inlandsbeziehung des Sachverhalts vom Standpunkt des inländischen Rechts krass zu missbilligen ist (BGH NJW 1993, 1801, 1802).
Zwar kann einem ausländischen Schiedsspruch, der Ansprüche zuerkennt, die aus einem Vertrag resultieren, der bei Anlegung inländischer Maßstäbe gegen die guten Sitten verstößt, die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung u.U. zu versagen sein. Denn § 138 BGB ver-weist auf  der deutschen Rechtsordnung immanente rechtsethische Werte und Prinzipien, weshalb er jedenfalls im Kernbereich zum inländischen ordre public gehört (Palandt/ Ellenberger BGB 70. Aufl. Rd-Nr. 3 zu § 138). Das bedeutet jedoch nicht, dass ausländische Urteile und Schiedssprüche, die Ansprüche aus einem Vertrag zuerkennen, dem nach der Spruchpraxis deutscher Gerichte die Wirksamkeit nach § 138 Abs. 1 BGB zu versagen wäre, ausnahmslos nicht anzuerkennen und nicht für vollstreckbar zu erklären sind. Die deutsche Rechtsprechung zu § 138 Abs. 1 BGB kann nicht Messlatte für den ordre public sein.
5. Das CISG (Convention on Contracts for the International Sale of Goods), auf dessen Geltung die Parteien sich in ihrem Kaufvertrag verständigt haben, regelt nach dem für den sachlichen Geltungsbereich maßgeblichen Art. 4 S. 2b nicht die Gültigkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen. Die Inhaltskontrolle von Kaufverträgen  unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit mit den guten Sitten ist im CISG nicht vereinheitlicht (MünchKomm/Westermann BGB 4. Aufl. Rd-Nr. 8 zu Art. 4 CISG). Mithin unterliegt der Vertrag gem. Art. 28 Abs. 1 EGBGB a.F. dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Nach Art. 28 Abs. 2 EGBGB a.F. ist das i.d.R. der Staat, in dem die Partei, die die vertragscharakteristische  Leistung zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt bzw. ihre gewerbliche Niederlassung hat
6. Die Beweiswürdigung im Urteil eines ausländischen Staats- oder Schiedsgerichts kann wegen des Verbots einer révision au fond nicht im gleichen Umfang überprüft werden wie  ein deutsches Urteil durch das Berufungsgericht, das nur in den Schranken des § 529 ZPO an die Tatsachenfeststellung der ersten Instanz gebunden ist: Beachtliche Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Beweiswürdigung können hier schon dann bestehen, wenn aus Sicht des Berufungsgerichts auf Grund gewisser Anhaltspunkte eine gewisse, (nicht notwendig überwiegende) Wahrscheinlichkeit für ein anderes Beweisergebnis besteht; dass die Beweiswürdigung vertretbar erscheint, genügt nicht.
Dieser Maßstab darf bei der Überprüfung der Beweiswürdigung in Entscheidungen ausländischer Staats- oder Schiedsgerichte im Anerkennungs- oder Vollstreckbarerklärungs-verfahren nicht angelegt werden. Das Gericht, das über den Antrag nach § 1061 ZPO i.V.m. dem UNÜ entscheidet, ist kein dem ausländischen Gericht übergeordnetes Instanzgericht, und ihm ist keine entsprechende Tatsachenkontrollfunktion zugewiesen. Die Beweiswürdigung kann daher allenfalls in dem Rahmen nachgeprüft werden, in dem sie im Revisionsverfahren der Richtigkeitskontrolle unterliegt.
5.4.2013