Recht und Steuern

A 6 Nr. 52

A 6 Nr. 52  §§ 91, 1057 Abs. 1 ZPO – Kosten des Schiedsverfahrens: Schiedsrichterliches Ermessen bei der Teilung. Kostenschätzung auf Grund § 287 ZPO nicht o.w. (aufhebbare) Billigkeitsentscheidung
1. Das Schiedsgericht ist grundsätzlich nicht an § 91 ZPO gebunden, sofern die von den Parteien vereinbarte Schiedsordnung dies nicht ausdrücklich vorsieht. Es gilt § 1057 Abs. 1 S. 2 ZPO. Das Schiedsgericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – insbesondere, aber nicht nur -- des Verfahrensausgangs zu entscheiden, in welchem Verhältnis es den Parteien die Kosten auferlegt.
Dem staatlichen Gericht ist es verwehrt, bei einer vom Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen abweichenden Kostenverteilung sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Schiedsgerichts zu setzen. Es gilt das Verbot der révision au fond. Der Prüfungsumfang ist daher beschränkt auf die Vereinbarkeit mit dem ordre public und – bei Rüge – auf verfahrensfehlerfreies Zustandekommen.
 2. Eine Schiedsabrede ermächtigt das Schiedsgericht nur zu einer Rechtsentscheidung. Eine Billigkeitsentscheidung zeichnet sich dadurch aus, dass das Schiedsgericht gänzlich davon Abstand nimmt, Erwägungen zum positiven Recht anzustellen. Sie bedarf einer besonderen Ermächtigung durch die Parteien. Jedenfalls bei bewusstem und willkürlichem Überschreiten der Ermächtigungsgrundlage wäre der Schiedsspruch aufhebbar.
Eine Kostenschätzung auf Grund § 287 ZPO ist bei unvollständigen Unterlagen, aber Unzumutbarkeit der Beschaffung weiterer Nachweise nicht ohne weiteres eine Billigkeitsentscheidung. Sie ist zulässig, solange die Vorgehensweise des Schiedsgerichts der vereinbarten Verfahrensordnung entspricht.
OLG München Beschl.v. 14.3.2011 – 34 SchH 08/10; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2011, 159, 166 = RKS A 6 Nr. 52
Aus den Gründen:
1. Für den Inhalt der Kostenentscheidung gilt auch das Verbot der révision au fond. Der Prüfungsumfang ist daher beschränkt auf die Vereinbarkeit mit dem ordre public (Senat 25.9.2006 – 34 Sch 12/06 = OLG-Report 2006, 906 ) und – bei Rüge – auf verfahrensfehlerfreies Zustandekommen. Dem staatlichen Gericht ist es versagt, bei einer vom Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen abweichenden Kostenverteilung sein eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen des Schiedsgerichts zu setzen (Lachmann Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis 3.Aufl. Rn. 917). Das Schiedsgericht ist grundsätzlich nicht an die Vorschrift des § 91 ZPO gebunden, es gilt § 1057 Abs. 1 S. 2 ZPO. Die Schiedsordnung, der sich die Parteien unterworfen haben, enthält darüber hinaus keine Vorschriften (vgl. Art. 31 Abs. 3 ICC-SGO). Das Schiedsgericht hat somit nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls, insbesondere, aber nicht nur, des Verfahrensausganges zu entscheiden.
Das Schiedsgericht hat sein Ermessen ausgeübt und die Gründe, die der Kostenentscheidung und der Festsetzung der zu erstattenden Kosten zu Grunde liegen, dargestellt. Es hat berücksichtigt, dass beide Parteien obsiegt haben und unterlegen sind. Eine exakt dem entsprechende Quotierung ist nicht geboten. Das Schiedsgericht hat jedenfalls berücksichtigt, dass die Antragsgegnerin als Schiedsklägerin im Ergebnis weniger erfolgreich war als die Schiedsbeklagte. Auch wenn dies nicht ausdrücklich ausgesprochen wird, lässt sich dies damit begründen, dass die Schiedsklägerin (Antragsgegnerin) im Wesentlichen mit Feststellungsanträgen erfolgreich war, die üblicherweise niedriger bewertet werden als Zahlungsansprüche. Das Schiedsgericht ist auch auf die deutlich höheren Kosten, die die Schiedsbekl. geltend gemacht hat, eingegangen, hat sie aber nicht für unvernünftig hoch oder exzessiv angesehen. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass die italienische Schiedsbekl. den Rechtsstreit im Ausland führen musste und in Deutschland Anwälte beauftragte, ist die Kostenentscheidung aus Gründen des ordre public nicht zu beanstanden.
Auch sonstige Verstöße gegen das von den Parteien vereinbarte Verfahren (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d ZPO) liegen nicht vor.
2. Eine Billigkeitsentscheidung ohne Ermächtigung durch die Parteien (§ 1051 Abs. 3 ZPO) – anstatt der gebotenen Rechtsentscheidung – würde jedenfalls bei bewusstem und willkürlichem Überschreiten der Ermächtigungsgrundlage den Schiedsspruch aufhebbar machen (Senat vom 22.6.2005 – 34 Sch 10/05 = SchiedsVZ 2005, 308 = RKS A 3 Nr. 26; vgl. Zöller/Geimer § 1051 Rn. 7 m.w.N.). Indes liegt eine derartige Entscheidung nicht vor.
Das Schiedsgericht hat unter Bezugnahme auf § 287 ZPO Schätzungen vorgenommen. Es hielt die Unterlagen der Schiedsbeklagten für unvollständig, erachtete es aber gleichzeitig für unzumutbar, weitere Nachweise beizubringen (wird ausgeführt). Dahingestellt bleiben kann, ob sich die Schätzungen noch im Rahmen von § 287 ZPO gehalten haben. Die Parteien haben die Anwendung der ICC-Schiedsgerichtsordnung vereinbart. Nach deren Art. 20 Abs. 1 hat das Schiedsgericht den Sachverhalt in möglichst kurzer Zeit mit allen angemessenen Mitteln festzustellen. In diesem Rahmen hält sich die Sachverhaltsermittlung des Schiedsgerichts. Dass das Schiedsgericht eine Norm der deutschen ZPO herangezogen hat, ist unschädlich, solange die Vorgehensweise der maßgeblichen Verfahrensordnung entspricht. Im Übrigen ist  auch ein staatliches Gericht bei Anwendung der ZPO nicht in jedem Falle gehindert, seine Überzeugung auf eine mit Urkunden unterstützte, wenn auch nicht ausreichend belegte Parteibehauptung zu stützen, wenn es nach dem Gesamtergebnis keine Zweifel an der Wahrheit hat (BGHZ 82, 13, 20; Zöller/Greger § 286, Rn. 14 m.w.N.). Das Schiedsgericht hat die vorgelegten Urkunden für unzulänglich, aber grundsätzlich aussagekräftig gehalten, sich mit den Einwendungen auseinander gesetzt und erkennbar an der Lebenserfahrung orientiert; das genügt (wird ausgeführt).