Recht und Steuern

A2 Nr. 37

A 2 Nr. 37
§ 1037 ZPO, §§ 48, 63 GKG - „Beirat“ einer GmbH als Schiedsgericht. Vorverfahren für die Schiedsrichterablehnung
1. Mangels abweichender Parteivereinbarung gem. § 1037 Abs. 1 ZPO kann ohne eine Entscheidung des Schiedsgerichts gem. Abs. 2 über die Ablehnung eines seiner Mitglieder eine Sachentscheidung des staatlichen Gerichts gem. Abs. 3 über ein solches Ablehnungsgesuch nicht ergehen. Ein solches Gesuch ist als unzulässig zurückzuweisen.
2. Der Streitwert im Schiedsrichterablehnungsverfahren vor dem staatlichen Gericht entspricht regelmäßig dem Wert der Hauptsache.
OLG München, Beschluss vom 28.6.2006 - 34 SchH 002/06; RKS A 2 Nr. 37
Aus dem Sachverhalt:
Die Beteiligten gründeten am 13.10.2000 die „L. & W. GmbH“ mit Sitz in S. (Bayern). Im Gesellschaftsvertrag sind in § 16 die Einrichtung eines Beirats, dessen Zusammensetzung, Aufgaben und Rechte vereinbart, insbesondere lautet Ziffer 1a:
a) Bei fehlender Mehrheit zu Gesellschafterbeschlüssen und allen Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern und diesen untereinander oder auf Verlangen eines Gesellschafters tritt der Beirat entscheidend in Funktion und entscheidet endgültig (…) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges als Schiedsgericht. Auf das schiedsrichterliche Verfahren sind die §§ 1025 ff. ZPO anwendbar.
Mit Vertrag vom 1./11.10. 2004 veräußerte die Antragstellerin der Antragsgegnerin ihre Anteile an der „L. & W. GmbH“. Im Vertrag vom 1./11.10.2004 ist unter Punkt III. Nr. 1 u.a. geregelt:
„Der vereinbarte Kaufpreis beträgt …. zuzüglich eines Geldbetrages, der dem Schuldenstand der zum 30.9.2004 bestehenden Gesellschafterdarlehen, die der Veräußerer der Gesellschaft gewährt hat, entspricht, abzüglich eines Geldbetrages, der dem Schuldsaldo auf dem Gesellschafterverrechnungskonto des Veräußerers zum 30.9.2004 entspricht. Die genaue Höhe des Schuldenstandes des Gesellschafterdarlehens und des genauen Schuldsaldos auf dem Gesellschafterverrechnungskonto wird verbindlich durch den Beirat der Gesellschaft festgestellt und den Vertragsteilen mitgeteilt.“
In der Folgezeit trat der Beirat der GmbH mehrfach zusammen, um über die Höhe des restlichen Kaufpreises zu beraten.
Aufgrund seines Vorgehens in der Sitzung vom 24.11.2005 sowie aufgrund weiterer Verhaltensweisen forderte die Antragstellerin den Vorsitzenden R. mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 19.12.2005 zum Rücktritt (Selbstablehnung) auf und stellte zugleich einen Ablehnungsantrag. Eine Selbstablehnung durch den Beiratsvorsitzenden erfolgte nicht. Auch eine Entscheidung des Beirats über das Ablehnungsgesuch erging nicht. Mit Schriftsatz vom 4.1.2006 hat die Antragstellerin beantragt, Richter R. als Schiedsgerichtsvorsitzenden wegen begründeter Zweifel an seiner Unparteilichkeit und Unabhängigkeit abzulehnen. Der Antragsgegner hat beantragt, das Gesuch als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Aus den Gründen:
1. Der Antrag ist als Gesuch gemäß § 1037 Abs. 3 ZPO zu bewerten. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München für solche Entscheidungen ergibt sich aus § 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz (GZVJu vom 4.11.2004, GVBl S. 471).
Das Ablehnungsgesuch an das staatliche Gericht ist unzulässig. Dabei kann hier dahinstehen, ob der Beirat ein wirksam eingesetztes Schiedsgericht im Sinne des 10. Buches der ZPO (§§ 1025 ff.ZPO) ist und hier in seiner Funktion als Schiedsgericht handelte. Denn jedenfalls fehlt es an der Durchführung des vorgeschalteten Verfahrens gemäß § 1037 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
a) Die Parteien haben das Ablehnungsverfahren vertraglich nicht selbständig geregelt. Im Vertrag vom 1./11.10.2004 ist keinerlei Regelung hierzu enthalten. Im Gesellschaftsvertrag vom 13.10.2000 sind hinsichtlich des schiedsrichterlichen Verfahrens allgemein die §§ 1025 ff. ZPO für anwendbar erklärt worden. Infolge dessen finden mangels abweichender individueller Regelung die gesetzlichen Vorschriften Anwendung (vgl. Albers in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 64. Aufl. zu § 1037 Rn. 2, 3).
b) Eine Erstentscheidung des Beirats über die Ablehnung liegt nicht vor. Sieht man in der Vornahme weiterer Handlungen durch den Vorsitzenden dessen Entscheidung, nicht zurückzutreten, kann darin jedenfalls keine Entscheidung des dafür zuständigen Schiedsgerichts gesehen werden. Der Vorsitzende ist nicht alleiniger Schiedsrichter. Selbst wenn von einer wirksamen Schiedsgerichtsvereinbarung und einem schiedsgerichtlichen Verfahren ausgegangen wird, besteht das Schiedsgericht laut Gesellschaftsvertrag aus „dem Beirat“, somit allen drei Beiratsmitgliedern. Dies entspricht auch dem gesetzlich vorgesehenen Modell in § 1034 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung dieses Gremiums (einschließlich des abgelehnten Richters, vgl. Senat, Beschluss vom 6.2.2006, 34 SchH 010/05; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 27. Aufl. § 1037 Rn. 4) über das Ablehnungsgesuch ist nicht ergangen.
c) Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist nicht entbehrlich, insbesondere kann nicht deswegen darauf verzichtet werden, weil laut Vortrag der Antragstellerin der Vorsitzende nicht beabsichtige, über das Ablehnungsgesuch vom 7.12.2005 zu entscheiden. Das fehlerhafte Unterlassen einer Entscheidung nach § 1037 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann Auswirkungen auf den Bestand des späteren Schiedsspruchs haben (siehe § 1059 Abs. 2 Nr. 1 d ZPO). Bei Untätigkeit eines oder mehrerer Schiedsrichter kommt gegebenenfalls auch ein Verfahren nach § 1038 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Betracht, nicht aber ein Abweichen von dem für das Ablehnungsverfahren gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensgang. Im Ablehnungsverfahren ist ohne Vorentscheidung des Schiedsgerichts die Anrufung des staatlichen Gerichts nicht möglich (Schwab/Walter Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl. Kap. 14 Rn. 23). Ein solcher direkter Ablehnungsantrag ist unzulässig (vgl. Mankowski SchiedsVZ 2004, 304/305).
2. Der Streitwert für das Verfahren ist gemäß § 3 ZPO, §§ 48, 63 GKG zu schätzen. Die Hauptsache, somit der wirtschaftliche Wert der Sachentscheidung, liegt in der Differenz zwischen dem Restkaufpreis laut Vorstellung der Antragstellerin (zu erhaltende 270.000 Euro) und der „Entscheidung des Beirats“ (zu bezahlende 350.000 Euro), somit bei 620.000 Euro. Gemäß seiner Rechtsprechung zur Schiedsrichterbestellung (vgl. Senat, Beschluss vom 26.4.2006, 34 SchH 004/06 mwN.; a.A. OLG Frankfurt OLGR 2004, 121) legt der Senat auch bei der Schiedsrichterablehnung den vollen Streitwert zugrunde. Zwar handelt es sich bei der Schiedsrichterablehnung nur um einen Teilakt des schiedsrichterlichen Verfahrens. Dem Umstand, dass der Verfahrensaufwand für das Gericht wie für die Parteien im Allgemeinen geringer ist, tragen die Gebührensätze des Kostenverzeichnisses (KV 1624) bzw. des Vergütungsverzeichnisses (VV 3327) jedoch bereits Rechnung.
Anmerkung: Das Vorschaltverfahren für die Schiedsrichterablehung vor dem Schiedsgericht gem. § 1037 Abs. 2 ZPO ist abdingbar. Die Parteien können eine Schiedsvereinbarung schließen oder sich einer Schiedsgerichtsordnung unterwerfen, die einen Ablehnungsantrag unmittelbar an das zuständige OLG erlaubt (OLG Hamburg 12.7.2005 RKS A 2 Nr. 36).