Recht und Steuern

A2 Nr. 36

A 2 Nr. 36
§§ 1036, 1037 ZPO, § 121 BGB, § 6 GMAA-Schiedsordnung - Abdingbarkeit des Vorschaltverfahrens zur Schiedsrichterablehnung, „unverzügliche“ Ablehnung, Präklusion, Ablehnung eines Schiedsrichters wegen früherer anwaltlicher Beratung einer Partei
1. Über die Ablehnung eines Schiedsrichters entscheidet gem. § 1037 Abs. 2 ZPO zunächst das Schiedsgericht, bei Erfolglosigkeit dieses Verfahrens gem. Abs. 3 das ordentliche Gericht.
2. Das Vorschaltverfahren gem. Abs. 2 ist abdingbar. Die Parteien können eine Schiedsvereinbarung treffen oder eine Schiedsgerichtsordnung vereinbaren, gemäß derer über eine Ablehnung unmittelbar das für den Sitz des Schiedsgerichts zuständige Oberlandesgericht entscheidet.
3. Sieht die Schiedsvereinbarung der Parteien oder die von ihnen vereinbarte Schiedsgerichtsordnung vor, daß die Ablehnung „unverzüglich“ nach Kenntnis des Ablehnungsgrundes erklärt werden muß, so entspricht dieser Zeitmaßstab dem des § 121 BGB; im Ergebnis bedeutet dies etwa zwei Wochen ab Kenntniserlangung.
Der Einwand der Präklusion ist allenfalls ausgeschlossen, wenn Umstände vorliegen, die die Neutralität des Schiedsgerichts so schwerwiegend in Frage stellen, daß das unverzichtbare Gebot der Überparteilichkeit der Rechtspflege verletzt ist. Ablehnungsanträge nach Ablauf einer wirksam vereinbarten Frist werden als unzulässig zurückgewiesen.
4. Die frühere anwaltliche Beratung einer Partei durch einen Schiedsrichter oder seine Sozien begründet keine Offenlegungspflicht und keine Ablehnung, wenn die Beratung endgültig beendet ist, kein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Gegenstand des Schiedsverfahrens besteht und mit nachwirkenden Bindungen nicht zu rechnen ist.
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg Beschl.v. 12.7.2005 - 9SchH 1/05; Zeitschrift für Schiedsverfahrensrecht 2006, 55 = Hamburger Seerechts-Report 2006, 27 = RKS A 2 Nr. 36
Aus den Gründen:
Der Antrag auf Schiedsrichterablehnung ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.
1. Gemäß § 6 Abs. 3 der vereinbarten Schiedsgerichtsordnung der German Maritime Arbitration Association (GMAA) entscheidet über die Ablehnung das für den Sitz des Schiedsgerichts zuständige Oberlandesgericht, es sei denn, die andere Partei erklärt sich binnen zwei Wochen nach Kenntnis von der Ablehnung mit derselben einverstanden, oder der abgelehnte Schiedsrichter legt sein Amt binnen derselben Frist nieder. Da diese Ausnahmevoraussetzungen nicht eingetreten sind, ist das OLG Hamburg zuständig.
2. Der Antrag ist nicht deshalb unzulässig, weil in § 6 Abs. 3 GMAA kein sog. Vorschaltverfahren vorgesehen ist. Da § 1037 Abs. 2 ZPO insgesamt nicht in § 1037 Abs. 1 ZPO abdingbar gestellt wird, können die Parteien das Vorschaltverfahren ersatzlos abbedingen (vgl. Musielak/Voit ZPO 4. Aufl. 2005 § 1037 Rd-Nr. 2; Mankowski SchiedsVZ 2004, 304, 305; im Erg. ebenso HOLG TranspR 2003, 206, 207). Die von der Gegenmeinung gegebene Begründung, aus § 1037 Abs. 3 S. 1 ZPO (arg. ex 1. Halbs. und 2. Halbs. e contr.) folge, daß ein völliger Verzicht auf die Vorschaltstufe, auf daß das Schiedsgericht direkt entscheide, nicht zu vereinbaren sei (MüKo/Münch ZPO Bd. 3, 2. Aufl. 2001 § 1037 Rd-Nr. 3), überzeugt den Senat insoweit nicht.
3. Die Schiedskl. führt aus, Zweifel an der Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des Schiedsrichters Dr. T. seien begründet durch seine berufliche und wirtschaftliche Verquickung mit der Schiedsbekl. und dadurch, daß er seiner Pflicht zur Offenbarung von Umständen, die Zweifel an seiner Unbefangenheit erwecken könnten, nicht nachgekommen sei.
Soweit sich die Schiedskl. auf die vom Schiedsrichter T. unter dem 1.2.2005 ihr gegenüber abgegebene Erklärung bezieht, mit der dieser auf das von ihr im Schriftsatz vom 16.1.2005 geforderte Auskunftverlangen reagierte, ist der Ablehnungsantrag unzulässig. Die Schiedskl. ist insoweit präkludiert.... Nach § 6 Abs. 2 GMAA ist die Ablehnung unverzüglich nach Kenntnis des Ablehnungsgrundes gegenüber dem Schiedsgericht und der anderen Partei zu erklären und zu begründen. Der Maßstab für Unverzüglichkeit entspricht jenem in § 121 BGB; im Ergebnis bedeutet daher Unverzüglichkeit Geltendmachung binnen etwa zwei Wochen ab Kenntniserlangung (Mankowski a.a.O. S. 312 m.w.Nachw.) Diese Frist war verstrichen, als die Schiedskl. mit Schriftsatz vom 6.4.2005 die Ablehnung gegen T. aussprach. Es ist nicht ersichtlich, daß die Schiedskl. nicht gleich nach Erhalt des Schreibens des Schiedsrichters hat erkennen können, daß die von ihr im Schreiben vom 16.1.2005 formulierte Frage nicht umfassend beantwortet war.
§ 6 Abs. 2 GMAA ist zu beachten, auch ohne daß sich die Schiedsbekl. hierauf berufen muß. Der Einwand der Präklusion ist daher weder treuwidrig noch seinerseits verspätet. Er ist auch nicht ausgeschlossen, weil Umstände vorliegen, die in einer so schweren Weise die Neutralität des Schiedsgerichts in Frage stellen, daß das (unverzichtbare) Gebot der Überparteilichkeit der Rechtspflege verletzt ist (Musielak/Voit a.a.O. § 1036 Rd-Nr. 10). Hiervon kann keineswegs ausgegangen werden. Der Auskunft des Schiedsrichters T. kann lediglich nicht ganz zweifelsfrei entnommen werden, ob es auch Beratungstätigkeiten der übrigen Sozien ohne seine Mitwirkung, und in der Zeit bis 30.6.2000 weitere Beratungstätigkeiten für andere Unternehmen der ...-Gruppe als der Schiedsbekl. gegeben hat. Für die Zeit ab 30.6.2000 wird insoweit aber ausdrücklich ausgeführt, daß anwaltliche Leistungen für ...-Unternehmen von den Sozietäten, denen T. angehörte, nicht erbracht worden sind.
Ablehnungsanträge nach Ablauf einer wirksam vereinbarten Frist werden als unzulässig zurückgewiesen (Mankowski a.a.O.; Kröll ZZP 116 [2003]195, 211 m.w.N.).
4) Die Schiedskl. kann sich mit Erfolg auch nicht darauf berufen, daß der Schiedsrichter T. durch ein späteres Verhalten, das nicht durch Präklusion ausgeschlossen sei, Anlaß gegeben habe, an seiner Unvoreingenommenheit ihr gegenüber zu zweifeln. ... Soweit T. ausführt, er habe geprüft, ob Umstände offen zu legen seien, die seine Ablehnung rechtfertigen könnten; da sich die anwaltliche Tätigkeit seiner früheren Sozietäten aber auf die punktuelle Beratung einzelner Angelegenheiten beschränkt habe und überdies seit Jahren abgeschlossen gewesen sei, habe eine Offenbarungspflicht nicht bestanden, ist dies nicht zu beanstanden. Ist die anwaltliche Tätigkeit endgültig beendet, ist ein Ablehnungsgrund nicht gegeben, da mit nachwirkenden Bindungen nicht zu rechnen ist (Mankowski a.a.O. 310). Es kommt hinzu, daß, wie der Schiedsrichter T. ausdrücklich betont, in der Vergangenheit eine ständige Rechtsberatung der Schiedsbekl. durch eine seiner früheren Sozietäten nicht stattgefunden hat und ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der früheren Beratungstätigkeit und dem Gegenstand des Schiedsgerichtsverfahrens nicht besteht. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß diese Angaben nicht richtig sind und in Wirklichkeit weiterreichende Verbindungen bestanden haben bzw. bestehen, sind nicht ersichtlich und auch von der Schiedskl. nicht substanziiert vorgetragen worden.