Recht und Steuern

A 2 Nr. 70

A 2 Nr. 70 - § 1059 ZPO, § 40 DRiG, § 134 BGB - Fehlerhafte Bildung des Schiedsgerichts wegen fehlender Nebentätigkeitsgenehmigung des als Schiedsrichter tätigen Berufsrichters. Gebot überparteilicher Rechtspflege.
Ein Schiedsspruch kann nicht allein deshalb wegen fehlerhafter Bildung des Schiedsgerichts nach § 1059 Nr. 1 lit. d ZPO aufgehoben werden, weil das Schiedsgericht mit einem Berufsrichter besetzt war, der über keine Genehmigung seiner Nebentätigkeit als Schiedsrichter nach § 40 Abs. 1 S. 1 DRiG verfügte oder dem seine Nebentätigkeit als Schiedsrichter nicht genehmigt werden durfte, weil er nur von einer Partei des Schiedsvertrags beauftragt war. (amtlicher Leitsatz)
BGH, Beschl. v. 10.03.2016 - I ZB 99/14 = RKS A 2 Nr. 70
Aus den Gründen:
[...] 2. Die Rechtsbeschwerde macht vergeblich geltend, der Schiedsspruch sei gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO aufzuheben, weil er von einem nicht ordnungsgemäß konstituierten Schiedsgericht erlassen worden sei.
a) Ein Schiedsspruch kann nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 lit. d ZPO aufgehoben werden, wenn die Bildung des Schiedsgerichts einer Bestimmung des 10. Buches der Zivilprozessordnung (§§ 1025 bis 1066 ZPO) oder einer zulässigen Vereinbarung der Parteien nicht entsprochen hat und anzunehmen ist, dass sich dies auf den Schiedspruch ausgewirkt hat.
b) Die Antragsgegnerin hat geltend gemacht, der Schiedsspruch sei von einem nicht ordnungsgemäß konstituierten Schiedsgericht erlassen worden. Das Schiedsgericht sei mit drei Schiedsrichtern besetzt gewesen. Zu diesen Richtern habe der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht W. gehört. Dieser habe nicht über die erforderliche Genehmigung seinen Nebentätigkeit als Schiedsrichter verfügt. Eine solche Genehmigung hätte ihm auch nicht erteilt werden dürfen, weil er allein von der Antragstellerin und nicht gemeinsam von den Parteien des Schiedsvertrags beauftragt worden sei.
c) Damit dringt die Antragsgegnerin nicht durch. Selbst wenn der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht W. - entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts - über keine Genehmigung seiner Nebentätigkeit als Schiedsrichter verfügt hat oder die Parteien des Schiedsverfahrens ihn nicht gemeinsam beauftragt haben, führt das nicht dazu, dass seine Bestellung zum Schiedsrichter den Bestimmungen des 10. Buches der Zivilprozessordnung oder einer zulässigen Vereinbarung der Parteien über die Bildung des Schiedsgerichts nicht entsprochen hat.
[...] bb) Die von den Parteien getroffene Vereinbarung enthält hinsichtlich der Person des von jeder der Parteien zu bestellenden Schiedsrichters keine Einschränkungen. Insbesondere lässt sie die einseitige Bestellung eines Berufsrichters als Schiedsrichter zu. Die Vereinbarung ist insoweit nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig. Die einseitige Bestellung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht W. zum Schiedsrichter durch die Antragstellerin entspricht daher einer im Sinne von § 1059 Abs. 2 lit. d ZPO zulässigen Vereinbarung der Parteien.
(1) Die Vereinbarung, dass jede der Parteien für das Verfahren - jeweils einseitig - einen Schiedsrichter bestellt, verstößt nicht gegen das auch für Schiedsgerichte geltende Gebot überparteilicher Rechtspflege und ist daher nicht nach § 134 BGB nichtig. Da ein Schiedsgericht Rechtsprechung ausübt, muss allerdings gewährleistet sein, dass es unabhängig und unparteilich ist. Durch die einseitige Schiedsrichterbestellung wird eine persönliche Beziehung zwischen dem Schiedsrichter und der ihn ernennenden Partei geschaffen, die die Überparteilichkeit des zu bildenden Schiedsgerichts durchaus ernstlich in Frage stellen kann. Besteht jedoch - wie hier - ein entsprechendes Gegengewicht in Form eines von der anderen Partei oder einem Dritten oder von einem staatlichen Gericht ernannten Schiedsrichters, kann sich die lediglich auf seine unmittelbare Wahl durch eine Partei zurückzuführende Beziehung des Schiedsrichters zu dieser Partei nicht in einem Maße auswirken, dass der Eindruck entstehen könnte, dem ganzen Schiedsgericht - auf das es allein ankommt - fehle die notwendige Überparteilichkeit (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1968 - VII ZR 83/66, BGHZ 51, 255, 258 ff.; Urteil vom 5. November 1970 - VII ZR 31/69, BGHZ 54, 392, 394 ff.).
(2) Die Vereinbarung der Parteien ist, soweit sie die einseitige Bestellung eines Berufsrichters als Schiedsrichter gestattet, nicht wegen Verstoßes gegen § 40 Abs. 1 S. 1 DRiG nach § 134 BGB nichtig. [...]
Die Bestimmung des § 134 BGB ordnet für ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nicht ausnahmslos die Nichtigkeit an. Sie macht diese Rechtsfolge vielmehr davon abhängig, dass sich aus dem Gesetz nichts anderes ergibt. § 134 BGB kann daher nicht ohne Rückgriff auf das verletzte Verbot angewendet werden. Ordnet das Verbot selbst eine Rechtsfolge an, so ist diese maßgeblich. Fehlt es - wie im Falle des § 40 Abs. 1 DRiG - an einer verbotseigenen Rechtsfolgeregelung, sind Sinn und Zweck des verletzten Verbotes entscheidend. Dies erfordert eine normbezogene Abwägung, ob es mit Sinn und Zweck des Verbots vereinbar oder unvereinbar ist, die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung hinzunehmen oder bestehen zu lassen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. Oktober 2003 - V ZR 429/02, NJW 2003, 3692 f. mwN; Urteil vom 25. September 2014 - IX ZR 25/14, NJW 2014, 3568 Rn. 14). Entsprechendes gilt für die Beurteilung des Zulässigkeit einer Vereinbarung der Parteien im Sinne von § 1059 Abs. 2 lit. d ZPO. [...]
Das Verbot des § 40 Abs. 1 Satz 1 DRiG dient dagegen nicht dem Schutz der Parteien des Schiedsverfahrens. Die Bestimmung zielt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht darauf ab, im Schiedsverfahren das Rechtsgut der überparteilichen Rechtspflege zu schützen. Dieser Schutz ist in einem schiedsrichterlichen Verfahren mit drei Schiedsrichtern bereits dadurch gewährleistet, dass - wie im Streitfall von den Parteien vereinbart und für den Fall des Fehlens einer Vereinbarung der Parteien in § 1035 Abs. 3 Satz 2 ZPO vorgesehen - jede Partei einen Schiedsrichter bestellt und diese beiden Schiedsrichter den dritten Schiedsrichter bestellen, der als Vorsitzender des Schiedsgerichts tätig wird. [...]
12.7.2016