Recht und Steuern

F 4 Nr. 2

F 4 Nr. 2
§§ 546a, 254, 288 Abs. 2 BGB - Vermietung von Gewerberäumen, Nutzungsentschädigung, verspätete Rückgabe der Mietsache, Verzicht auf Entfernung von Einbauten. Keine Vermieterpflicht zur Schadensminderung durch Anschlussvermietung?
1. Für die Frage, wann der Mieter dem Vermieter im Rahmen der Rückgabe der Mietsache den unmittelbaren Besitz wieder einräumt ist, nicht entscheidend, wann und ob sämtliche Schlüssel an den Vermieter übergeben worden sind. Die Übergabe nur eines Schlüssels kann für die Besitzverschaffung genügen.
2. Entscheidend ist vielmehr die vollständige Räumung des Mietobjekts durch den Mieter. Diese erfordert insbesondere auch den Rückbau der vom Mieter in die Mietsache eingebrachten Einbauten und Einrichtungen.
3. Teilt der Vermieter dem Mieter schriftlich mit, dass das Wegnahmerecht des Mieters verjährt sei und er die eingebrachten Gegenstände nunmehr für sich beanspruche, verzichtet er schlüssig auf die Entfernung der Einbauten. Spätestens mit Zugang des Schreibens endet die Nutzungsersatzansprüche auslösende Vorenthaltung der Mietsache.
4. Der Vermieter ist nach § 546a BGB berechtigt, mindestens den vereinbarten Mietzins zu fordern. Auch die übrigen vertraglichen Vereinbarungen in Bezug auf den Mietzins z.B. Staffelmiete, Betriebskostenvorschuss, ggf. Umsatzsteuer wirken in dem Anspruch aus § 546a BGB fort.
5. Für eine Minderung seines Anspruchs durch einen Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht etwa unterlassene Bemühungen um Anschlussvermietung besteht kein Raum. § 546a Abs. 1 BGB enthält einen vertragsähnlichen Anspruch eigener Art, auf den § 254 BGB keine Anwendung findet.
Schiedsgericht gemäß Sondervereinbarung
Hamburger Schiedsspruch vom 23.8.2007; RKS F 4 Nr. 2
Aus dem Sachverhalt:
Die Schiedsklägerin nimmt die Schiedsbeklagte wegen verspäteter Rückgabe einer Mietsache auf Nutzungsentschädigung in Anspruch. Die Schiedsparteien schlossen am 15. Juli 2003 einen als "Mietvertrag für Kontore, gewerbliche Räume und Grundstücke" bezeichneten Vertrag über in Hamburg belegene Räumlichkeiten zwecks Nutzung als Frisurenfotostudio, Verwaltungsbüro und untergeordnet auch zwecks Wohnung.
Der Mietvertrag sah in § 4 einen anfänglichen Mietzins von netto 975 Euro = Gesamtbrutto 1.281,40 Euro vor. Nach § 6 Ziffer 1 des Mietvertrages war der Mietzins jeweils am 1. Werktag eines Monats im Voraus fällig. Der Mietzins war nach § 23 Zi. 2 des Vertrages in einen gewerblichen Teil - 700 Euro netto - und einen nichtgewerblichen Teil - 275 Euro netto - aufgeteilt. Weiter war ein Nebenkostenvorschuss von 180 Euro netto monatlich zu leisten, der je zur Hälfte auf beide Teile anfiel. Für den gewerblichen Teil war Mehrwertsteuer geschuldet. Überdies enthielt der Vertrag in § 7 eine Staffelmietvereinbarung, die eine Mieterhöhung von 22 % jährlich, jeweils zum 1.8. eines Jahres, vorsah.
Ebenfalls am 15. Juli 2003 unterzeichneten die Parteien eine als Schiedsvertrag bezeichnete Vereinbarung.

Nach Meinungsverschiedenheiten kündigte die Schiedsbeklagte am 23. Januar 2004 das Mietverhältnis vorzeitig zum 31. Dezember 2004.
Eine förmliche Übergabe der Wohnung vor Ort führten die Parteien nicht durch. Vielmehr zog die Schiedsbeklagte im Februar 2004 aus und übergab am 1. Juni 2004 an den Schiedskläger einen Satz Schlüssel sowie ein Schreiben mit folgendem Inhalt:
„Wie vereinbart bekommen Sie von mir einen Satz Schlüssel um das Mietobjekt zu besichtigen und weiter zu vermieten. In der Wohnung befinden sich noch meine Ahorneinbauküche mit kompletten E-Geräten, die Baddekoration (maßgefertigte Spiegel samt Leuchten in beiden Bädern), ein Glaswaschtisch und ein Miele-Waschtrockner.”
Die noch in der Wohnung befindlichen Gegenstände wurden an diesem Tag bis auf die Einbauküche abtransportiert.
Am 22. September 2004 richtete die Schiedsbeklagte an den Schiedskläger ein Schreiben mit folgendem Inhalt:
„Die rechtliche Einschätzung des Vermieters, das Objekt sei „urkundlich belegt” nicht geräumt, ist unsinnig. Wenn das Objekt bislang nicht weitervermietet ist, so ist dies Sache des Vermieters und kann nicht zu Lasten der Mieterin gehen. Zu berücksichtigten ist allerdings, dass diese in die Räumlichkeiten eine neue Küche festeingebaut hat.”
Mit Schreiben vom 15. November 2005, zugegangen im Rahmen des normalen Postlaufs spätestens zwei Tage später, forderte der Schiedskläger die Schiedsbeklagte dazu auf, die fehlenden Schlüssel an ihn herauszugeben, um so eine weitere Mietzahlungspflicht zu beenden. Mit diesem Schreiben wies er die Schiedsbeklagte zudem darauf hin, dass ihr Wegnahmerecht erloschen sei:
„Abschließend möchten wir Sie höflich darauf hinweisen, dass sämtliche von Ihnen vorgenommenen Einbauten zwischenzeitlich unser Eigentum geworden sind. Da das Mietverhältnis am 31. 12. 2004 endete, sind Ihre diesbezüglichen Wegnahmeansprüche mit Ablauf des 30. 06. 2005 verjährt.”
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 teilte die Schiedsbeklagte dem Schiedskläger mit, dass sie keine Schlüssel mehr besitze.
Der Präses der Handelskammer Hamburg benannte am 14. Dezember 2006 Herrn Dr. B. auf Antrag des Schiedsklägers als Einzelschiedsrichter.
Der Schiedskläger macht mit seiner am 5. März 2007 beim Schiedsgericht eingereichten Schiedsklage Nutzungsentschädigung in Höhe des vertraglich vereinbarten Mietzinses für die Monate Januar 2005 bis Januar 2006 zuzüglich Zinsen geltend. Er behauptet, dass die Schiedsbeklagte während der Zeit bis zum Januar 2006 noch im Besitz mindestens eines Satzes Schlüssel für die Räumlichkeiten gewesen sei, da sie mindestens drei Schlüsselsätze erhalten habe.
Die Schiedsbeklagte beantragt Klageabweisung. Sie meint, dass sie bei Ende des Mietverhältnisses keinen Besitz an den Räumlichkeiten mehr gehabt habe. Sie habe keine Schlüssel zurückbehalten.
Aus den Gründen:
Die Schiedsklage ist zulässig. Das Schiedsgericht ist für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Dies folgt aus der Schiedsklausel in § 23 Ziff. 4 des Mietvertrages vom 15. Juli 2003 i.V.m. dem zwischen den Parteien am gleichen Tag abgeschlossenen Schiedsvertrag. Die Schiedsklage ist überwiegend auch begründet. Der Schiedskläger hat gegen die Schiedsbeklagte aus dem Mietvertrag gem. § 546a BGB und aus Verzug gem. §§ 280 Abs. 1, 286 BGB einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung in Höhe von 11.785 Euro nebst Zinsen...Im übrigen war die Klage abzuweisen.
1. Der Anspruch aus § 546a Abs. 1 BGB ist überwiegend begründet. Zwischen den Parteien bestand ein wirksames Mietverhältnis, das zum 31. Dezember 2004 beendet wurde. Jedoch hat die Schiedsbeklagte die Mietsache bis einschließlich 17. November 2005 nicht an den Schiedskläger zurückgegeben, obgleich sie seit Beendigung des Mietverhältnisses gem. § 546 BGB zur Rückgabe verpflichtet war.
Die Rückgabe der Mietsache erfolgt grundsätzlich dadurch, dass der Mieter dem Vermieter den unmittelbaren Besitz einräumt (Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl. 2007, § 546 Rn. 4; MüKo/Schilling, BGB, 4. Aufl. 2004, § 546 Rn. 4).
Für die Frage der Besitzeinräumung war nicht entscheidend, wann und ob die Schiedsbeklagte tatsächlich sämtliche Schlüssel an den Schiedskläger übergeben hat. Die Übergabe nur eines Schlüssels genügt nämlich, wenn hiermit bei wertender Betrachtung auch die Besitzverschaffung erfolgte (OLG Brandenburg, NZM 2000, 463; OLG Saarbrücken Urt. v. 9.03.2006, AZ: 8 U 119/05, BeckRS 2006, 04380; OLG Köln, Urt. v. 27.01.2006, AZ: 1 U 6/05, BeckRS 2006, 05624).
Durch den Auszug und die Übersendung eines Satzes von Schlüsseln sowie den Schriftsatz der Schiedsbeklagten vom 22. September 2004 war der Schiedskläger darüber informiert, dass die Schiedsbeklagte jeden Besitz an der Mietsache aufgeben wollte und der Kläger im Wege einer Neuvermietung den Besitz ausüben konnte und sollte.
2. Dies war jedoch für eine Rückgabe gem. §§ 546, 546 a BGB noch nicht hinreichend, da die Übergabe einer Mietsache die vollständige Räumung durch den Mieter voraussetzt (BGHZ 86, 210; Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl. 2007, § 546 a Rn. 8 und § 546 Rn. 6). Die Räumung erfordert insbesondere auch den Rückbau der vom Mieter in die Mietsache eingebrachten Einbauten und Einrichtungen (OLG Düsseldorf, NZM 1999, S. 1142; LG Köln NJW-RR 1996, 1480; Schmidt/Futterer/Gather, Mietrecht, 9. Aufl. 2007, § 546 Rn. 49).
3. Ein Rückbau kann nur dann unterbleiben, wenn der Vermieter auf die Entfernung verzichtet hat, was auch konkludent geschehen kann (LG Mosbach, Wohnungswirtschaft und Mietrecht 1996, 618; Schmidt/Futterer/Gather, Mietrecht, 9. Aufl. 2007, § 546 Rn. 50; Fritz, Gewerberaummietrecht, 4. Aufl. 2005, Rn. 431 d; Gramlich, Mietrecht, 8. Aufl. 2001, § 546 I.). Mit dem Schreiben vom 15. November 2005 hat der Schiedskläger deutlich gemacht, dass er die in die Mietsache eingebrachten Gegenstände für sich beansprucht. Damit hat er schlüssig auf die Entfernung dieser Einbauten verzichtet.
Da die Vorenthaltung der Mietsache mithin am 17. November 2005 mit Zugang des Schreibens vom 15. November 2007 endete, kann der Schiedskläger über diesen Tag hinaus keinen Nutzungsersatz fordern (BGH, NZM 2006, 52; Palandt/Weidenkaff, 66. Aufl. 2007, § 546 a Rn. 11). Entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht (OLG Düsseldorf, NJOZ 2002, 2655) schuldet der Mieter die Nutzungsentschädigung nicht bis zum Ende des laufenden Monats. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für § 546a Abs. 1 BGB ist die tatsächliche Vorenthaltung der Mietsache, die unmittelbar mit der Rückgabe endet (BGH, NZM 2006, 52).
4. Der Nutzungsersatz steht dem Schiedskläger auch in der geltend gemachten Höhe bis zur Rückgabe zu. Der Vermieter ist nach § 546 a BGB berechtigt, mindestens den vereinbarten Mietzins zu fordern. Auch die übrigen vertraglichen Vereinbarungen in Bezug auf den Mietzins wirken in dem Anspruch aus § 546 a Abs. 1 BGB fort (Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl. 2007, § 546 a Rn. 11; MüKo/Schilling, BGB, 4. Aufl. 2004, § 546 a Rn. 7). Dies gilt auch für eine Staffelmietvereinbarung, den Betriebskostenvorschuss und etwaig zu zahlende Umsatzsteuer (BGH, NJW 1989, 2665; Blank/Börstinghaus, Miete, 2. Aufl. 2004, § 546 a Rn. 25; Schmidt/Futterer/Gather, Mietrecht, 9. Aufl. 2007, § 546 a Rn. 29).
5. Für eine Minderung des Anspruchs durch ein mögliches Mitverschulden des Schiedsklägers oder ein Verstoß gegen seine Schadensminderungspflicht, weil er keinerlei Anstalten zu einer Vermietung der Räumlichkeiten unternahm, besteht kein Raum. § 546 a Abs. 1 BGB enthält einen vertragsähnlichen Anspruch eigener Art, auf den § 254 BGB keine Anwendung findet (BGH, NZM 2003, 231; BGH NJW 1988, 2665).
6. Die Schiedsbeklagte schuldet dem Schiedskläger Verzugszinsen gem. §§ 280 Abs. 1, 286 BGB. Die Schiedsbeklagte kam jeweils am 2. Werktag eines Monats in Verzug, da sie ihre nach dem Mietvertrag am ersten Werktag fällige Zahlungspflicht nicht erfüllte. Eine Mahnung war nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich, da die Leistungszeit nach dem Kalender bestimmbar war. Der Verzugszins beträgt gem. § 288 Abs. 2 BGB 8 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, denn an dem Vertrag war ein Verbraucher nicht beteiligt. Beide Parteien sind als Gewerbevertreibende, die ein gewerbliches Mietverhältnis begründen, Unternehmer i.S.d. § 14 BGB. Überdies handelt es sich bei der Forderung aus § 546 a BGB um ein Entgeltforderung i.S.d. § 288 Abs. 2 BGB (vgl. OLG Rostock, BeckRS 2005, 09616). Abweichend vom Antrag des Schiedsklägers schuldet die Schiedsbeklagte Verzugszinsen für den Monat Januar 2005 allerdings erst ab dem 3. Januar 2005, denn Neujahr ist ein gesetzlicher Feiertag, für den Mai 2005 erst ab dem 3. Mai 2005, denn der 1. Mai ist ein gesetzlicher Feiertag und für den Oktober 2005 erst ab dem 4. Oktober 2005, denn der 3. Oktober ist gesetzlicher Feiertag und der 2. Oktober 2005 war ein Sonntag. Nach § 6 Nr. 1 des Mietvertrages war der Mietzins jeweils am 1. Werktag eines Monats im Voraus fällig. Soweit vertragliche Fristen auf Werktage abstellen, rechnet der Sonnabend im Zweifel mit (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 193, Rn. 4).