Eine technologieoffene Debatte angestoßen

Dessau-Roßlau, 6. Februar 2023. Wie Klimaschutz und Energiewende organisiert werden können, ohne dass die Versorgungssicherheit von Wirtschaft und Verbrauchern leidet, darum ging es bei diesjährigen Neujahrsempfang der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK). Der Einladung der IHK ins Anhaltische Theater in Dessau-Roßlau waren rund 500 Gäste aus Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Gesellschaft gefolgt, darunter Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und Bundesumweltministerin Steffi Lemke. Sie erlebten eine lebhafte Diskussion um die Zukunft Wirtschaftsstandorts im Süden des Landes, der durch eine besonders energieintensive Industrie gekennzeichnet ist.
IHK-Präsident Prof. Dr. Steffen Keitel fasste die Antwort der Expertenrunde in einem Wort zusammen: „technologieoffen“. Mitteldeutschland werde eine nachhaltige Energieversorgung, die zugleich verlässlich, klima- und umweltverträglich sowie bezahlbar sei, nur erreichen können, wenn alle technischen Möglichkeiten unvoreingenommen geprüft und einzelne Energieträger nicht vorschnell ausgeschlossen würden. 

„Erneuerbare“ ausbauen? Kein Spaziergang!

Bei der von IHK-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Thomas Brockmeier moderierten Podiumsdiskussion zeigte sich: Die „Erneuerbaren“ schnell auszubauen, ist Konsens. Aber die Pläne für Solarenergie und Windkraft seien durchaus ambitioniert, erklärte etwa Prof. Dr. Dirk Messner, der Präsident des Umweltbundesamts: „Das wird kein Spaziergang!“ Der Behördenchef zeigte sich allerdings optimistisch, weil sich die Kostenstrukturen für Investoren in diesem Sektor stark verbessert hätten.
Gerade wenn der Ausbau der Erneuerbaren stockt, bleibt das Problem der „Dunkelflaute“: Woher kommt genug Strom, wenn weder der Wind weht noch die Sonne scheint? Geeignete Speicher stehen nicht zur Verfügung, und auch der „Grüne Wasserstoff“ ist noch Zukunftsmusik. Die zugeschaltete Expertin Prof. Dr. Annalisa Manera von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich riet deshalb zu einer Strategie, die auf heute schon funktionierende Technologien setzt und nicht auf eine, „die vielleicht morgen kommt – vielleicht aber eben auch nicht.“

Kernkraft ist nicht „Hochrisikostrategie“

Die Nuklearforscherin warb für Kernkraftwerke. Diese seien nur dann eine „Hochrisikotechnologie“, wenn sie nicht kontrolliert, gewartet und weiter-entwickelt würden. Der Reaktor im japanischen Fukushima etwa hätte Sicherheitsstandards der 1970er Jahre gehabt. Die Expertin ist überzeugt: Ein moderner Reaktor wäre beim Tsunami 2011 nicht explodiert.
Und was die Abfälle betreffe: Auch bei der Herstellung von Solarmodulen fielen hochgradig umweltgefährdende Abfallstoffe an, so Prof. Dr. Manera. Es entstünden dabei toxische Chemikalien, die lange im Boden lagern müssten – nur eben in China und ohne entsprechendes Regelwerk.

Vorbehalte gegen „Fracking“ widerlegt

Der Sprecher des Themennetzwerks „Energie und Ressourcen“ bei der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und frühere Präsident der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Prof. Dr. Hans-Joachim Kümpel, empfahl als „Brücke“ die Nutzung einheimischer Schiefergasvorkommen. Die Wissenschaft habe Sicherheitsbedenken gegen „Fracking“ einhellig widerlegt: Bohrungen seien sicher und umweltverträglich möglich, die Ressourcen reichten, um etwa 40 Prozent der früheren russischen Gaslieferung zu kompensieren. Zudem ließen sich die Bohrlöcher für Geothermie nutzen.