Tresen statt Werkbank
1978 übernahm Peter Czok den baufälligen Gasthof Kleinkugel und machte daraus ein beliebtes Lokal mit Festsaal und Biergarten, einer kleinen Pension und einem Catering-Service. Inzwischen führt Sohn René die Geschäfte.
Als Peter Czok den Gasthof in Kleinkugel zum ersten Mal sah, faszinierten ihn die Bäume, die dort wuchsen. Nicht die an der Straße, auch nicht die in den umliegenden Gärten. Sondern die, die aus dem Dach des Gebäudes ragten. Ein ganzer Flügel war
Zum Wohl! René (links) und Peter Czok im Ausschankhäuschen ihres Biergartens.
© Michael Deutsch
eingefallen und wurde von der Natur erobert. Das restliche Objekt war halbwegs intakt, und die Gaststätte nach wie vor in Betrieb. Das war 1978, und seit dieser Zeit ist Peter Czok hier Gastwirt.
Vom Schlossermeister zum Gastronomen
In seiner beruflichen Laufbahn deutete zunächst wenig auf die Gastronomie hin: Czok ist gelernter Schlosser, arbeitete als Meister im VEB Vereinigte Bäckereimaschinenwerke Halle. Aus Neugier begann er zu kellnern, im Boulevard-Café Halle-Neustadt. Frühschicht im Blaumann, Spätschicht in Hemd und Weste. „Ich hatte mein Auskommen als Meister, aber die Arbeit im Café hat mir mehr Spaß gemacht“, erzählt der heute 75-Jährige. „Die Atmosphäre, der Umgang mit den Gästen – das war meine Welt.“
Czok begann, sich umzuhören, als Freizeitfußballer hatte er viele Kontakte. Irgendwann erfuhr er, dass der Gasthof in Kleinkugel, wenige Kilometer östlich von Halle, einen neuen Pächter suchte. Czok griff zu, trotz des maroden Zustands. „Ich habe gesehen, dass das Objekt Potenzial hat“, sagt er. Um investieren zu können, wollte er den Betrieb kaufen, doch der gehörte einer Erbengemeinschaft, die sich lange nicht einigen konnte. Acht Jahre dauert es, bis 1986, dann konnte er als neuer Besitzer endlich mit den dringend notwendigen Reparaturen beginnen.
Zu DDR-Zeiten war das eine logistische Herausforderung, weil „man nach jedem Sack Zement gerannt“ sei. Nach der Wende wurde es leichter, Baumaterialien waren nun keine Mangelware mehr. Peter Czok baute zunächst den eingestürzten Saal wieder auf und richtete ihn als Gastraum her, um auch das restliche Gebäude sanieren zu können. „Der Gasthof war seit seiner Gründung im Jahre 1910 ununterbrochen in Betrieb – da wollte ich keine Ausnahme sein“, erzählt er. Bis 1992 dauerte der Um- und Ausbau, dann hatte Kleinkugel wieder ein vorzeigbares Lokal mit gemütlicher Gaststube, großem Saal mit Platz für 90 Personen und schönem Biergarten. Und obendrein eine kleine Pension mit vier Zimmern.
Catering als weiteres Standbein
Der Gasthof entwickelte sich gut, viele Besucher aus den umliegenden Gemeinden,
© Gasthof & Pension Kleinkugel
aber auch den nahen Großstädten Halle und Leipzig wurden zu Stammgästen. Peter Czok punktet mit gutem Essen und ebenso gutem Service, seine Grünkohlwochen und die Martinsgans sind legendär. „Fertiggerichte kommen bei uns nicht auf den Tisch, aber wie zu DDR-Zeiten ist es auch nicht mehr“, sagt er. „Da wurde einem ein halbes Schwein auf den Küchentisch geworfen und dann musste man zusehen, wie man damit fertig wird.“
Seit 2006 wird er von seinem Sohn René unterstützt, der im halleschen Ankerhof zum Koch und Hotelbetriebswirt ausgebildet wurde. Vier Jahre arbeiteten Vater und Sohn
Der Gasthof Kleinkugel vor genau 100 Jahren (oben) und während der Sanierungsarbeiten 1992 (unten).
© Gasthof & Pension Kleinkugel
in einer GbR, 2010 übernahm René die Geschäftsführung. In jenem Jahr bauten die Czoks ein weiteres Standbein auf: Sie übernahmen das Catering für mehrere nahegelegene Unternehmen, darunter Schulungszentren der Automobilindustrie und der Bundeswehr. „Für die Feiern bei uns im Saal haben wir ja schon immer Buffets gemacht“, sagt Peter Czok. „Wir wussten, dass wir das gut können.“ Fünf Köche beschäftigten die Czoks und lieferten mit ebenso vielen Fahrzeugen täglich mehrere hundert Essen aus. Noch Anfang 2020 haben sie eine weitere Kantine übernommen.
Der Lockdown Ende März war für den Familienbetrieb somit eine doppelte Katastrophe: Der Gasthof musste schließen, und die Essen in den Schulungszentren wurden auch nicht mehr gebraucht, weil nun Home-Schooling statt Präsenzunterricht angesagt war. Die Angestellten aus der Küche und dem Service mussten in Kurzarbeit gehen, die Lieferwagen standen wochenlang ungenutzt im Hof. „Wir haben jeden Tag etwa 5.000 Euro weniger Umsatz gemacht als zu normalen Zeiten“, erzählt Peter Czok.
Branche braucht Perspektive
Wie normal die Zeiten wieder werden, und vor allem wann, weiß Peter Czok nicht. Aufgeben ist für den leidenschaftlichen Gastronomen keine Option. Er kämpft lieber – nicht nur für sich und seine Familie, sondern für die Branche. Czok ist Vorsitzender des Kreisverbandes Halle und Saalekreis des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA und sitzt für die CDU im Gemeinderat Kabelsketal. „Mein Einfluss ist begrenzt“, sagt er. „Umso mehr wünsche ich mir, dass die Verantwortlichen im Land und im Bund Entscheidungen treffen, die der Gastronomie eine Perspektive geben.“
„Die Gastronomie braucht eine Perspektive.“
Peter Czok
Gasthof & Pension Kleinkugel
Gegründet:
1978
Standort:
Kabelsketal, OT Kleinkugel
Mitarbeiter:
7
www.gasthof-pension-czok.de
Gegründet:
1978
Standort:
Kabelsketal, OT Kleinkugel
Mitarbeiter:
7
www.gasthof-pension-czok.de
Matthias Münch