Kleine Idee wird groß

Wenn es vor einem Super- oder Baumarkt zwischen Bitterfeld und Quedlinburg nach Brathähnchen duftet, dann steht mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Grillwagen aus Thurland in der Nähe. Begonnen hat die Erfolgsgeschichte des Unternehmensgründers Manfred Dreißig im September 1990 mit einem improvisierten Stand.

Manfred Dreißig nimmt sich Zeit, bevor er eine Frage beantwortet. Zum Beispiel die, was ihn über drei Jahrzehnte zum erfolgreichen Unternehmer gemacht hat. „Mir war
eigenständiges Denken immer besonders wichtig“, sagt er schließlich. „Ich wollte die Dinge verstehen, um nicht auf die Ratschläge anderer angewiesen zu sein.“ Deshalb hat er nach der Gründung der Thurländer Hähnchengrill GmbH viele Seminare besucht und sich betriebswirtschaftliches Know-how angeeignet. Und recht früh die Entscheidung getroffen, sich möglichst unabhängig von Krediten zu machen. „Nach der unmittelbaren Gründungsphase ist unser Wachstum ausschließlich aus eigenem Cashflow finanziert worden“, sagt er. „Dadurch konnten wir frei agieren und mussten wenig Kompromisse eingehen“. Offensichtlich war diese Strategie sehr erfolgreich, wenn man sich die rasante, phasenweise explosionsartige Entwicklung des Unternehmens anschaut.

Dicke Bretter bohren

Begonnen hat Manfred Dreißig vergleichsweise bescheiden – mit einem improvisierten Verkaufswagen. Das war am 3. September 1990. Eigentlich hatte der Diplom-Agraringenieur den Geflügelzuchtbetrieb, in dem er tätig war, nach der Wende übernehmen wollen. Als sich das zerschlug, kam er auf die Idee mit dem mobilen Hähnchengrill. „So etwas gab es im Osten nicht – und ein leckerer Broiler war zu DDR-Zeiten stets der Renner“, erzählt er. Um den Fuhrpark aufzubauen, tat Dreißig sich zunächst mit einem Partner aus Nordrhein- Westfalen zusammen, den er später auszahlte. „Das Wichtigste war, an die top frequentierten Stellplätze vor den großen Supermärkten heranzukommen. Als Ossi musstest du ein dickes Brett bohren, um überhaupt bis zu den Entscheidern der westdeutschen Ketten vorzudringen.“
Doch Dreißig war hartnäckig und konnte die richtigen Leute von der Qualität seiner
Grillhähnchen überzeugen. Und war damit quasi zum Wachsen verdammt, weil eine Supermarktkette ihn nicht nur für ein paar Standorte, sondern für ganz Sachsen-Anhalt als Partner wollte. Die Flotte der mobilen Grillwagen wuchs sprunghaft – eine Zeit lang um vier neue Fahrzeuge pro Jahr. Dreißig expandierte in die Harzregion und den Norden des Landes und errichtete dafür in Aschersleben eine zweite Basisstation.

Kleine Idee wird groß

Im Jahr 2000 zog der Stammbetrieb vom Hof der Eltern Manfred Dreißigs in das Gewerbegebiet am Rande von Thurland. Auch hier blieb der Unternehmer seiner Maxime treu und finanzierte die komplette Erschließung – einschließlich einer Trafostation – aus eigenen Rücklagen. Der Umzug war notwendig geworden, weil eine kleine Idee voll eingeschlagen hatte: Um zu den Grillhähnchen auch frische Salate anbieten zu können, hatte Dreißig 1999 die Thurländer Salate und Feinkost GmbH gegründet. Binnen weniger Jahre war er mit seinen küchenfertigen Salaten bei Ketten wie Lidl, Netto, Norma oder Edeka gelistet und eroberte einen bundesweiten Marktanteil von fast 20 Prozent. 400 Mitarbeiter und ein Jahresumsatz weit oberhalb der 50-Millionen-Euro-Marke – besser konnte es nicht laufen. Eigentlich. „In diesem extrem umkämpften Geschäft gilt wachsen oder weichen“, sagt Manfred Dreißig. „Ich hatte vor zu investieren und unsere Produktionsfläche zu verdoppeln.“ Womit er nicht rechnete, waren Vorbehalte von Kommunalpolitikern und Anrainern gegen seine erneuten Expansionspläne – eine schnelle Umsetzung wurde damit illusorisch. Dreißig zog die Konsequenzen und verkaufte die Firma 2018 an ein spanisches Unternehmen.

Neuen Klassiker erfunden

Seitdem konzentriert der Unternehmer sich wieder ganz auf die Thurländer Hähnchengrill GmbH, die mit ihren über 70 Standorten im südlichen Sachsen-Anhalt die Corona-Krise bislang unbeschadet überstanden hat. Krisen bedeuteten sowieso nicht nur Schlechtes, findet er, und Not mache erfinderisch. Als die Verbraucher während der Vogelgrippe stark verunsichert waren, hat Dreißig kurzerhand den „Thuler“ kreiert – ein Schweinehacksteak mit Krautsalat im Vollkornbrötchen, das heute schon fast ein Klassiker ist. Auch Schweinshaxen, Rippchen und Bratwürste zählen inzwischen zum Grillwagen-Sortiment.
Eigenständig im Denken, unabhängig von Krediten – wenn es nach Manfred Dreißig geht, sieht so auch das Erfolgsrezept seiner beiden Kinder aus. Sie stehen bereits in den Startlöchern, um seine Nachfolge anzutreten.
„Als Ossi musste man ein dickes Brett bohren.“
Manfred Dreißig
Thurländer Hähnchengrill GmbH
Gegründet:

1990
Standort:
Raguhn-Jeßnitz, OT Thurland
Mitarbeiter:
rund 80
www.thurlaender-haehnchengrill.de
Andreas Löffler