Der Herr der Planken
Fahrzeug-Rückhaltesysteme heißen sie in korrektem Amtsdeutsch, im Alltag werden sie Leitplanken genannt. Was das mit der Ehlert Apparatebau GmbH zu tun hat? Ganz einfach: Der Güstener Familienbetrieb stellt solche Schutzeinrichtungen her – und montiert sie auch.
Helmut Ehlert leitet das Familienunternehmen in der dritten Generation.
© Michael Deutsch
Als Familie Ehlert 1990 den Antrag auf kostenlose Rückerstattung ihres Unternehmens stellte, hatte sie viele Ambitionen, gute Argumente und einen ganz besonderen Trumpf in der Hand: Das Grundstück an der Neundorfer Straße in Güsten einschließlich der darauf errichteten Werkshallen gehörte nach wie vor ihr. August Ehlert hatte es 1936 gekauft, kurz nachdem sein Sohn Arthur den Ehlert Apparatebau gegründet hatte. Und es blieb im Familienbesitz, als der Betrieb 1972 zwangsenteignet wurde.
1970: Firmengründer Arthur Ehlert (ganz rechts) mit Sohn Dietrich (2.v.r.) und Mitarbeitern vor einem 30 Tonnen schweren Plasmaschmelzofen, der für den VEB Edelstahlwerk Freital gefertigt wurde.
© Ehlert Apparatebau GmbH
2020: Heute sind die Bauteile filigraner – hier werden Rohre für ein Radweggeländer gestanzt.
© Michael Deutsch
Es ist überhaupt bemerkenswert, auf welch clevere Weise sich die Ehlerts nach der erzwungenen Verstaatlichung der Betriebsmittel und des Firmenkapitals behauptet hatten: „Mein Vater Dietrich arbeitete hier weiter als Betriebsleiter“, erzählt Helmut Ehlert, der das Unternehmen heute in dritter Generation führt. „Als er 1986 in die Zentrale des VEB versetzt wurde, ließ er sich im Güstener Betriebsteil zusätzlich als Nachtwächter anstellen, um die Schlüsselgewalt über unser Grundstück zu behalten.“ So konnte die Familie einigermaßen sicherstellen, dass die Gebäude halbwegs intakt blieben und später in der Wendezeit nicht der gesamte Maschinenpark beiseitegeschafft wurde.
Aus Apparatebauern werden Monteure …
Der Antrag war erfolgreich, im Dezember 1990 erhielten die Ehlerts ihren Güstener Betrieb zurück. Doch wie sollte es weitergehen? „Die naheliegende Idee, die Produktion von Apparaten und Behältern wieder aufzunehmen, haben wir erst einmal verworfen“, sagt Helmut Ehlert. „Es wären enorme Investitionen nötig gewesen, um die veralteten Maschinen zu erneuern.“
Den entscheidenden Tipp gab ein Cousin, der im Kölner Autobahnamt arbeitete. Er riet dem Unternehmen, Leitplanken zum neuen Kerngeschäft der Firma zu machen. Aus Apparatebauern wurden somit Monteure. Denn es ging nicht darum, die Fahrzeug-Rückhaltesysteme – wie sie amtlich korrekt heißen – herzustellen, sondern aufzubauen. Um das nötige Know-how zu bekommen, gingen die Ehlerts ein partnerschaftliches Joint-Venture mit einem westdeutschen Spezialisten ein. Später wurden die gemeinsamen Geschäftsanteile an den Haniel-Konzern verkauft.
Seit 1998 montieren die Güstener die Fahrzeug-Rückhaltesysteme in komplett eigener Regie. Zur Jahrtausendwende jedoch begann das Geschäft zu stagnieren: „Es trat eine Sättigung ein“, erinnert sich Helmut Ehlert. „Der Osten war durchsaniert und der Aufbau West hatte noch nicht begonnen.“ Die Suche nach einem weiteren Standbein begann.
… und wieder Konstrukteure
Die Idee dafür kam Ehlert bei einem Montageprojekt an der Autobahn A71. Auf diesem Bauabschnitt wurde ein Amphibientunnel angelegt – solche Leiteinrichtungen waren damals noch selten, und es gab lediglich einen Hersteller dafür. Ehlert, studierter Ingenieur, entwickelte kurzerhand ein eigenes Produkt. „Wir haben einen sechsstelligen Euro-Betrag in neue Pressen, Sägen und Schweißgeräte investiert“, erzählt er. „Inzwischen stellen wir diese Schutzeinrichtungen nicht mehr nur für unseren eigenen Montagetrupp, sondern auch für Dritte her.“
Mehrere tragfähige Standbeine zu haben und fast alles selbst zu entwickeln und zu produzieren – das zahle sich aus, sagt Helmut Ehlert. So hat das Unternehmen die Bankenkrise 2008 unbeschadet überstanden und lässt sich auch von Corona nicht unterkriegen. „Kurzarbeit hat es bei uns nicht gegeben – wobei es sicher von Vorteil war, direkter Auftragnehmer des Staates zu sein. Laufende Investitionen in die Infrastruktur werden ja nicht plötzlich gestoppt.“
Was die Zukunft bringen wird? Klein bleiben und wachsen wolle er – und erklärt, warum das kein Widerspruch ist: „Struktur und Belegschaftsgröße sollen überschaubar bleiben, weil mir die familiäre Atmosphäre wichtig ist. In Sachen Gewinn kann das Unternehmen aber gern weiter zulegen.“
„Die familiäre Atmosphäre ist mir wichtig.“
Helmut Ehlert
Ehlert Apparatebau GmbH
Gegründet:
1936
Standort:
Güsten
Mitarbeiter:
13
Umsatz:
1,7 Millionen Euro (2019)
www.ehlert-apparatebau.eu
Gegründet:
1936
Standort:
Güsten
Mitarbeiter:
13
Umsatz:
1,7 Millionen Euro (2019)
www.ehlert-apparatebau.eu
Andreas Löffler