Gutes in die Breite tragen
Im März 2024 ging im Energiepark Dieselstraße in Halle (Saale) die erste Power-to-Heat-Anlage (PtH) Sachsen-Anhalts offiziell in Betrieb. In ihr wird Strom aus Erneuerbaren Energien genutzt, um Wärme zu erzeugen.
Darüber diskutieren IHK-Vizepräsident Matthias Lux (Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke Halle GmbH) und der stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Finanzdienstleistungen der IHK Halle-Dessau René Viehstädt (Vertriebsmanager Kommunalkunden Sachsen-Anhalt bei der Deutschen Kreditbank AG).
Herr Lux, die Stadtwerke Halle haben ihren Mehrbedarf an Investitionen bis 2034 gerade auf 1,2 Milliarden Euro beziffert. Wird Ihnen eigentlich bei solchen Summen manchmal schwindelig?
Finanzierungsnachfrage wächst Herr Viehstädt, die DKB hat 1996 das erste Windrad finanziert. Heute gilt die Bank als wesentlicher Akteur bei der Finanzierung der Energiewende. Wie stellen Sie sich auf die wachsende Nachfrage ein?
Bevor wir in die Zukunft schauen, lassen Sie uns Zwischenbilanz ziehen und die Lernkurve betrachten. Wie nachhaltig ist die Energiewende bisher und wie beschreiben Sie das entstandene Fundament?
Lux: 13 Jahre nach Fukushima und neun nach Paris, stammen über 50 Prozent des Bruttostroms in einer der größten Industrienationen der Welt aus regenerativen Quellen. Das ist ein Erfolg für Deutschland. Aber, das Lernen dabei haben wir an mancher Stelle teuer bezahlt. Wie wir überhaupt Preise stärker in den Fokus nehmen müssen.
Viehstädt: Ich plädiere dafür, dass wir stärker auf unsere Erfahrungen vertrauen und die Vielfalt der Akteure, die alle das Gleiche wollen. Die sichtbar zunehmende Vielfalt der Projekte führt zu immer mehr Dynamik und Interesse.
Eigenkapital als Schlüssel
Herr Lux, mit welchem unternehmerischen Ansatz wollen Sie die prognostizierten Mehrinvestitionen umsetzen, wen holen Sie dafür mit ins Boot? Und wo brauchen die handelnden Akteure mehr Unterstützung bzw. Klarheit in den Rahmenbedingungen?
Lux: Unser Eigenkapital stärken wir als wichtige Finanzierungsbasis über das Thesaurieren von Gewinnen und nachrangige Gesellschafterdarlehen der Stadt. Der Aufsichtsrat hat dazu eine konsistente langfristige Wirtschaftsplanung beraten, die einen Eigenkapitalanteil an der Finanzierung von ca. 150 Millionen Euro für zehn Jahre vorsieht – etwa 100 Millionen davon aus den genannten Gesellschafterdarlehen. Aus Sicht der Stadt übrigens ein gutes Geschäft, weil wir dafür natürlich eine Verzinsung zahlen. Um das zu unterstützen wurde inzwischen ein Effizienz- und Ergebnissteigerungsprogramm in der Stadtwerke-Gruppe gestartet. Dieses eigenkapitalersetzende investive Langfristdarlehen hat die Stadt in diesem Jahr zunächst in Höhe von 8,9 Millionen Euro in ihren Haushaltsplan zur Finanzierung von Wärmewende und Umsetzung weiterer Gesetze zum Klima-, Ressourcen- und Umweltschutz sowie weiterer Beträge in die Haushaltsplanung aufgenommen. Das Landesverwaltungsamt hat den Haushaltsplan bestätigt. Gesellschafterin und Stadtwerke streben an, ab 2026 dieses Procedere jährlich in variierenden Höhen bis zur Gesamthöhe von rund 100 Millionen Euro in 2034 zu vollziehen. Verzahnt sind diese Planungen mit einer Strategie zur Fremdkapitalakquise in zwei Phasen. In der ersten 2025/2026 stehen Abstimmungen mit Banken zu Gesellschafterdarlehen und deren eigenkapitalersetzender Wirkung, sowie das Nutzen von Erhöhungsoptionen und eines sog. Baskets und ein Optimieren von Krediten der European Investment Bank im Fokus. Ab 2027 geht es dann um die Neufinanzierung des Gesamtbedarfs für den verbleibenden langfristigen Planungszeitraum von fünf bis sieben Jahren. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Daneben wird es ohne Fördermittel nicht gehen. Hier wünsche ich mir eine bessere Ausfinanzierung der Bundesprogramme. Und, Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, ihre Infrastrukturdienstleister mit dem nötigen Eigenkapital auszustatten.
Herr Viehstädt, wie müssen sich Akteure der Energiewende jetzt aufstellen, um Finanzpartner zu finden, wie begleiten Sie Unternehmen, um Finanzierungsfähigkeit, u.a. mittels strukturierter Finanzierungskonzepte herzustellen?
Viehstädt: Die Energiewende braucht viele Akteure. Und es muss an sehr vielen Stellen investiert werden. Was die Finanzierung angeht, sind die Anforderungen und Herausforderungen je nach Segment sehr unterschiedlich. Bleiben wir einmal bei den Stadtwerken: Die nächsten zehn Jahre werden eine extrem kapitalintensive und anspruchsvolle Zeit für die Stadtwerke. Es bedarf einer Vielzahl von Instrumenten, um das benötigte Kapital aufzubringen – Bankkredite allein werden dabei nicht ausreichen. Für Stadtwerke geht es vor allem darum, Wege zu finden, ihr Eigenkapital zu erhöhen. Jeder Euro mehr Eigenkapital macht den Weg frei für zwei bis drei Euro mehr Fremdkapital. Das ist der entscheidende Hebel. Wir empfehlen unseren Stadtwerke-Kunden, so wie es Herr Lux beschrieben hat, den engen Austausch mit der Kommune zu suchen und zu diskutieren, ob Gewinnthesaurierung möglich ist, wie Aufgaben priorisiert werden können und ob eine Fokussierung auf bestimmte Kernaufgaben möglich ist. Zudem empfiehlt es sich zu prüfen, inwieweit strategische Partnerschaften mit anderen Stadtwerken oder Unternehmen entlastend wirken können und ob eine finanzielle Beteiligung von Bürgern an Projekten möglich ist. Gleichzeitig wird es weitere Wege der Kapitalbeschaffung brauchen: Dazu gehören in erster Linie verlässliche und auskömmlich ausgestattete Fördertöpfe – ich denke insbesondere an die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) – sowie auch den Zugang zu privatem Kapital. Ein sinnvoller Ansatz dazu ist die bereits seit längerem diskutierte Idee eines Investitionsfonds für die Energieinfrastruktur. Die aktuelle Bundesregierung hat dessen Einführung angekündigt – Datum und Ausgestaltung sind aktuell jedoch noch unklar. Zur Frage unserer Begleitung: Was große Stadtwerke wie in Halle in Eigenregie leisten, überfordert kleinere mitunter. Und vergessen wir nicht, manche Kommunen haben gar kein Stadtwerk. Wir laden unsere Kunden deshalb dazu ein, uns frühzeitig einzubinden. Schon dann, wenn der Strategieprozess beginnt. Gemeinsam lässt sich so erörtern, was jeder Beteiligte vor Ort beitragen kann und welche Volumina in welchem Zeitraum kreditfinanziert möglich sind. Das bringt Klarheit in den Prozess. Was wir dabei einbringen, sind spezialisierte Teams und viel Erfahrung im Bereich der Stadtwerkefinanzierung und z. B. auch in anderen Modellen wie der finanziellen Bürgerbeteiligung.
Welchen Ballast müssen wir abwerfen, um die ehrgeizigen Ziele auch umzusetzen?
Viehstädt: Aus meiner Sicht sollten wir mehr priorisieren und gute Beispiele voranstellen. Privates Kapital ist da, mobilisierbar ist es, wenn verlässliche Rahmenbedingungen bestehen. Was die Kommunen betrifft, müssen die sich letztlich aufstellen wie Unternehmen und mit ihren Stadtwerken an der Eigenkapitalausstattung arbeiten.
Lux: Außerdem müssen wir dringend Genehmigungsprozesse verkürzen und mehr Standards in der Technik setzen, wenn wir die entstehende angesprochene Dynamik nicht ausbremsen wollen.
Preissignale statt Verbote Wieviel Markt und wieviel Förderung brauchen wir in diesem Prozess?
Lux: Ich bin für mehr Markt: Weniger Verbote, mehr Preissignale, etwa mittels CO2-Zertifikaten.
Viehstädt: Die Dynamik im Markt muss unterstützt werden, Ziele müssen klar und verlässlich sein. Und: Ohne Förderungen wird es nicht gehen. Die Energiewende ist ein Gemeinschaftsprojekt, das nur im Zusammenspiel zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gelingt.
Und wie bleiben Energie und Wärme vor dem Hintergrund des bisher Gesagten noch bezahlbar?
Lux: Zunächst, die Kritik, insbesondere am Industriestrompreis, verstehe ich. Wir dürfen aber auch nicht außer Acht lassen, dass wir in Deutschland eine international herausragende Versorgungssicherheit haben und unabhängiger sein wollen. Bezahlbar werden sie, wenn wir uns darauf konzentrieren, zunächst die heute wirtschaftlichen Dinge zu tun. Erwarten kann man, dass Technologien und deren Wirtschaftlichkeit sich in einer dynamischen Wirtschaft immer weiterentwickeln und damit zukünftige Handlungsoptionen entstehen.
Herr Viehstädt, Anspruch der DKB ist es, der Wende mehr Energie zu geben. Wie nehmen wir dabei Gesellschaft und Bevölkerung in Zukunft besser mit und beteiligen sie aktiver an der Veränderung?
Viehstädt: Ich plädiere für mehr Bürgerbeteiligungen. Baustellen, gerade im Kontext der Wärmewende, werden in den nächsten Jahren deutlich sichtbar sein. Wichtig ist deswegen zu erklären, was die Veränderung bewirkt und warum sie notwendig ist. Und wir sollten viel stärker auch darüber sprechen, was gut funktioniert – über die vielen Projekte, die bereits erfolgreich umgesetzt sind. Dabei muss nicht ständig etwas Neues her, sondern Gutes in die Breite getragen werden.